Chicagos neuer Look

Die Blackhawks waren auf dem Transfermarkt sehr aktiv und bauten ihren Kader um.

An Sir Alfred Ernest Ramsey, von 1963 bis 1974 Trainer der englischen Fußballnationalmannschaft, dürften sich nur noch die wenigsten erinnern, doch der von ihm stammende Ausspruch „Never change a winning team“ wurde im Laufe eines halben Jahrhunderts zu einer Sportweisheit. Ihr Wahrheitsgehalt ist mehr als umstritten und wenn überhaupt, dann hat sie nur für begrenzte Zeit Gültigkeit. Die Kunst einer guten sportlichen Leitung besteht darin ein Team weiterzuentwickeln. Vor allem in einer Mannschaftssportart ist Stillstand gleichbedeutend mit Rückschritt. Auch Ramsey musste das im Laufe seiner Trainerkarriere erkennen: 1966 gewann er mit der englischen Fußballnationalmannschaft den Weltmeistertitel, 1970 schieden die ‚Three Lions‘ im Viertelfinale gegen Deutschland aus und weitere vier Jahre später scheiterten die Engländer bereits in der Qualifikation zur WM.

In der NHL ist es für die sportlich Verantwortlichen eines Teams noch schwieriger eine erfolgreiche Mannschaft zusammenzuhalten. Der Salary Cap, die Gehaltsgrenze, die man für seinen Kader maximal ausgeben darf, zwingt die General Manager regelrecht dazu Veränderungen vorzunehmen. Umso erstaunlicher ist es, dass die Chicago Blackhawks über Jahre hinweg nicht nur ganz oben mitspielen, sondern auch dreimal innerhalb von sechs Jahren die begehrteste Eishockeytrophäe der Welt, den Stanley Cup, gewinnen konnten.

Im Juli 2009 hat Stan Bowman das Amt des General Managers bei den Blackhawks übernommen und führte das Traditionsteam an die Spitze. Können die Blackhawks dort oben noch für eine geraume Zeit bleiben? Kann ihnen sogar eine Titelverteidigung gelingen? Die Detroit Red Wings vollbrachten in den Jahren 1997 und 1998 als bis dato letztes NHL-Team dieses Kunststück. Nebenbei bemerkt: Damaliger Headcoach dieser Erfolgstruppe aus Detroit war Scotty Bowman, der Vater von Stan Bowman, gewesen. Vor 17 Jahren standen die Chancen auf eine erfolgreiche Titelverteidigung deutlich besser – denn es gab keinen Salary Cap.

In diesem Sommer muss den Blackhawks erneut ein Spagat gelingen. Zum einen dürfen sie die Gehaltsobergrenze nicht überschreiten, zum anderen möchten sie erneut ein Wort um die Titelvergabe mitreden. In der jüngeren Vergangenheit haben Bowman, Joel Quenneville und der gesamte Trainerstab bewiesen, dass sie in der Lage sind das zu schaffen.

Die Free Agency Periode startete vor 14 Tagen und die Blackhawks waren als amtierender Stanley Cup Champion eines der aktivsten Teams auf dem Transfer- und Spielermarkt. Nahezu ein Viertel ihres Meisterschaftskaders von 2015 haben sie ausgetauscht. Unter den Abgängen waren nicht nur Ergänzungs- oder Nachwuchsspieler, sondern eben auch Leistungsträger.
Am vergangenen Freitag sorgte Bowman mit dem Trade von Patrick Sharp zu den Dallas Stars erneut für Aufsehen. Mit US$ 5,9 Millionen hatte der 33-jährige Linksaußen Chicagos Salary Cap belastet. Im Gegenzug erhielten die Blackhawks Verteidiger Trevor Daley (US$ 3,3 Millionen) und Flügelstürmer Ryan Garbutt, von seinem Gehalt in Höhe von US$ 1,8 Millionen übernehmen die Texaner die Hälfte. Auf den ersten Blick war dieser Trade für die Blackhawks genauso wenig ein guter Tausch wie der mit den Columbus Blue Jackets, die Chicagos jungen Stürmer Brandon Saad erhielten. Zur Kompensation dieses Deals bekamen die Blackhawks Center Artem Anisimov, den talentierten Flügelstürmer Marko Dano, Corey Tropp, Jeremy Morin und einen Draft Pick der vierten Runde beim NHL Draft 2016.

Geht man jedoch bei der Analyse dieser Trades ins Detail könnte die Rechnung von Bowman aufgehen. Sharps Verdienste für die Blackhawks in der Vergangenheit sind unbestritten, doch man darf nicht vergessen, dass er seinen Leistungszenit bereits überschritten hat – wenn auch auf einem sehr hohen Niveau. Nach seiner überragenden Spielzeit 2013/14, in der er mit 78 Zählern in 82 Spielen eine persönliche Bestleistung aufgestellt hatte, ging seine Punkteausbeute in der vergangenen Saison auf 16 Tore und 27 Assists in 68 Spielen zurück.

Daley, 31, zeigte im vergangenen Jahr bei den Stars außergewöhnliche Offensivqualitäten. Wohlgemerkt als Verteidiger hatte er es auf 16 Treffer und 22 Vorlagen in ebenfalls 68 Partien gebracht. Er dürfte damit auch mehr als ein Ersatz für den schwedischen Blueliner Johnny Oduya sein, dessen Vertrag bei den Hawks ausgelaufen ist und der sich nach einen anderen Arbeitgeber umsehen wird. Man darf gespannt darauf sein, ob sich Daley in Chicago ähnlich offensiv ausrichten darf wie zuletzt in Dallas. Ein Platz in einer der ersten zwei Verteidigerreihen an der Seite von Brent Seabrook, Niklas Hjalmarsson oder Duncan Keith dürfte ihm sicher sein.

Die drei Blueliner werden auch in der kommenden Saison neben Jonathan Toews, Patrick Kane, Marian Hossa und Corey Crawford das Gerüst der Blackhawks bilden. Anisimov, 27, hat noch viel Potenzial nach oben. Er müsste es nur einmal schaffen konstante Leistungen abzurufen. Dano bestritt 2014/15 für die Blue Jackets seine ersten 35 NHL-Partien und durfte sich über 21 Scorerpunkte (8 Tore, 13 Assists) freuen. Der 20-jährige Slowake hat im Schnitt 0,60 Punkte pro Spiel erzielt und liegt damit nur geringfügig hinter dem zu recht hochgelobten Brandon Saad (0,63 Pkt./Spiel).

Alles in allem brauchen sich die Anhänger der Blackhawks nicht allzu große Sorgen um ihr Team machen und können zuversichtlich der kommenden Saison entgegen sehen.

Dieser Artikel erscheint auch auf NHL.com/de

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