Zeit kriegst du in der NHL nicht!

Interview mit Marco Sturm (Florida Panthers)

Er ist schon jetzt der erfolgreichste deutsche Eishockeyspieler aller Zeiten. Mit über 240 NHL-Treffern und nahezu 500 Scorerpunkten in über 900 NHL-Spielen wird der Dingolfinger Marco Sturm wohl in nächster Zeit unerreichbar bleiben. Wie gut könnten seine Werte erst sein, wenn der 33-jährige Bayer nicht in den letzten Jahren mit schweren Knieverletzungen zu kämpfen hatte und derzeit auf der Suche nach seiner Form ist.
Hinzukommt seine Odysee in der letzten und Anfang dieser Saison, als er von Boston nach Los Angeles und dann nach Washington getradet wurde. Im Juli unterschrieb er für ein Jahr in Vancouver, doch bereits zwei Wochen nach Saisonstart führte sein Weg nach Florida zu den dort ansässigen Panthers. Eishockey.com Redakteur Stefan Herget traf dort einen trotzdem gut gelaunten Marco Sturm und holte ein paar Hintergrundinformationen, warum es bei ihm mit erst zwei Saisontoren noch nicht so gut läuft, während die Panthers überraschend die Southeast Division anführen.

Frage: „Hallo Marco, darf man dir zu einem neuen NHL Rekord gratulieren: Fünf Teams in elf Monaten?

Sturm: (lacht) „Ja das stimmt. Mir wäre es natürlich anders lieber gewesen, aber es war teilweise eine sehr interessante Erfahrung und so ist das übliche Geschäft hier. Das habe ich vorher gewusst und von daher muss man dass dann akzeptieren, wenn es so kommt, wie in meinem Fall.

Frage: „Aber es ist schon ziemlich verrückt. Es ging ja von Osten nach Westen nach Osten nach Westen und jetzt wieder in den Osten, d.h. vier Mal quer über den Kontinent. Wie steckt man so etwas weg?

Sturm: (lacht) „Es ist natürlich nicht leicht gewesen, aber wenigstens hatte ich gute Vereine und Städte erwischt. Speziell für meine Familie und insbesondere die Kinder war es keine einfache Situation. Das hat manchmal schon sehr weh getan.

Frage: „Hat deine Familie dich immer begleitet?

Sturm:Nein, im letzten Jahr war ich immer nur alleine unterwegs und die Familie blieb in Boston zurück. Dann sind wir nach Vancouver umgezogen und jetzt Mitte November sind sie alle nach Florida gekommen. Ja wie gesagt besonders für die Kinder, die die Schule besuchen, ist das natürlich weniger schön.

Frage: „Und wie lange werden wir dich jetzt in Florida sehen?

Sturm: (lacht) „Keine Ahnung, aber ich hoffe schon, dass ich länger hier bleibe und es die ganze Saison sein wird. Aber man weiß in der NHL nie, was kommt. Das ist klar.

Frage: „Wie siehst du die Perspektiven des Teams hier?

Sturm:Ganz gut. Im Sommer hat sich hier einiges getan. Ich war aber doch sehr positiv überrascht wie stark die Mannschaft sein kann und wie erfolgreich sie spielt.

Frage: „Du hast es angesprochen, dass es beim Team gut läuft, aber diese Entwicklung ist konträr zu deiner persönlichen Leistungen. Woran liegt es deiner Meinung nach?

Sturm:Gute Frage. Ich habe mir das ganze auch etwas anders vorgestellt. Das ist ganz klar. Aber ich habe jetzt auch teilweise andere Rollen im Team zu erfüllen, als in den Jahren zuvor. Letztendlich ist es aber wichtig das die Mannschaft gewinnt und wenn ich hierzu einen Anteil leiste, dann kommen andere Dinge noch von alleine.

Frage: „Werden wir den alten Marco Sturm mit 20 bis 30 Toren pro Saison noch einmal erleben?

