Die vier besten Teams

Russland ist aus dem Turnier und es kommt zu zwei Nachbarschaftsduelle im olympischen Halbfinale.

Die vier stärksten Mannschaften der Vorrunde haben sich in den Viertelfinals durchgesetzt und stehen nun im Halbfinale des Olympischen Eishockeyturniers. Hierin kommt es zu zwei Nachbarschaftsduellen, einem skandinavischen zwischen Weltmeister Schweden und Finnland sowie zu einem nordamerikanischen zwischen Team USA und Team Canada.

Für Gastgeber Russland hatte sich dieses Turnier mit dem Ausscheiden gegen die Finnen zu einem Albtraum entwickelt. Ein böser Traum, der mit der Vorrundenniederlage nach Penaltyschießen gegen die USA begonnen hatte, aus dem sie nicht mehr herauskamen. Sicherlich werden nun wieder die Stimmen laut, die einzelne Spieler herausgreifen und ihnen vorwerfen, dass sie nicht alles gegeben hätten. Sei es, weil sie nicht mit dem Druck umgehen konnten oder ihnen der Gewinn einer olympischen Goldmedaille angeblich keine Herzensangelegenheit gewesen sei. Russlands Sportminister Vjacheslav Fetisov hatte während des Turniers im Scherz verlautet, dass seine Eishockeyspieler, sollten sie nicht gewinnen nach Sibirien müssten, um dort nach Gold zu graben. Über den Geschmack solcher Aussagen lässt sich bekanntlich streiten.

Muss man, für solch eine Pleite, wie sie der Sbornaja widerfahren ist, als erstes einzelne Spieler an den Pranger stellen? Mitnichten, Eishockey ist eben eine Mannschaftssportart. Die Aufgabe des Cheftrainers ist es aus Individualisten ein Team zusammenzustellen das funktioniert. Bewegungsabläufe und Passwege müssen blind vonstatten gehen. Aufgabe des Trainers ist es auch, während einer Partie auf den Spielverlauf variabel zu reagieren. In dieser Hinsicht hat Russlands Headcoach Zinetula Bilyaletdinov versagt.

Es ist auch nicht die feinste Art eines Trainers sich nach dem Ausscheiden vor die Presse zu stellen und sich zu fragen, warum Alexander Ovechkin, der unbestritten beste Torjäger, den es momentan im Eishockey gibt, in fünf Partien nur einmal getroffen hat. Hätte er nicht wissen müssen, dass Ovechkin und Malkin zusammen in einer Reihe nicht so gut agieren? Schon vor vier Jahren bei den Olympischen Spielen in Vancouver war das zu erkennen. Bilyaletdinov hat gestern nicht eingegriffen, selbst nach dem 1-3 Rückstand nicht. Er beließ seine Reihen in der gleichen Zusammensetzung. Sein Zeichen den Torhüter zu tauschen, war doch eher eine Alibiaktion, wenngleich Semyon Varlamov nicht gerade seinen besten Tag erwischt hatte.

Für die Finnen war es somit insgesamt ein Leichtes das russische Spiel, besser gesagt die Einzelaktionen der russischen Protagonisten, auszurechnen. Sie können nicht davon ausgehen, dass es ihnen ihre Nachbarn aus Schweden im Halbfinale ebenso leicht machen werden. Die Tre Kronor sind die einzige Mannschaft, die bei diesem Turnier in Sotschi noch keinen Punktverlust hinnehmen musste. Vier Spiele, vier Siege in der regulären Spielzeit und das Ganze wurde erreicht mit einem Torverhältnis von 15-5. Die Schweden erwiesen sich bisher, ebenso wie ihre Nachbarn und jetzigen Gegner, als ein durch und durch homogenes Team, gespickt mit Einzelspielern, die besonders hervorstachen. Allen voran Ottawas Verteidiger Erik Karlsson, der an sieben der schwedischen Treffer beteiligt gewesen war, ist da zu nennen. Nicht von ungefähr führt das Team von Par Marts mit einer Effizienzquote von über 35 Prozent die Powerplaystatistik an. Ihre punktbesten Stürmer waren NHL-Veteran Daniel Alfredsson und Daniel Sedin mit jeweils vier Scorerpunkte. Doch auch an dieser Stelle ist die Ausgeglichenheit im Kader Trumpf. Nur zwei schwedische Angreifer, Gustav Nyquist und Marcus Kruger, haben bisher noch keinen Zähler auf ihrem Punktekonto.

