Hoffnungsträger Draisaitl

Nach dem Ende der erfolgreichen Karrieren von Marco Sturm (1006 Spiele; 509 Punkte) und Jochen Hecht (1998-2013: 892 Spiele; 495 Punkte) in der NHL ruhen die deutschen Hoffnungen, diese große Lücke im offensiven Bereich zu füllen, auf neuen Schultern.

Aus deutscher Sicht sollen in der stärksten Liga der Welt zukünftig Tobias Rieder von den Arizona Coyotes und mehr noch Leon Draisaitl von den Edmonton Oilers für Furore sorgen. Von ihnen wird erwartet, dass sie die durch Sturm und Hecht entstandene Lücke schließen können. Eine wahrlich große Verantwortung.

Der 20-jährige gebürtige Kölner und Sohn es ehemaligen mehrfachen Nationalspielers Peter Draisaitl hat nach anfänglichen Schwierigkeiten ein Jahr nach dem 22-jährigen Bayer Rieder ebenfalls Fuß gefasst.

„Es ist cool und wir wissen, was für eine Erwartung auf uns lastet“, sagt Draisaitl am Mittwoch nach dem Training am Telefon. „Mit Tobi verstehe ich mich sehr gut und es ist für uns beide gut, dass wir das Medieninteresse aus Deutschland teilen können.“

Während Rieder im warmen Phoenix seiner Arbeit nachgeht, muss Draisaitl mit dem sehr kalten Edmonton Vorlieb nehmen. „Es ist kalt, aber mir gefällt es ganz gut hier“, sagt er nüchtern. „Es ist natürlich etwas kleiner als zum Beispiel in New York, aber man findet dadurch alles leichter.“

Draisaitl ist einfach nur glücklich, dort zu sein, wo er jetzt ist. Schließlich musste er trotz intensivem Sommertraining und großem Ehrgeiz vor Saisonbeginn erneut den bitteren Weg ins Farmteam antreten.

Erst am 28. Oktober, einen Tag nach seinem 20. Geburtstag, kam die Berufung in die NHL und seitdem besticht er dort durch gute Leistungen.

„Es waren viele Auf und Ab“, zieht Draisaitl seit dem Saisonstart Bilanz. „Die Tiefen waren vor allem am Anfang, aber dann ging es bergauf. So muss ich zurückblickend sagen, dass es sehr lehrreiche, aber im Endeffekt sehr erfolgreiche drei Monate waren.“

In der Tat, Draisaitl hat nach 31 Spielen in dieser Saison 32 Punkte vorzuweisen. Ein stolzer Wert. Zum Vergleich: Die Rekordpunktzahl eines Deutschen in einer Spielzeit holte Sturm 2005/06 mit 59.

Damit ist es für die Nummer 29 der Oilers durchaus im Bereich des Möglichen, diesen Wert bereits dieses Jahr zu übertrumphen. Allerdings ist in den letzten Wochen eine gewisse Stagnation festzustellen. So hat er am 9. Dezember das letzte Mal einen Treffer erzielt.

„In den letzten paar Wochen hat mir das Glück etwas gefehlt“, betont Draisaitl darauf angesprochen. „Aber das ist nix, worüber ich mir zu viele Gedanken mache. Das wird schon wieder kommen.“

Liegt es am Ende daran, dass er mehr Beachtung bei den Gegnern findet? „Auf jeden Fall denke ich, dass ich mir in der Liga einen Namen gemacht habe“, erwidert Draisaitl, der weitgehend als Center in der ersten Reihe zwischen Tylor Hall und Teddy Purcell agieren darf. „Außerdem spielen wir gegen die Topverteidiger und Topreihen der Gegner, das macht es am Ende auch nicht einfacher.“

Die größere Belastung, die Draisaitl aufgrund der längeren Eiszeiten hat, lässt er indes nicht als Argument gelten. „Bis jetzt geht es mir noch ganz gut, aber das wird jetzt dann sicher zum Ende der Saison hin härter“, sagt er trocken.

Natürlich auch aufgrund der Konstellation, dass das Tabellenbild nach wie vor sehr eng ist. Die Oilers stehen auf dem letzten Platz im Westen, sind aber nur vier Punkte vom Playoffplatz, dem Dritten in der Division, entfernt.

„Wir wollen so lange es geht, dran bleiben und es spannend halten“, gibt sich Draisaitl kämpferisch. „Jeder Punkt und jedes Spiel hat eine enorme Bedeutung dadurch.“

Draisaitl ist überzeugt, dass sich Edmonton auf dem richtigen Weg befindet, endlich Kapital aus den vielen hohen Draftzügen der vergangenen Jahre ziehen zu können. Ein erneutes Verpassen der Playoffs wäre das zehnte Mal in Folge nach dem überraschenden Einzug in das Stanley Cup Finale 2006.

„Die letzten Jahre waren nicht sehr erfolgreich in Edmonton, aber die Fans sehen, glaube ich schon, dass wir in die richtige Richtung gehen“, erläutert Draisaitl auf die Frage, wie er die Stimmung in der Stadt empfindet.

Hoffentlich wird die nötige Geduld trotz der vielen Enttäuschungen noch aufgebracht und Draisaitl kann in Zukunft weiterhin seinen Beitrag für erfolgreiches Eishockey in Edmonton, aber auch in Deutschland leisten.

Dieser Artikel erscheint auch auf NHL.com/de

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