Sturm: (lacht) „Ja hoffentlich, aber es wird schwer, weil ich wie gesagt andere Rollen im Team auszufüllen habe und nicht mehr unbedingt den Torjäger verkörpern soll. Aber ich arbeite trotzdem nicht nur auf dem Eis, sondern auch außerhalb hart daran, dass es wieder wie früher wird.

Frage: „Die Angst vor einer erneuten Verletzung spielt keine Rolle mehr oder belastet das einen zwangsläufig?“

Sturm:Überhaupt nicht. Das ist vergessen und vorbei. Letztes Jahr war es noch da, das mulmige Gefühl, da war ich im Kopf noch nicht bereit und das war sehr schwierig. Es wurde dann jedoch von Woche zu Woche besser und jetzt blockiert mich nichts mehr.

Frage: „Jetzt hat mit Boston dieses Jahr ausgerechnet das Team den Stanley Cup gewonnen, wo du über Jahre hinweg genau dieses Team mit aufgebaut hast und zu Saisonbeginn gehen musstest. War da auch ein bitterer Beigeschmack für dich dabei?

Sturm:Ja, mit Sicherheit. Einerseits weil ich sozusagen mit der Mannschaft aufgewachsen bin und den Erfolg nicht mitfeiern konnte, aber andererseits hat es mich sehr gefreut, weil es wirklich eine Supertruppe ist und es dem ganzen Umfeld mit Trainern, Betreuern und Ärzten einfach zu gönnen war.

Marco Sturm(mi.) wartet auf der Bank.

Frage: „Wir haben vom Dennis Seidenberg erfahren, dass du während der Stanley Cup Finals in Boston warst. Hattest du auch Kontakt zum Team?

Sturm:Nein, mit den Spielern nicht, sondern nur mit den Ärzten und Betreuern. Meine Familie war ja noch in Boston und dann hat sich das zwangsläufig ergeben, aber die Spieler wollte ich nicht ablenken und in Ruhe lassen.

Frage: „Gab es Gründe, woran es lag, dass du bei den folgenden Teams keinen Tritt gefasst hast?

Sturm:Letztes Jahr war ich einfach durch die beiden Kreuzbandrisse nicht bereit. Das ist schon eine sehr schwierige Situation. Den ersten habe ich noch ganz gut weggesteckt, aber dann kommst du nach vielen Mühen zurück und es erwischt dich wieder. Das kann man dann doch nicht so schnell verarbeiten und braucht seine Zeit. Aber genau die kriegst du hier in der NHL nicht. Das ist so und das kann man persönlich nicht ändern. Von daher muss man immer positiv gestimmt bleiben und nach vorne schauen.

Frage: „Wo siehst du deine Ziele? Du hast jetzt über 900 NHL-Spiele. Vielleicht die 1.000?

Sturm:Ja das wäre schön. Aber für mich ist einfach wichtig von Jahr zu Jahr, von Monat zu Monat zu denken. Wie auch immer. Das wichtigste ist gesund zu bleiben und wieder Spaß am Eishockey zu haben, weil die letzten zwei bis drei Jahre sehr bescheiden verliefen.

Frage: „Du hast eine Marco Sturm Stiftung gegründet, um für strahlende Kinderaugen zu sorgen. Auf der entsprechenden Website steht, es geht um keine großen PR-Berichte, um Lob oder Anerkennung. Spiegelt dieser Vorsatz auch ein bißchen den Typ Marco Sturm in seiner Persönlichkeit wider?

Sturm:Ja finde ich schon. Ich versuche einfach Kindern zu helfen, so gut es geht und ich bin niemand, der da in der Öffentlichkeit stehen will und um Spenden bittet. Ich gehe auch mit der Hilfe direkt zu den betroffenen Familien und nicht über Vermittler. Bis jetzt hat das alles ganz gut funktioniert und es läuft so, wie ich mir das vorstelle. Die Hilfe sollte immer unmittelbar und unbürokratisch ankommen.

Eishockey.com: „Marco, wir bedanken uns für das wie immer sehr sympathische Gespräch und wünschen dir natürlich nur das Beste, vor allem viel Gesundheit und Erfolg.

Sturm:Vielen Dank. Das kann ich gebrauchen.(sth)

 

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