Vancouver wartet auf die Wende

Die Canucks haben fünf Playoffpartien zuhause in Folge verloren und man wird langsam ungeduldig.

Playoffs im Frühjahr, das ist die Zeit, die bei jedem Eishockeyfan den Puls höher schlägen lässt, die Zeit in der die Teams von ihren Anhängern von der ersten Spielminute an frenetisch unterstützt und zu einem Heimsieg getrieben werden. Das ist die Zeit von Emotionen auf dem Eis, die Zeit in der jeder Spieler auch in aussichtslosen Situationen sein Bestes gibt um sich den Traum von einem Stanley Cup Sieg zu erfüllen. Auch wenn das Playoffaus naht, bis zum letzten Tor in der letzten Partie bleibt die Hoffnung auf eine Spielwende, auf ein Wunder erhalten.

Die diesjährigen Playoffs sind gerade einmal drei Tage alt und in der westkanadischen Metropole Vancouver macht sich schon so etwas Ähnliches wie Frust unter den Fans der Canucks breit. Wie das? Was ist geschehen? Die Canucks haben ihre erste Conference Viertelfinalpartie gegen die San Jose Sharks mit 1-3 verloren. In einer best-of-seven Serie ist das eigentlich noch lange kein Beinbruch. Doch die Art und Weise wie sich das Team von Headcoach Alain Vigneault in ihrem Auftaktmatch präsentiert hat, lässt Erinnerungen wach werden an das letzte Jahr, als die Westkanadier als punktbestes Team der Liga in die Playoffs gestartet waren und dann sang- und klanglos in der ersten Playoffrunde gegen den späteren Stanley Cup Champion aus Los Angeles mit 1-4 Siegen den Kürzeren gezogen hatten.

Schauen wir noch ein weiteres Jahr zurück. Juni 2011: Die Canucks hatten die Riesenchance in einem alles entscheidenden siebtem Spiel auf heimischen Eis die begehrte Eishockeytrophäe zu gewinnen, unterstützt von knapp 19.000 euphorischen Fans in der Rogers Arena. Die gesamte Stadt Vancouver befand sich vor der Partie in einer Art freudigem Ausnahmezustand. Zehntausende vor den Leinwänden auf den Plätzen waren bereit den ganz großen Sieg zu bejubeln und der Freude über den ersten Stanley Cup Gewinn ihrer Canucks Luft zu verschaffen.

Das, was dann von der Mannschaft während der 60 Minuten gegen die Boston Bruins geboten wurde, war Blamabel. Man kann einem Gegner spielerisch unterlegen sein und die Bruins waren damals auch eindeutig das bessere Team, doch man kann sich nicht seinem sportlichen Schicksal vor eigener Kulisse so ergeben – ohne Biss und ohne Mumm.

Seit dieser Partie von vor fast zwei Jahren haben die Canucks kein Playoffheimspiel mehr gewonnen. Es folgten drei Heimpleiten gegen Los Angeles und am vergangenen Mittwoch eine gegen die Sharks. Das macht summa summarum fünf Playoffheimniederlagen in Folge, als ein Team das in der regulären Saison immer von seiner Heimstärke profitiert hat. Ebenso wie es aus seiner Torgefährlichkeit Nutzen ziehen konnte, wenngleich sie von dieser schon während der Saison 2013 im Vergleich zu den regulären Spielzeiten der Jahre zuvor eingebüßt haben.

Nur in zwei ihrer letzten 13 Playoffpartien haben die Canucks mehr als zwei Tore pro Spiel erzielen können. Das ist einfach zu wenig für einen Kader, der im Sturm mit Alexandre Burrows, Ryan Kesler, Mason Raymond, und nicht zuletzt mit den schwedischen Zwillingen Daniel und Henrik Sedin durchaus gut besetzt ist. Den einzigen Treffer gegen die Sharks schossen diese sich selbst ins eigene Tor.

Es sind also von Jahr zu Jahr die gleichen Protagonisten der Canucks, die in den Playoffs nicht im Stande sind ihr gesamtes Leistungsvermögen abzurufen. Hoffnung setzten die Anhänger der Canucks auf die Neuverpflichtung von Derek Roy zur Wechselfrist und dass ihr Team mit Cory Schneider eine neue Nummer 1 gefunden hat. Schneider laboriert noch an einer Verletzung und so stand gegen San Jose wieder Roberto Luongo im Kasten. Er agierte weitgehend fehlerfrei, hatte einige tolle Paraden in petto, blieb aber eben auch glücklos als Torwart des unterlegenen Teams.

