Torhüter-Ablösung in Anaheim?

Bruce Boudreau, der Trainer der Anaheim Ducks, ist bekannt für seine unorthodoxen Entscheidungen gerade auf der Torhüterposition zu experimentieren und das auch in wichtigen, entscheidenden Partien. In den Playoffs 2009 schenkte er als Coach der Washington Capitals im zweiten Spiel im Eastern Conference Viertelfinale gegen die New York Rangers dem damals 20-jährigen Semyon Varlamov, heute für die Colorado Avalanche aktiv, überraschend das Vertrauen vor dem routinierten Jose Theodore.

Durch den Einsatz des ebenfalls 20 Lenze zählenden John Gibson, der erst für den in Spiel 3 verletzten Frederik Andersen in den Kader aufrutschte und nur drei Tage zuvor gut 5.000 Kilometer entfernt von L.A. in Neufundland mit den Norfork Admirals in den AHL Playoffs verlor, verdichten sich die Anzeichen, dass sich die Ära vom Schweizer Schlussmann Jonas Hiller in Anaheim dem Ende neigt. Dessen Vertrag läuft zum Saisonende aus und wenn der Trainer einem in solchen wichtigen Spielen nicht mehr das Vertrauen schenkt, dann sind die Anzeichen sehr deutlich zu vernehmen.

Bereits zu Beginn der Saison und letzte Spielzeit, dort aber ebenso bedingt durch Verletzungen, musste sich Hiller immer wieder der Konkurrenz von Andersen und Viktor Fasth erwehren und wurde von der Nummer 1 häufiger zum Ersatzmann. Glaubte man seinen Aussagen zu dieser Zeit, so betonte er immer wieder, dass er sich nach wie vor als Stammkraft sähe, nur den glücklichen Umstand hätte, durch gute Ersatzleute mehr Pausen zu erhalten und frisch zu bleiben.
Als Fasth im März dieses Jahres nach Edmonton transferiert wurde, Hiller wieder mehr Einsätze und dabei gute, überzeugende Auftritte zu verzeichnen hatte, schien sich alles zum Positiven für den 32-jährigen Eidgenossen zu wenden. Sein Ziel war nämlich laut eigenen Aussagen klar. Er wolle sich wegen der offenen Vertragssituation nicht unter Druck setzen, aber er würde sehr gerne in Anaheim bleiben, verkündete er deutlich Richtung Management.

Doch diese Rufe scheinen nun mehr und mehr zu verhallen. Bereits in der ersten Runde der Playoffs gegen die Dallas Stars vertraute Boudreau auf Andersen statt auf die Dienste seiner langjährigen Stammkraft zurückzugreifen. Erst als der Däne ein paar Schwächen zeigte, wechselte er Hiller in Spiel 4 und 6 ein, wo dieser gerade in letzterem mit 12 Saves zu einem der Matchwinner avancierte.

Dieser Auftritt verschaffte ihm immerhin den Startplatz in der zweiten Runde gegen die Los Angeles Kings. Allerdings gingen beide Auftritte zu Hause im Honda Center verloren und Boudreau sah sich genötigt in Spiel 3 zu reagieren und stellte erneut Andersen auf. Erst als sich dieser verletzte, durfte im letzten Drittel wieder Hiller ran, wo er schließlich den Sieg mit sieben Saves sicherte. Obwohl dem Schweizer in seinen Auftritten kaum ein Vorwurf gemacht werden kann, so wirkt er nicht mehr so souverän, wie er es einst war. Unglückliche Aktionen, in denen der Puck vom Pfosten an seinen Körper springt und ins Tor, wechseln sich mit guten Paraden ab.

Natürlich stärkt der Trainer mit seinen Spielchen Hiller nicht gerade den Rücken. Im Gegenteil: Zwar sicher als Scherz gemeint, aber in den Ohren von ihm muss die Aussage von Boudreau mit dem Verweis auf seinen weiteren Rookie-Torhüter auf die Frage, wer Spiel 5 im Tor auflaufen wird, wie Hohn geklungen haben: „Wir haben ja noch Bobkov, den wir noch nicht eingesetzt haben.“

Zumindest zwei Tage bis zum nächsten richtungsweisenden Duell in der Stadtmeisterschaft von Los Angeles kann sich Boudreau darin sonnen, alles richtig gemacht zu haben. Gibson wurde mit 28 Saves und einem Shutout in seinem erst vierten NHL- und ersten Playoff-Spiel überhaupt zu einem Garanten des Erfolges im vierten Aufeinandertreffen. Er wurde zum ersten Torhüter in 85 Jahren, dem das Kunststück gelang, sowohl in seinem ersten NHL-Spiel, als auch im ersten Playoff-Auftritt zu Null zu spielen. Tiny Thompson war der letzte 1928-29, der mit den Boston Bruins dies erreichte.

„Die Jungs haben sehr viel Vertrauen in ihn“, sagte Andrew Cogliano nach der Partie. „Ich habe noch nie einen Torhüter wie ihn gesehen, wirklich. Er ist wirklich ruhig. Vor dem Spiel sah es so aus, dass er bereit sein würde für ein Vorbereitungsspiel. Du bist etwas beunruhigt, wenn du ihm zuschaust, wie er sich vorbereitet. Und dann geht er raus und spielt so.“

Gibson, der letztes Jahr für die USA bei der Weltmeisterschaft auflief, glaubt, dass ihm diese internationale Erfahrung half. „Ich bin sicher, dass es etwas geholfen hat“, sagte er. „Aber genauso gibt es nichts, das mit NHL Playoff Eishockey zu vergleichen wäre. Es war mein erstes Spiel, also wusste ich nicht genau, was mich erwartet. Die Mannschaft hat vor mir gut gearbeitet und hat mir so sehr viel ausgeholfen.“

In der Tat blockten die Ducks Feldspieler sehr viele Schüsse, nämlich 25 an der Zahl und 18 weitere verfehlten das Ziel. Zusätzlich wehrte Kapitän und Center Ryan Getzlaf eine todsicherte Chance von Kings Verteidiger Drew Doughty für seinen geschlagenen Schlussmann kurz vor der Linie ab.

Dies alles soll die Leistung von Gibson nicht schmälern, der mehrmals herausragend agierte. Deswegen ist davon auszugehen, dass er erneut am Montag auflaufen wird, außer Boudreau überrascht wieder alle.

Mit Luca Sbisa ist übrigens ein weiterer Schweizer derzeit Opfer des Systems vom Trainer. In den Playoffs kam er erst zwei Mal zum Einsatz und muss ansonsten die meiste Zeit von der Tribüne aus zusehen, obwohl er lange Zeit, abgesehen von seinen langwierigen Verletzungen, zu den Leistungsträgern bei den Ducks zählte. Wie sagte der sympathische Verteidiger noch im März im Interview: „Wir haben eine sehr große Leistungsdichte im Kader.“ Was als positiver Aspekt für das Unternehmen Stanley Cup Gewinn gemeint war, wird ihm nun zum Verhängnis.

Dieser Artikel erscheint auch auf NHL.com/de

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