Michael Raffls Märchen

Wie ein Märchen aus 1000 und 1 Nacht so könnte man die Karriere von Michael Raffl in den letzten 15 Monaten bezeichnen. Von der 2. Schwedischen Liga direkt in die NHL und vor kurzem die Olympiateilnahme mit Österreich in Sotschi. Besser geht es kaum.

„Ich hätte nicht wirklich daran geglaubt, wenn mir das einer damals erzählt hätte“, sagt Raffl in einem heutigen Telefoninterview. „Es ist schon Wahnsinn, was passiert ist, aber ich genieße es und muss auf der anderen Seite täglich um diese Chance kämpfen.“

Hinzu kam, dass der 25-jährige Stürmer bei seinem Debut für die Philadelphia Flyers, die ihn vor der Saison ungedraftet unter Vertrag nahmen, gleich in der ersten Reihe neben Vincent Lecavalier und Claude Giroux auflaufen durfte, weil er nach Meinung des Trainers Craig Berube gut zu den beiden Stars passen würde.

„Das war natürlich unglaublich, so eine Chance zu bekommen“, erzählt Raffl rückblickend. „Wenn du mit solchen Spieler zusammenspielen darfst, dann wirst du automatisch besser.“ Trotzdem benötigte der Villacher eine gewisse Anlaufzeit und sein erster Punkt gelang ihm im fünften Spiel mit einem Assists. Auf seinen ersten Treffer musste Raffl bis zum 18. Spiel am 9. Dezember 2013 gegen die Ottawa Senators warten.

Schwierig war in der Anfangszeit die Tatsache, dass es in der Mannschaft nicht lief und die Flyers weit hinter ihren Möglichkeiten blieben. Mittlerweile haben sie sich gefangen und sind auf Playoffkurs, allerdings ist die Angelegenheit sehr eng, denn derzeit springt lediglich der letzte Wildcard-Platz in der Eastern Conference mit zwei Punkten Vorsprung auf die Detroit Red Wings und die New Jersey Devils heraus.

„Die letzten 20 Spiele sind schon wie Playoffs für uns. Wir müssen um jeden Punkt kämpfen und es ist eine gewisse Anspannung in der Kabine und überall da“, betont Raffl. „Wir wollen es unbedingt in die Playoffs schaffen und dann ist alles möglich.“

Für ihn persönlich sieht die Situation noch ein wenig anders aus. Seine Bilanz mit acht Toren und 12 Vorlagen in 52 Spielen ist für einen Rookie wie ihn keine schlechte Ausbeute, trotzdem steht Raffl unter einem besonderen Druck. „Es ist schwer, vor allem mental sehr schwer, wenn du weißt, dass du jeden Tag runtergeschickt werden könntest“, sagt er. „Die Aufgabe ist nicht einfach, weil du nie weißt, was im Hintergrund abläuft. Aber es ist auch eine Erfahrung, die ich nicht missen möchte.“

Die Situation, dass er meist der einzige Spieler im Kader mit einem Zwei-Wege-Vertrag ist, wiegt hier natürlich schwer. Außerdem läuft sein Vertrag nur bis zum 30. Juni 2014. Diese Tatsachen haben ihm zur Trading Deadline einen Moment des Schreckens beschert, worüber er heute lachen kann. „Es war nicht gerade lustig, als an dem Tag mein Telefon ging und die Nummer vom GM aufleuchtete“, schildert Raffl den entscheidenden Augenblick. „Es löste sich zum Glück aber schnell auf, weil es darum ging, dass wir einen Trade gemacht hatten und deswegen zu viele Spieler im Kader hatten. Der GM wollte mir nur mitteilen, dass sie mich in die AHL schicken und am nächsten Tag wieder raufholen.“

Der Linksaußen, der bei den Flyers mit der Nummer 12 aufläuft, ist ausgenommen dieses kleinen taktischen Manövers ein fester Bestandteil des Kaders. Raffl weiß aber genau, dass er sich trotzdem jeden Tag beweisen muss und nicht ausruhen kann: „Es gibt so viele Spieler im Hintergrund, die deinen Posten einnehmen können und wollen, da heißt es einfach Vollgas zu geben.“

Alles aus sich heraus zu holen, darauf wird es am Wochenende ebenfalls wieder ankommen, wenn es am Samstag und am Sonntag zwei Mal gegen den großen Rivalen aus dem Bundesstaat Pennsylvania die Pittsburgh Penguins geht. „Man merkt jetzt schon in der Kabine, dass das etwas ganz besonderes ist und eine große Rivalität da ist“, gibt Raffl zu Protokoll und lässt anklingen, dass es um mehr als vier Punkte, auch für die Fans, geht.

Wenn es nach ihm geht, dann würde er noch häufiger gegen Pittsburgh spielen wollen und hofft, dass sein Märchen noch länger andauern wird. Gespräche über eine Vertragsverlängerung gab es noch nicht, aber das wiederum sieht er sehr relaxed: „Ich mache mir da keine Sorgen und denke, dass sich das erst nach der Saison regeln wird. Also heißt es abwarten.“

Dieser Artikel erscheint auch auf NHL.com/de

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