Selbst die Aussagen ihres Teamkapitäns nach der Heimpleite lassen Erinnerungen wach werden an vergangene Zeiten.

„Wir haben nicht schlecht gespielt, doch wir müssen uns in allen Bereichen um ein paar Prozent steigern und unsere Topreihe sogar noch ein ganzes Stück mehr“,

zeigte sich Henrik Sedin einigermaßen selbstkritisch und fügte hinzu:

„Es ist wichtig, dass wir mehr Druck in der gegnerischen Zone aufbauen.“

Trainer Vigneault sah u.a. als einen Grund für die Niederlage das fehlerhafte Unterzahlspiel:

„Im Penalty Killing müssen wir besser werden und auch deutlich mehr Bullys gewinnen.“

Den Fans fehlt mittlerweile der Glaube, dass diesen Worten auch Taten auf dem Eis folgen werden. Sie lassen sich aber gerne positiv überraschen, am Liebsten schon Freitagnacht beim zweiten Aufeinandertreffen mit den Nordkaliforniern.

Dieser Artikel erscheint auch auf NHL.com/de

8 Gedanken zu „Vancouver wartet auf die Wende

  1. Die Geschichte hinter der Geschichte

    Zwei Fragen vorneweg: warum hat seit nunmehr fast 20 Jahren kein kanadisches Eishockeyteam mehr den Stanley Cup gewonnen? Die Canucks verloren in dieser Zeit 2 Mal in sieben Spielen, ebenso die Flames und die Oilers, die Senators immerhin „brauchten“ nur 5 Spiele. Mit Statistik ist das nicht zu erklären, denn nach dieser hätte alle 5 Jahre ein Team aus Kanada gewinnen müssen (durch die Jets ist die Wahrscheinlichkeit sogar gestiegen).

    Warum haben sich die Dortmunder Borussen jahrelang, in der Zeit vor Klopp, schwer getan, zu Hause zu siegen?

    …es ist dieser unglaublich hohe Druck unter dem die kanadischen Franchises, insbesondere deren Spieler, in solchen Playoff-Situationen stehen.

    In der Multikulti-Stadt Vancouver, wo es vieles Andere gibt außer Eishockey, spielten sich 2011 ähnliche Szenen ab, wie (seit) 2006 auf den Fussball-Fanmeilen in Deutschland – dagegen sind die Bilder von der „Cup Parade“ in LA (auf NHL.com/Gallery) vom letzten Jahr einfach nur lächerlich zu nennen.

    Außer dem enormen Druck in 2011 kam für die Canucks hinzu, dass, als die Serie vorentscheidend 2:0 nach den Heimspielen stand, die Bruins in ihrer Verzweiflung (das war ihre einzige Chance, denn Vancouver war in der regulären Saison in fast allen Statistiken ganz oben: Powerplay, Penalty Killing, Faceoffs, bester Scorer, bester Defensivstürmer, bestes Torwartgespann usw.) brutale Gewalt auspackten und die von den Refs nicht unterbunden wurde.

    Von diesem Trauma haben sich die Canucks seit jeher nicht erholt. Spieler, wie Kesler oder Raymond, die 2011 Karriere-Jahre hatten, suchen ihre Form (und Gesundheit), das Canucks-Management draftet seitdem nur noch Spieler über 1,90m.

    Dieses Jahr zeigt ganz klar auf, dass eine „Team-Generation“ in Zeiten des Salary Caps meist nur einmal die Chance hat auf den Cup, es muss halt alles passen: die Sedins werden dieses Jahr schon 33…und pünktlich zu den Playoffs ist (einer der momentan 5 besten Goalies der Liga) Corey Schneider natürlich außer Gefecht, so dass der mittlerweile ungeliebte Luongo die Kastanien aus dem Feuer holen muss….

    1. Hallo Helmer,

      Danke für Deine Analyse, der ich in weiten Teilen zustimmen muss. Die Stimmung damals in Vancouver war wirklich ganz ganz außergewöhnlich klasse. Widersprechen muss ich Dir nur in dem Punkt, dass die Bruins Gewalt ausgepackt haben. Nein, das sehe ich anders. Sie haben ein körperbetont starke, engagierte Finalserie abgeliefert und die ist zum Siegen einfach zwingend notwendig.

