Eine persönliche Geschichte darüber wie Martin Brodeur Einfluss auf mein Leben nahm.
Martin Brodeur gab am heutigen Donnerstag offiziell bekannt, dass er seine aktive Laufbahn als Torwart beenden wird. Der 42-Jährige kann auf eine außergewöhnliche NHL-Karriere zurückblicken. Man könnte nun einfach an dieser Stelle die zahlreichen Erfolge und Rekorde des langjährigen Schlussmanns der New Jersey Devils anführen. In meinem ganz persönlichen Fall würde es diesem Ausnahmetorhüter nicht gerecht werden. Es gibt Sportler, die einen über viele Jahre begleiten, mit denen einen mehr verbindet als nur die Faszination ihres Könnens. Und Martin Brodeur ist einer davon.
Mein Sohn war gerade einmal sechs Jahre alt als er den Schlussmann der New Jersey Devils zu seinem Lieblingsspieler erkor. Begonnen hat es vielleicht mit einem Päckchen Spielerkarten, die ich ihm nach dem Training der Bambinis im Eishockeyshop des alten Linde-Stadions gekauft und damit bei ihm die Sammelleidenschaft geweckt hatte. Ob das tatsächlich der Auslöser war, für das was folgte, darüber bin ich mir nicht im Klaren, doch fortan waren Brodeur und seine Devils auch bei uns zu Hause nicht mehr wegzudenken, geschweige denn zu übersehen. Sie sollten mich noch jahrelang begleiten.
Ein Album mit Eishockeykarten wurde angelegt – Brodeur-Cards wurden besonders sorgfältig behandelt. Das Album mehrmals täglich durchgeblättert und durchgesehen. Immer wieder musste ich als Übersetzer herhalten: Dem Kleinen den englischen Text auf der Rückseite der Karten mit den Spielerbiographien vorlesen oder die darauf abgedruckten diversen Statistiken erläutern. Häufig hält die Begeisterung eines Kindes für etwas Bestimmtes nicht sehr lange an. Jedoch in diesem einen Fall ebbte sie nicht mehr ab. Das Kinderzimmer ähnelte immer mehr einem Brodeur-Museum: Über Jahre hinweg sammelten sich Spielerfiguren, Pucks und Souvenir Goalieschläger an. Nie vergessen werde ich den Augenblick, als ich ihm ein gerahmtes, von Martin Brodeur original unterschriebenes Foto, das ich bei einem Händler in Texas bestellt hatte, schenkte, oder jenen, als Stefan eine Devils-Cap, darauf eine persönliche Widmung von Brodeur an meinem Sohn gerichtet, aus den USA mitbrachte. Was gibt es rührenderes als diese Momente, in denen man in Kinderaugen schaut, die vor Freude erstrahlen? Das Schöne ist, dass es eben nicht die großen, teuren Geschenke sein müssen, um ein Herz höher schlagen zu lassen. Martin Brodeur hat das bei meinem Sohn ganz einfach so geschafft! Danke hierfür Martin!
Ich habe daraus für mich gelernt, dass man sich stets einen Enthusiasmus, für was oder wen auch immer, erhalten sollte. Dabei spielt es keine Rolle, ob es Außenstehende als unwichtig betrachten. Unabhängig davon, wie viele Lebensjahre man schon hinter sich hat: Alt ist man erst, wenn man sich für nichts mehr richtig begeistern kann.
Martin Brodeur war sich in seiner aktiven Zeit immer seiner Vorbildfunktion bewusst gewesen. Trotz seiner Erfolge trat der Frankokanadier in der Öffentlichkeit stets bescheiden auf. Aus einer Eishockeyfamilie stammend, sein Vater Denis gewann 1956 eine olympische Bronzemedaille mit Team Canada, stand Brodeur von klein an auf Schlittschuhen. Im Alter von sieben Jahren traf er die für ihn wohl wichtigste Entscheidung seines Lebens, als ihn sein Trainer fragte, ob er lieber weiterhin Stürmer bleiben oder Torwart spielen möchte. Martin entschied sich aus dem Bauch heraus für das zweite. Diese Wahl war der Anfang einer sagenhaften Karriere.
Mit 18 wurde Brodeur von den New Jersey Devils in der ersten Runde des NHL Drafts 1990 an insgesamt 20. Stelle gezogen. Seine erste NHL-Partie bestritt er in der Spielzeit 1991/92. Die folgende Saison verbrachte er noch einmal in der AHL bei den Utica Devils, ehe er 1993/94 endgültig den Durchbruch in New Jersey schaffte. Am Ende der Saison wurde Brodeur als bester Rookie des Jahres mit der Calder Trophy ausgezeichnet. Was in den folgenden 20 Jahren, die er den Devils treu blieb, folgte, war eine unglaubliche Eishockeykarriere, in der er zum Aushängeschild der Franchise wurde. Dreimal gewann er den Stanley Cup, viermal die Vezina Trophy als bester Torhüter der Liga, neunmal nahm er an einem All-Star Game teil, viermal wurde ihm die William M. Jennings Trophy überreicht. Auf internationaler Bühne konnte er zweimal mit der kanadischen Nationalmannschaft olympisches Gold gewinnen.
Martin Brodeur wird ab sofort nicht mehr im Tor stehen. Es werden andere sein, die sich Kinder zum Vorbild nehmen, denen sie nacheifern können, mit denen sie erwachsen werden. Auch sie werden sich dann, aus der zeitlichen Distanz heraus, mit Freude an diese wunderbare Zeit, die ein Teil ihrer Lebensgeschichte ist, erinnern.
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