Ein Erfolgsrezept der Finnen ist, neben ihrem herausragenden Schlussmann Tuukka Rask, dass sie versuchen müssen der Strafbank fern zu bleiben. Das Unterzahlspiel ist nicht ihr Ding. Im bisherigen Turnierverlauf waren sie mit durchschnittlich nur 4,3 Strafminuten pro Spiel waren zwar das fairste Team aller zwölf Teilnehmerstaaten, mussten aber dennoch drei Gegentreffer bei Unterzahl einstecken. Zwölf verschiedene Spieler konnten sich bei den Finnen als Torschützen auszeichnen, ihr Bester war Mikael Granlund mit drei Treffern.

Für die leicht favorisierten Schweden wird dieses Aufeinandertreffen, die erste große Turnierherausforderung sein, im Gegensatz zur Mannschaft von Erkka Westerlund, die es schon mit den Kanadiern und den Russen zu tun bekommen hatte und hierbei nicht enttäuschte.

Am geschlossensten und am spielerisch beeindruckendsten trat bisher das US-Team auf. In jeder ihrer bisherigen vier Partien gaben sie von Beginn an alles und waren hochkonzentriert. Auch taktisch wurden sie von Headcoach Dan Bylsma nahezu perfekt eingestellt. Sie ließen, wenn es nötig war auch einmal den Gegner kommen, waren aber auch in diesen Phasen stets torgefährlich. Beeindrucken konnten sie durch ihre blitzschnellen Konter und durch ihre außergewöhnliche Effektivität im Abschluss. Jeder achte Schuss der US-Amerikaner landete im gegnerischen Netz. Torontos Stürmer Phil Kessel führt mit fünf Treffern und drei Assists sowohl die Torjägerliste, wie auch die Scorerwertung des Turniers an. Mit Ausnahme von Verteidiger Paul Martin konnte jeder ihrer Spieler, die regelmäßig zum Einsatz kamen, punkten.

Anders als wie vor vier Jahren im Endspiel in Vancouver gelten die Kanadier bei diesem Aufeinandertreffen keineswegs als Favoriten. Im Mutterland des Eishockeys wird selbstverständlich erwartet, dass ihre Eishockeycracks mit der Goldmedaille nach Hause kommen. Den Beweis, dass sie diese Erwartungen auch erfüllen können, sind sie im Turnierverlauf aber noch schuldig geblieben. Immerhin ihre Abwehr, vor den beiden eingesetzten Torhütern Roberto Luongo und Carey Price, stand sattelfest. In den vier Partien gegen Norwegen, Österreich, Finnland und Lettland ließen sie nur drei Gegentore zu. Rechnet man das Vorrundenspiel gegen Team Austria, das mit 6-0 gewonnen wurde, heraus, dann gelangen den Kanadiern nur sieben Tore und das obwohl sie 122 Mal auf das gegnerische Gehäuse geschossen hatten. Ausgerechnet zwei Verteidiger, Drew Doughty und Shea Weber, sind ihre besten Scorer. Dabei mangelt es ihnen wahrlich nicht an Potenzial im Angriff. Sidney Crosby, Corey Perry, Rick Nash, Jonathan Toews, diese Namen sind nur exemplarisch für die Liste der Topstürmer im kanadische Kader, die bisher noch nicht als Torschützen in Erscheinung getreten sind.

Auch die morgigen Aufeinandertreffen beginnen bei null, die Spielausgänge angesichts der Leistungsdichte aller vier Teams sind nicht vorherzusehen, aber die Wahrscheinlichkeit ist sehr hoch, dass es auch morgen in Sotschi wieder Eishockey vom Feinsten zu bestaunen gibt.

Dieser Artikel erscheint auch auf NHL.com/de

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