      Grüße
      Bernd

  2. Eine wirklich interessante Diskussion; wie ist denn nun nach dem 0-4 die Sache zu bewerten? Wird aus den Canucks überhaupt noch mal was…

  3. Hallo ElNino,

    ich tue mich unheimlich schwer damit, zu erklären, warum die Serie klar verloren ging. Auf die abschließenden Erklärungen von Trainer und Management, mit evtl. gezogenen Konsequenzen, muss noch einige Tage gewartet werden. Auch im Fan-Forum auf Canucks.com gibt es keine klare Richtung, die Analyse bei TSN und NHL.com war auch eher dürftig.

    Es gab zwar einen Sweep, aber immerhin gab es 2 OT-Niederlagen, die anderen beiden Spiele gewannen die Sharks vor allem durch ihr Powerplay, und das obwohl die Canucks in der Saison das 8.-beste Penalty Killing hatten.

    Wenn es überhaupt einen Grund gibt (habe leider auch keinen Einblick in die Kabine) und damit sind wir auch bei der Frage, wie es weiter geht, dann ist das wohl die Torhüter-Frage.

    Luongo war jahrelang das Aushängeschild der Franchise, sogar 2 Jahre Kapitän und ist seit 2009 Top-Verdiener mit einem dieser NHL-Monsterverträge (auch: Weber, Kovalchuk, Parise, Suter). Dieser Vertrag (Restlaufzeit 9 Jahre, Wert ca. 50 Mio.) wurde ihm gegeben, weil er 1. wirklich herausragend war (Status: kanadischer National-Goalie) und 2. drohte er, Free Agent zu werden, u.a. Toronto war stark interessiert und bereit zu investieren. Und es sprach ja auch nichts dagegen, dass er ähnlich lange dominiert, wie Brodeur, mittlerweile 41 Jahre alt, in New Jersey. „Leider“ aber hat sich Backup Cory Schneider so stark entwickelt, dass er seit 2 Jahren einfach besser, außerdem 6 Jahre jünger, ist als Luongo (33 Jahre), so dass sich Trainer und Management vor dieser Saison für Schneider als neuen Nummer 1-Goalie entschieden haben.

    Seit nunmehr 1 Jahr versucht Manager Gillis, der ihm 2009 den Vertrag gab, Luongo zu traden, teilweise unter Anwendung von Taschenspieler-Tricks. Aus meiner Sicht wird es ihm nicht gelingen, einen anderen Club davon zu überzeugen, den Monstervertrag zu übernehmen. Damit bleiben 2 Möglichkeiten: Management und vor allem der Eigner entscheiden sich, den Vertrag auszukaufen (nach neuem Rahmentarifvertrag ist es möglich vor der Saison 13/14 2 Buyouts rückstandslos zu tätigen) oder man macht einen Rückzieher und tradet Schneider.

    Sollte das Problem Luongo gelöst sein (exemplarisch für die ganze Liga), wäre auch wieder finanzieller Spielraum unter der Gehaltsobergrenze, um endlich den benötigten Centre für die 3.Reihe zu verpflichten und sich für die Ära nach den Sedins zu rüsten.

  4. Danke und sorry für meine „lange Laufzeit“; ich hatte nicht erwartet, dass geantwortet wird! Vielen Dank für die Argumente; scheint in der Tat alles nicht so einfach bei den Canucks zu sein!
    Und nun ergründe ich, warum Pittsburgh in 4 Spielen gegen Boston rausfliegen wird; hat da nicht irgendein „Experte“ auf ein 4-2 der Pens getippt 😉

  5. Das ist für mich eine der ganz großen Überraschungen der Playoffs in diesem Jahr, dass sich die Penguins mit einem ‚Sweep‘ verabschieden, nachdem sie die Runde zuvor richtig gutes Eishockey geboten hatten. Wäre ja auch richtig langweilig, wenn man im Sport schon alles vorher wüßte. :-)

  6. In 4 Spielen 2 Tore; das dürfte bei DER Pens-Offensive auch einen „REKORD“ bedeuten!! Wie konnte man so einen Sturm stoppen??

  7. Als neutraler Fan der 2013-Serie Chicago-Boston: Was Boston in der Defensive da spielt, ist für mich grenzwertig (und erinnert halt genau an das, was hier am Anfang der Kommentare aufgeführt wurde): Bei wirklich JEDEM Save von Rask darf speziell im Umfeld von Mr. Chára (da sind bei Boston aber auch andere gut dabei) kein Gegner stehen, sonst bekommt der immer noch einen mit. Ich fand das anfangs noch normal, aber langsam reicht’s. Gut, es sind die Finals und von brutaler Härte, wie viell. 2011 passiert, würde ich nicht reden, aber gehört das wirklich zum Eishockey dazu?

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