Von den Flügeln zu den Hörnern

Im September wünschte Adrian seinem Bruder Damien Brunner viel Glück: Keine drei Monate später wird deutlich, dass Glück allein nicht reicht. Die Pressestimmen für den oft lächelnden Schweizer sind in den USA und seiner Heimat kritisch geworden. Der Samichlaus brachte dieses Jahr ein teuflisches Geschenk: Die Zeit, sich zu beweisen und es Allen zu zeigen, dass er Spaß am Eishockeyspielen hat und gewinnen wird.

Rückblick – Wechsel in die NHL

Damien Brunners NHL-Karriere startete spät mit 26 Jahren. Nach vielen erfolgreichen Spielzeiten in der obersten Eishockeyliga der Schweiz, folgte der große Schritt in die beste Eishockeyliga der Welt. Die Voraussetzungen waren gut: Brunner spielte während des Spielerstreiks zu Beginn der NHL-Spielzeit 2012-13, um sich mit Henrik Zetterberg, Kapitän der Detroit Red Wings, beim Schweizer EV Zug einzuspielen. Die Rechnung schien aufzugehen, Brunner traf in seinen ersten 44 NHL-Spielen regelmäßig (12 Tore, 14 Vorlagen). Hinzu kam dieser wunderbare Siegtreffer im Penaltyschießen – die Welt des Damien Brunner glänzte.

Ein Fragezeichen hat er in Detroit dennoch hinterlassen: Nach dem sehr guten Start mit zehn Toren in 19 Spielen folgte ein tiefes Loch mit 15 Spielen ohne Torerfolg und lediglich zwei Toren aus den letzten 25 Spielen der regulären Saison. Eine für ihn neue Situation, auf die er eine Antwort kannte: In den Stanley-Cup-Playoffs bekam Brunner neuen Auftrieb und wurde erfolgreichster Torjäger für die Red Wings (5 Tore, 4 Vorlagen in 14 Spielen).

Neue Ufer – Vertrag mit New Jersey

Das Spielsystem und die Mitspieler in Detroit passten zu Brunner: Offensiver Puckbesitz und einige der besten Defensivstürmer der Liga. Warum der Wechsel nach New Jersey? Dort wird ein Spielsystem bevorzugt, welches mehr Reibung erzeugt, körperlicher angelegt ist und starr-disziplinierte Rollen an die aufgestellten Spieler vergibt. Brunner selbst kommentiert die Faktoren, die zum Wechsel führten, nicht: „Das ist Vergangenheit.“. Seitdem sprechen beide Seiten gut voneinander: Mike Babcock, einer der erfahrensten NHL-Trainer und Coach von Team Canada bei den kommenden Winterspielen 2014 in Sotchi, mag Brunner und hält ihn für einen schnellen und torgefährlichen Spielertyp; Brunner selbst spricht positiv von der Zeit bei den Red Wings und dem Kontakt zu seinen damaligen Mitspielern.

Es bleibt nur, zu spekulieren, worin die gescheiterten Vertragsverhandlungen mit den Detroit Red Wings begründet liegen. Das Angebot der Detroit Red Wings über fünf Millionen US-Dollar für zwei Jahre lehnte Brunner offenbar ab, um dann über den freien Markt zu gleichen Konditionen in New Jersey anzuheuern. Hat er sich verspekuliert und auf einen langfristigeren, besser dotierten Vertrag gehofft?

Im Sommer verpflichtete Detroit mit Daniel Alfredsson einen weiteren Schweden-Star und mit Stephen Weiss einen vielseitigen Offensivspieler. Hinzu kamen mit Thomas Tatar und Gustav Nyquist zwei talentierte Stürmer aus dem eigenen Nachwuchs. Die gestandenen Offensivspieler um Todd Bertuzzi, Darren Helm oder Justin Abdelkader verdienen im Bereich von zwei Millionen US-Dollar pro Saison. Diese Situation gestaltete sich nicht ideal für Brunner, um auf der einen Seite mehr Gehalt zu fordern oder trotz seiner überschaubaren NHL-Erfahrung einen langfristigeren Vertrag zu erhalten.

