All-Stars: vergessene Rekorde und Randnotizen

von Gerulf Ketz

Wer es in die NHL geschafft hat, gehört zu den besten Eishockeyspielern der Welt. Wer zum All-Star-Spiel eingeladen wird, muss ein Kufengott oder Schlägergenie sein. In 2015 wurde es 60 Jahre alt, das Paket aus Talent und Fähigkeiten, Fans und Vermarktung, gepaart mit viel Freude und netten Randgeschichten.

Stars und Eintagsfliegen

Die Liste der NHL-All-Stars liest sich wie ein Geschichtsbuch des Eishockeysports: Gordie Howe, Ray Bourque, Wayne Gretzky, Mark Messier, Paul Coffey oder Maurice Richard nahmen bis zu 23 Mal teil. Ein unglaublicher Gedanke, diese Spieler in einem Team erleben zu dürfen.

Am andere Ende produziert ein Event am All-Star-Wochenende besonders viele Eintagsfliegen: Die „Young Stars“. Ein Treffen von Nachwuchsstars mit guten Leistungen in frühen Jahren und einer aussichtsreichen NHL-Zukunft; aus der oft nichts wurde. Gut los ging es für Ilya Kovalchuk, einem großen Namen des Eishockeysports. Er erzielte bereits als besagter „Young Star“sieben Tore in einem köperlosen Spielformat, das gute Einzelspieler bevorzugt. Die Folgejahre brachten mit Brian Sutherby und Philippe Sauve zwei Spieler hervor, die damals zu MVPs, zu den besten Akteuren, gewählt wurden. Beide kamen zusammen auf keine 500 NHL-Spiele. Von über 20 Jung-Teilnehmern aus 2010 nahm in 2015 nur Patrick Kane am All-Star-Spiel teil.

Zur aberwitzigsten Eintagsfliege eines All-Star-Spiels kam es allerdings nicht: Rory Fitzpatrick. Das Wahlverfahren für Fans ermöglichte es in 2007, jeden Spieler zu nominieren. Der damalige Vancouver Canuck staunte nicht schlecht, als seine Stimmen durch die Decke schossen. Mit gerade 18 NHL-Spielen in dieser Saison landete Rory mit über einer halben Millionen Stimmen auf Platz 3 der Verteidiger, ganz knapp hinter Niklas Lidstrom, einem der besten NHL-Verteidiger aller Zeiten.

Talent und Fähigkeiten

Das Spiel der Besten der Besten ist ein Aushängeschild einer Sportliga. Die NHL vermarktet die großen Namen mit eigenen Trikots, einem Fan-Wahlwettbewerb und Sponsorenterminen. Es gibt viele bunte Bilder mit lachenden Spitzensportlern und glücklichen Kindern. Man zeigt, wie großartig Eishockey sein kann: harte Schüsse, schnelle Sprints, genaues Passen. Was auf den ersten Blick wie eine Trainingseinheit mit 20.000 Zuschauern wirkt, zeigt der Welt, wie schwierig die Elemente dieses Sports sind – und wie einfach es die Stars aussehen lassen.

Es mangelt nicht an außergewöhnlichen Einzelleistungen. Neben dem Torscheibenschießen ist der Wettbewerb um den härtesten Schuss am bekanntesten. Es dominieren die Spieler, die sonst nur selten ins Tor treffen, die großen Verteidiger. Lange Jahre beherrschte Zdeno Chara das „Super Skills“-Event um den knallharten Schlagschuss. Diese Fähigkeit ist nicht nur vom Spieler abhängig. Viele Jahre gewann ein Al; zu Beginn der 90er Jahre war es Al Iafrate, zum Ende des letzten Jahrtausends Al MacInnis, die den Puck mit um die 150 Stundenkilometer in Netz droschen. Doch erst Chara war es, der die letzten fünf Austragungen vor 2015 mit stabilen 160 oder gar über 175 km/h für sich entschied. Es sind physische Voraussetzungen, gepaart mit Können und technischen Weiterentwicklungen, die immer neue Bestmarken im Sinne des „Höher, Schneller, Stärker“aufstellen.

Fans und Vermarktung

Am Rande der All-Star-Veranstaltung veröffentlichte die NHL die Fortsetzung des zuletzt in 2004 ausgetragenen „World Cup of Hockey“. Das Ziel des Turniers, das vor der NHL Saison 2016-2017 in Toronto stattfinden wird, ist es, die großen Eishockeymärkte dieser Welt mit All-Star-Eishockey zu beliefern. Das erinnert an das All-Star-Spiel aus dem Jahr 2000 in Toronto, welches eine Weltmannschaft um Mats Sundin, Jaromir Jagr, Teemu Selanne, Niklas Lidstrom und Dominik Hasek gegen eine Starmannschaft aus Kanada um Steve Yzerman, Brendan Shanahan und Rob Blake antreten ließ.

Es soll die Wiederbelebung eines, wenn auch kleinerem, Olympia-ähnlichen Eishockeyturniers werden. Es beschwört schon heute die großen Rivalitäten, wie Kanada oder Russland gegen die USA, herauf. Der Olympiaersatz versucht den Kompromiss für Spieler und eingefleischte Fans zu schaffen, weil eben bei der IIHF Weltmeisterschaft nicht alle besten Spieler durch andauernde NHL Stanley Cup Playoffs nicht vertreten sind.

Nicht zuletzt wirft es die Frage auf, wie sich das olympische Eishockeyturnier entwickeln wird und ob die NHL ihren Spielern dafür weiter freigibt und ihren Spielbetrieb unterbricht. Nicht wenigen Eigentümern ist letzteres ein Dorn im Auge, zumal wenn Spitzenspieler mit einer schweren Verletzung zurückkehren, wie 2014 John Tavares von den New York Islanders.

Sinn und Nutzen

Das All-Star-Spiel 2015 war das Gegenteil von dem, was die Stanley Cup Finals 2015 sein werden. 29 Tore in einer Partie, so etwas werden wir unter Wettkampfbedingungen wohl niemals erleben.

Die Austragung des Events war zuletzt unregelmäßig, sodass nur sieben Spiele in den letzten 12 Jahren stattfanden und 2015 eine zweijährige Pause beendet wurde.

Das All-Star-Wochenende gibt allen Freunden des NHL-Eishockeys die Gelegenheit, einen Schritt zurückzutreten, heraus aus dem schnelllebigen NHL-Alltag. Es entsteht Raum und etwas Zeit, um einen Blick hinter die Kulissen zu werfen. Doch es ist ein zeitlich begrenzter Raum, der spätestens mit der ersten Spielerfreisetzung am Folgetag geschlossen wird.

Dieser Artikel erscheint auch auf NHL.com/de.

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