Streit – Die Krönung fehlt noch

Es ist seine unglaubliche Einstellung zu dem was er tut, seine Geradlinigkeit und Hartnäckigkeit, die ihn zu dem gemacht hat, was er heute ist.

Obwohl die Konkurrenz mittlerweile sehr groß ist, halten ihn viele in seinem Heimatland für den Besten seiner Garde aus dem Land der Eidgenossen: Mark Streit, der schon 36-jährige Verteidiger der Philadelphia Flyers, hat schon erreicht, was lange undenkbar war.

Er durfte bei den New York Islanders die prestigeträchtige Position des Kapitäns einnehmen.

Doch zunächst ein kleiner Zeitsprung in die Vergangenheit. Streit wächst im Schosshaldequartier in Bern auf. Über das Inlinehockey und das Spielen im Winter auf dem zugefrorenen Egelsee kommt er zum Eishockey. Diesem Sport geht er bei den Junioren des SC Bern nach. Der erste Knackpunkt seiner frühen Karriere kommt, als das Management ihn für zu schmächtig und untalentiert hält, um in der ersten Mannschaft zu spielen. Er wechselt nach Gottéron.

Von seinen Eltern wird er nahezu jeden Tag zum Training mit einfacher Fahrzeit von einer halben Stunde nach Fribourg gefahren. Dort schafft er den Sprung in die erste Mannschaft, die in der höchsten Liga NLA spielt.

Nach seinem Wechsel zum HC Davos wagt er 1999 den Sprung nach Nordamerika, denn die NHL ist das große Ziel. 21 Jahre ist er zu diesem Zeitpunkt. Doch das Intermezzo wird für ihn zum Desaster. Er landet zunächst bei den Springfield Falcons in der AHL und wird schließlich zum Ende der Saison sogar in die drittklassige East Coast Hockey League zu den Tallahassee Tiger Sharks degradiert.

Enttäuscht, aber nicht entmutigt, kehrt er in die Schweiz zu den ZSC Lions zurück ohne sein großes Ziel NHL aufzugeben. Er weiß nun, dass er mehr tun muss, um in Übersee Fuß zu fassen und engagiert einen Privattrainer, der ihn schneller und kräftiger machen soll.

Durch sein nachhaltiges Training, seine soliden Auftritte in der Liga, aber insbesondere bei den Weltmeisterschaften und den Olympischen Spielen 2002 spielt er sich in die Notizbücher der Scouts.

B eim NHL Draft 2004 passiert dann etwas Ungewöhnliches:
Im Alter von immerhin schon 26 Jahren ziehen die Montreal Canadiens die Transferrechte an ihm, in der neunten Runde an insgesamt 262. Stelle und nehmen ihn im Sommer 2005 unter Vertrag.

Streit schafft es in den Kader der Traditionsmannschaft, ist aber zunächst nur Ergänzungsspieler.

Doch er lässt sich nicht unterkriegen und wird in seinem zweiten Jahr zum Stammspieler. In 76 Spielen sammelt er immerhin 36 Punkte. Ein Wert, den er das Jahr darauf mit 62 Punkten in 81 Partien noch toppt. Eine Bilanz, die bis heute seine Bestleistung darstellt.

Mit den Canadiens kann er sich 2008 nicht auf einen neuen Vertrag einigen und schließt sich den New York Islanders an. Mit seinem neuen Gehalt von jährlich ca. vier Millionen US-Dollar hat es der Verteidiger geschafft.

Der akribische Arbeiter wird schließlich im Jahr 2012 sogar zum Kapitän der Mannschaft bestimmt, eine Ehre, die nicht vielen Europäern gewährt wird und schon gar nicht einem Mitteleuropäer, sondern in der Regel nur Skandinaviern oder ganz selten Osteuropäern.

Mit seinem Wechsel nach Philadelphia im Sommer 2013 ist er dieses privilegierte Amt wieder los. Doch ihn locken ein neuer Vier-Jahres-Vertrag mit einem durchschnittlichen Verdienst von jährlich 5,25 Millionen US- Dollar und die Perspektive mit den Flyers die größere Chance zu haben, sein großes Ziel zu erreichen, nämlich wenigstens einmal den Stanley Cup zu gewinnen.

Noch nie wurde diese Ehre einem Schweizer Feldspieler zuteil. Nur seine Landsmänner David Aebischer 2001 mit der Colorado Avalanche und Martin Gerber 2006 mit den Carolina Hurricanes konnten den größten Triumph eines Eishockeyspielers als Ersatztorhüter bisher feiern.
Zu gönnen wäre es dem sympathischen Streit, denn der Ruhm und sein Reichtum scheinen ihn kaum verändert zu haben. Geduldig beantwortet er die Fragen der Journalisten, drückt sich nicht davor, den Fans Autogramme zu schreiben und ist sehr engagiert im wohltätigen Bereich ohne großes Aufsehen daraus zu machen.

Während viele ausländische Kollegen nach der Karriere in USA oder Kanada bleiben, um dort zu leben, dürfte für ihn klar sein, dass er in die Schweiz zurückkehrt, so bald seine aktive Laufbahn zu Ende ist.

Zu sehr liebt er seine Heimat. „In Bernd kann ich fünf Minuten von meiner Wohnung in die saubere Aare hüpfen. Das ist hier undenkbar“, hat er mal in einem Interview mit der Aargauer Zeitung auf die Frage, was er in den USA vermisst, erzählt.

„Mir fehlt aber auch die Vielseitigkeit unseres Landes: Die verschiedenen Sprachen, die kulinarische Vielfalt. Wenn man so aufwachsen darf, ist man sehr privilegiert. Die Lebensqualität in der Schweiz sucht auf der ganzen Welt ihresgleichen. Wir realisieren gar nicht, dass wir im Paradies aufwachsen.“

Ins Paradies kann Streit frühestens 2017 auf Dauer zurückkehren. Egal, ob er dann den Stanley Cup gewonnen hat oder nicht.

Dem Schweizer Eishockey und einigen seiner Nachfolger wie Raphael Diaz, Yannick Weber, Roman Josi, Luca Sbisa und Damien Brunner hat er den Weg bereitet, in der NHL Fuß zu fassen und weitere werden in den kommenden Jahren folgen.

Damit dürfte er sich bereits jetzt unsterblich gemacht haben. Nicht schlecht für jemanden, der mit 21 Jahren in Nordamerika scheiterte, dafür mit 27 Jahren umso stärker zurückkam.

Dieser Artikel erscheint auch auf NHL.com/de

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