Die Rahmenbedingungen bei den New Jersey Devils waren völlig andere. Das Team verpasste gerade die Playoffs und erzielte die zweitwenigsten Tore der gesamten Liga. Mit dem unerwarteten Abgang von Kapitän Ilya Kovalchuk lag das Team im Offensivbereich brach. Das Führungsloch wurde mit Altstar Jaromir Jagr gefüllt. Als Torjäger wurde Michael Ryder geholt. Dazu konnte der Vertrag mit Franchise-Spieler Patrik Elias verlängert werden. Trotzdem spürte Lou Lamoriello, der Präsident, Geschäftsführer und seit mehr als zwei Jahrzehnten das Gesicht der Devils ist, dass es eines zusätzlichen, offensiver ausgerichteten Stürmers bedarf, um nach 2003 erneut die Chancen auf einen Titelgewinn zu wahren. Für Damien Brunner ergab sich die Möglichkeit, eine wichtigere Rolle mit mehr offensiver Verantwortung zu erhalten. Er nutzte diese und akzeptierte das ihm bereits in Detroit angebotene Gehalt bei gleicher Vertragslaufzeit.

Zwischenfazit – Konsequenzen der NHL-Realität

Der Start in New Jersey gelang Damien Brunner. Der Schweizer erzielte drei Tore in den ersten drei Spielen für sein neues Team. Dann folgte der wohl längste Einbruch seiner Karriere, mit nur einem Tor aus mehr als 20 Spielen allein im Oktober und November. Während der ersten 30 Spiele saß er zudem vier Mal gesund auf der Bank. „Die Lektion für Brunner ist, dass er mehr tun muss, um aufgestellt zu werden.“, fasste sein Trainer Pete DeBroer mit einfachen Worten zusammen. Als Trainer muss er diese Fakten anerkennen: „Wenn ein Torjäger trifft, kann man über andere, weniger starke Bereiche in seinem Spiel hinwegsehen. Wenn er nicht trifft, werden diese Schwachstellen stärker betont.“.

Diese torlose Zeit nährt die Meinung im Umfeld der Devils, dass Brunner zu wenig für die Defensivarbeit leistet und mehr Zug zum Tor benötige. Eine Sichtweise, die häufig für Spieler zu Grunde gelegt wird, deren Nutzen für ein NHL-Team noch nicht nachgewiesen ist und zu spürbaren Konsequenzen im Alltag eines Eishockeyspielers führt.

Ausblick – Rolle in der NHL

Nun stehen Damien Brunner viele Wochen und Monate harter Arbeit bevor. Er ist gewillt diesen Kampf anzugehen und zu gewinnen. Brunner wird aus der aktuellen Situation gestärkt hervorgehen und einen Weg finden müssen, Tore zu erzielen. „Es steht nicht in Frage, ob ich in die NHL gehöre oder nicht. Ich muss mich an ein neues Spielsystems gewöhnen und meinen Platz finden“. Diese Aufgabe ist eine der schwersten Aufgaben für Eishockey-Stürmer überhaupt und nur die wenigsten Spieler wissen, wie dieser Weg aussieht. Seine Rolle ist die eines schnellen und torgefährlichen Stürmers der ersten zwei Angriffsreihen, meint auch sein Trainer: „Er ist einer der Spieler, die Torchancen und Schüsse für uns kreieren müssen“.

Um den engen Platz zwischen den Starspielern, ausgestattet mit Langzeitverträgen und viel Eiszeit, und den Nachwuchstalenten, die Jahr für Jahr um jede Minute auf dem Eis kämpfen, zu rechtfertigen, sind dauerhaft 20 oder mehr Tore pro Spielzeit notwendig. Hinzu kommen, je nach Zusammensetzung der Spielreihen, defensive Aufgaben. Diese Aufgaben besser zu erfüllen, ist wichtig, um torlose Phasen mit anderen Beiträgen zum Teamerfolg auszugleichen, ohne den eigenen Spielstil aufzugeben.

Der nächste Schritt zum gestandenen NHL-Torjäger steht an: Es ist Zeit, die roten Flügel der Starspieler-Welt abzulegen und die roten Hörner der NHL-Realität anzunehmen. Damien Brunner bringt die Fähigkeiten und Intelligenz mit, den nächsten Schritt zu gehen. Mit zwei Treffern in der letzten Nacht hat er einen Grundstein gelegt. Weiter so! (Gerulf Ketz)

Dieser Artikel erscheint auch auf NHL.com/de

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