Ehre wem Ehre gebührt

Jaromir Jagr ist noch lange nicht müde und geht weiter auf die Jagd nach Punkte und Rekorde.

Was haben Elias Lindholm, Victor Rask, Jeff Skinner, Justin Faulk und Andrej Nestasil gemeinsam? Sie alle standen gestern Nacht im Aufgebot der Carolina Hurricanes gegen die New Jersey Devils und waren zu dem Zeitpunkt, als Jaromir Jagr seine erste NHL-Partie bestritt, noch nicht geboren. Nun wurden sie Zeugen, wie der 42-jährige Rechtsaußen in seinem 1500. NHL-Spiel wieder einmal Eishockeygeschichte schrieb. In den letzten fünf Minuten des Mittelabschnitts, beim Stande von 0-1, drehte er mit einem Tor, dem 710. in seiner NHL-Karriere, und einer Vorlage zu Adam Henriques Powerplaytreffer die Partie zu Gunsten seiner Devils. Es war der 1772. Scorerpunkt des tschechischen Flügelstürmers in seiner NHL-Laufbahn. Mit diesem überholte er Marcel Dionne in der ewigen Scorerliste überholte und rangiert nun auf Platz 5.

Jede Zeit hat ihre Sporthelden, doch Jaromir Jagr ist der Held mehrerer Zeiten. Wie viele Abgesänge wurden auf ihn schon geschrieben, wenn es einmal nicht so gut für ihn lief? Wer hätte geglaubt, dass er noch einmal in die NHL zurückkommen wird, nachdem er sich im 2008 für drei Jahre in die russische Liga KHL zu Avangard Omsk verabschiedet hatte?

Als er den Wunsch bekundete wieder in Nordamerika zu spielen, sollen sich zwei Drittel der NHL-Teams um seine Dienste bemüht haben. Den Zuschlag bekamen schließlich die Philadelphia Flyers, für die er 2011/12 in 73 Partien 19 Tore und 35 Assists erzielen konnte. Es folgten die Stationen Dallas und Boston ehe es ihn vor zwei Jahren zu den New Jersey Devils zog.

Wer hätte damals gedacht, dass er es als 41-Jähriger schafft die Saison 2013/14 als bester Scorer des Teams abzuschließen? Auch in diesem Jahr führt er wieder mit aktuell 17 Punkten die mannschaftsinterne Scorerwertung der Devils an.

Sein Trainer Pete DeBoer zeigte sich nach der gestrigen Partie sehr angetan: „Das ist schon etwas ganz besonderes. So etwas wird man vielleicht kein zweites Mal mehr sehen.“ Jagrs Leistung ist umso beeindruckender, wenn man weiß, dass er noch Stunden vor dem Spiel seinen Trainer darum gebeten hatte, ihn heute vielleicht doch nicht aufzustellen, da er sich nicht sehr wohl fühle. Ihm wurde aber besser. Er spielte – und wie!

Auf seine Rekordjagd angesprochen, zeigt sich der tschechische Ausnahmeeishockeyspieler bescheiden und verrät auch sein ‚Geheimrezept‘: „Ich habe eben viele Spiele bestritten, habe immer versucht gesund zu bleiben. Das macht es aus.“

Selbstverständlich ist es nicht so leicht der beste europäische Eishockeyspieler zu werden. Es gehört mehr dazu als häufig zu spielen, wenn man in der ewigen Torjägerliste der NHL auf dem sechsten Platz steht, wenn man neunmal am All-Star Game teilgenommen hat, wenn man sechsmal mit der Art Ross Trophy, dreimal mit dem Lester B. Pearson Award und einmal als bester Spieler der Liga ausgezeichnet wurde.

Für Jaromir Jagr gibt es eigentlich nichts mehr zu gewinnen. Er gehört, als einer von 25 zum Triple Gold Club, also zu jenen Spielern, die sowohl eine IIHF-Weltmeisterschaft, eine olympische Goldmedaille und den Stanley Cup gewonnen haben. Vor allem der Olympiasieg in Nagano 1998 war eine der größten Überraschungen nach der Wende, von der noch heute jeder Tscheche schwärmt.

Nachdem der Eiserne Vorhang 1989 zerschnitten war, zog es viele sehr gute Eishockeyspieler aus Tschechien in die NHL. Erinnert sei hierbei an Bobby Holik und Robert Reichel, die als 18- und 19-Jährige zusammen mit Jagr im Nationalteam die talentierteste Sturmreihe gebildet haben, die jemals das tschechische Eishockey hervorgebracht hat. Erinnert sei an Dominik Hasek, dem Hexer im Tor, dessen Spielstil bis heute unnachahmlich ist.

Was treibt Jagr zu solchen Höchstleistungen an? Woher nimmt er die Motivation? Immer wieder hat er betont, dass es die Liebe zum und der Spaß am Eishockey sei. Auch wenn er sich bewusst ist, dass es angesichts des Älterwerdens schwerer wird, mit den Besten mitzuhalten, er wird, wie er es seine ganze Karriere hindurch gemacht hat, immer alles geben. Mit seiner Übersicht, mit seiner Puckbeherrschung, durch die er das Augenmerk mehrere Gegner auf sich zieht und Freiräume für Mitspieler schafft, ist er noch immer für jede Mannschaft eine Verstärkung.

Es ist auch nur noch eine Frage der Zeit bis die ‚Nummer 68‘ in den Statistikbüchern noch weiter nach oben klettert. Ihm fehlen noch sieben Zähler, dann hat er auch Ron Francis, mit dem er von 1992 bis 1999 in Pitsburgh zusammengespielt hatte, auf Platz 4 in der Scorerwertung überholt.

Die Frage, welcher Europäer der beste Eishockeyspieler aller Zeiten war, ist müßig. Für mich ist es Jaromir Jagr. Wer mir nicht zustimmen will, kann sich vielleicht mit mir auf den Kompromiss einigen, dass Dominik Hasek der beste europäische Torwart, Nicklas Lidstrom der beste europäische Verteidiger und Jaromir Jagr eben der beste Stürmer ist.

Dieser Artikel erscheint auch auf NHL.com/de

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