Der Coup der Sharks

Bei den Canadiens war er in Ungnade gefallen, doch Scott Gomez kann den Sharks weiterhelfen.

Mit zwei Siege und zehn Toren erwischten die San Jose Sharks einen Traumstart in die neue Saison. Zur Mitte der Woche sorgte die Franchise aus dem Norden Kaliforniens für weitere Schlagzeilen, als sie die Verpflichtung von Scott Gomez bekanntgab.

(Im Videoausschnitt der letzte NHL-Treffer von Scott Gomez am 17.2.2012)

Der 33-jährige Center war im letzten Jahr bei den Montreal Canadiens in Misskredit gefallen gewesen. Sein noch zwei Jahre laufender Vertrag, der ihm jährlich US$ 7 Millionen zugesichert hatte, wurde ausgelöst.

In der frankokanadischen Eishockeyhochburg hatte Gomez keine Chance mehr! Seine schwache Ausbeute von nur zwei Treffern und elf Vorlagen in der vergangenen Saison brachten ihm auch von Seiten der eishockeyverrückten Fans und der äußerst kritischen Presse vor Ort verständlicherweise schmerzende, aber durchaus nachvollziehbare Kritik ein. Kritik, die ein gutbezahlter Profisportler wegstecken können sollte, aber eben nicht jeder zwingend kann.

Wer live miterlebt hat, wie der in Alaska geborene US-Amerikaner im heimischen Bell Centre von fast 20.000 Zuschauern nach einer missglückten Aktion ausgebuht wurde, kann nachvollziehen, welche negativen Konsequenzen dieses auf die Psyche eines Spielers, und sei er auch noch so erfahren, haben kann.

Inwieweit dies bei Scott Gomez eine Ursache für seine schlechten Vorstellungen bei der Traditionsfranchise war, das weiß wohl nur er selbst.

Die Erleichterung darüber, dass das Kapitel Canadiens abgeschlossen ist, war ihm, bei einem Interview nach dem ersten Training als Shark, auf jeden Fall anzumerken:

„Ich darf nicht zurückschauen, das würde meine Motivation nicht gerade förden.“ Selbstbewusst fügt er hinzu, dass er sich besser fühlt als mit Anfang 20: „Mit zunehmendem Alter wird man gewiefter, man bekommt einen besseren Blick auf das Spielgeschehen und man ernährt sich auch gesünder als in jungen Jahren.“

Nach eigenem Bekunden hat der zweifache Stanley Cup Champion in San Jose das ganz große Ziel vor Augen:

„Jeder, der in der NHL spielt, will sich jeden Tag auf das Neue beweisen, seinen Beitrag leisten. Ich bin hergekommen um der Mannschaft zu helfen und ich möchte noch einmal den Stanley Cup gewinnen.“

Doch wie stehen die Aussichten, dass diesen Worten auch Taten auf dem Eis folgen können? Kann Scott Gomez, den Sharks tatsächlich eine Hilfe sein, um erstmals den Cup ins Silicon Valley zu holen? Auf jeden Fall spricht einiges dafür, dass mit ihm die Chancen darauf steigen. Gomez könnte es entgegenkommen, dass die Sharks auf ein anderes Spielsystem setzen, als sein letzter Arbeitgeber. Die Sharks spielen weniger Dump and Chase als die Canadiens. Sharks Headcoach Todd McLellan legt größeren Wert auf Puckkontrolle und Kombinationsspiel.

In San Jose gibt es für Gomez auch ein Wiedersehen mit Associate Coach Larry Robinson, den er noch aus seinen erfolgreichen Zeiten bei den New Jersey Devils kennt. In den sieben Jahren unter Robinson als Assistenztrainer oder Headcoach bei den Devils gewann Gomez in 2000 die Calder Trophy als bester Rookie, stand im gleichen Jahr im Kader des All-Star Games und dreimal, in den Jahren 2000, 2001 und 2003, im Stanley Cup Finale. Robinson weiß also genau, wie er den US-Amerikaner mit hispanischen Wurzeln anpacken muss, damit dieser tatsächlich eine Verstärkung für die kalifornische Franchise sein wird und an welcher Stelle, mit welchen Aufgaben, er am Besten in ihr System passt.

Sicherlich ist Gomez nicht mehr der Vollstrecker, wie zu Beginn seiner Karriere, doch er bringt Tiefe in den Kader der Sharks. Das ist auch die Erwartung von McLellan an seine Neuverpflichtung:

„Unsere Stürmer haben in den ersten zwei Partien einen guten Job gemacht, doch in der Offensive war es hauptsächlich die erste und die zweite Reihe, die Akzente setzen konnte. Wir hätten gerne, dass auch die dritte und vierte Reihe effektiver im Spiel nach vorne ist und dabei kann er bei deren Zusammenstellung eine personelle Alternative für uns sein.“

Die dritte Sturmformation der Sharks erzielte in den bisherigen Partien keinen einzigen, der immerhin schon zehn Treffer der Sharks.

Es ist davon auszugehen, dass sich McLellan entscheiden wird Gomez zunächst in die dritte Sturmformation zusammen mit T.J. Galiardi und Tommy Wingels aufzustellen. Michal Handzus dürfte seinen Platz als Center zugunsten des Neuzugangs räumen müssen. Der 35-jährige Slowake ist erfahren und Sportsmann genug, um es nicht als Degradierung zu empfinden, wenn er sich in naher Zukunft plötzlich in der vierten Reihe wiederfinden würde.

Gomez wird in San Jose sicherlich nicht mehr, so wie zu Beginn seiner Karriere 60 oder mehr Scorerpunkte pro Saison erzielen, diese Zeiten sind lange vorbei. Er kann jedoch die jungen, durchaus ambitionierten Kollegen an seiner Seite leiten und sie entsprechend in Szene setzen.

Das Risiko der Sharks, dass der Coup ‚Gomez‘ nicht aufgeht, hält sich in Grenzen. Für den Einjahresvertrag bekommt der vielseitig einsetzbare Stürmer ’nur‘ noch ein Zehntel seines bisherigen Gehalts. Diese 700.000 Dollar können sich als gute Investition des Managements herausstellen, die sich mehrfach auszahlen kann.

Aufgrund des geringeren medialen Interesses im Norden Kaliforniens, im Vergleich zu dem bei seinen zwei letzten Stationen in New York und Montreal, lastet deutlich weniger Druck auf den Schultern von Gomez. Das Wissen darüber, dass es seine letzte Chance sein wird in der Liga Fuß zu fassen, dürfte sich ebenso leistungssteigernd auswirken.

Man kann sich sicher sein, dass er auch von den Fans der Sharks vorurteilsfrei, freundlich empfangen und vielleicht nach einem Jahr, als ein Baustein, der den ganz großen Triumph mit ermöglicht hat, gefeiert wird.

Dieser Artikel erscheint auch auf NHL.com/de

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