Grabovski – Opfer des Spielsystems?

Mikhail Grabovski wirkte etwas schüchtern, als er nach dem Training in der Kabine auf die Schar der Reporter traf, die ihn erwarteten, um ihm einige Fragen zu stellen. Der Leafs Stürmer durfte sich erklären, warum es derzeit für ihn nicht so läuft. Seine Antworten fielen eher wortkarg als redegewandt aus.

Das war vor einem Jahr noch anders, als der 29-jährige Weißrusse im März 2012 auf dem bisherigen Höhepunkt seiner Karriere einen neuen Vertrag über fünf Jahre Laufzeit und einem Jahressalär von 5,5 Millionen US-Dollar unterschrieben hatte. Damit wurde er zu einem der bestbezahltesten Spieler in Toronto. Nur Kapitän und Verteidiger Dion Phaneuf lag mit 6,5 Millionen US-Dollar vor ihm.

Ungezwungen plauderte Grabovski über seine Familie und die kärglichen Verhältnisse, in der er während seiner Kindheit und Jugendzeit aufgewachsen ist. Aus diesem Grund steht auch die Stadt Potsdam vor den Toren Berlins als seine Geburtsstadt in den Personalien. Am 31. Januar 1984 kam er dort zur Welt, weil sein Vater in der damaligen DDR als Ingenieur arbeitete und dabei mehr Geld verdienen konnte, als in der russischen Heimat. Bereits im Alter von drei Jahren kehrten seine Eltern jedoch mit ihm nach Minsk zurück.

„Wir hatten kein großes Haus, sondern ein kleines Appartement“, erzählt Grabovski rückblickend von dieser Zeit. Mit Eltern und Großeltern lebte er in einer Zwei-Zimmer-Wohnung auf engstem Raum. Schon früh hegte der kleine Mikhail den Wunsch, einmal in der NHL zu spielen und seine Eltern taten trotz beschränkter Mittel alles, um ihm das Eishockeyspielen zu ermöglichen. „Mein Vater Yury war mein erster Trainer, mein bester Trainer“, unterstreicht Grabovski. „Er gab mir die Fähigkeit, an mich zu glauben, dass ich ein ganz Großer werden kann.“

Eine Fähigkeit, die Grabovski heute mehr denn je wieder braucht. Lediglich sechs Tore und fünf Assists in 29 Spielen (Quote ca. 38 Prozent) stehen bisher für ihn zu Buche. Dazu kommt eine schlechte Minus 8 in der Plus-Minus-Statistik. Seit neun Partien wartet er auf einen Torerfolg, vier Begegnungen lang blieb er punktlos. Für einen hochbezahlten Stürmer, der in seinen vorherigen Spielzeiten bei den Maple Leafs immer eine Punktequote oberhalb 60 Prozent (Spitzenwert 2010-11: 71,6 Prozent) hatte, eindeutig zu wenig.

Nach Außen gibt sich die Nummer 84 der Leafs bescheiden und weicht kritischen Fragen etwas aus. „Ich bin glücklich über jeden Tag und wir sind mit der Mannschaft erfolgreich, das ist wichtiger als meine Erfolge“, betont Grabovski auf die Frage, ob er unglücklich über die momentane Situation sei. Er weist jede Nachfrage Druck zu verspüren von sich und geht sogar dazu über zu scherzen, sich über Geld und den hohen Verdienst keinen Kopf zu machen, als er sagt: „Ich gebe das Geld nicht aus, das macht meine Frau. Also denke ich auch nicht darüber nach.“

Schließlich lässt er dann doch noch den Standardspruch fallen: „Aber ich muss hart an mir arbeiten, in jedem Training und in jedem Spiel.“ Sein Trainer Randy Carlyle, der durch die Umstellung des Spielsystems von weniger Offensivarbeit zu mehr Defensivarbeit möglicherweise mit verantwortlich für die Krise seines Stürmers ist, bemerkt dazu kurz und prägnant: „Wir wissen, was für ein Spielertyp er sein kann.“ Trotzdem setzt er ihn verstärkt gegen die andere Topreihe ein und drängt ihn dadurch in eine eher defensivere Rolle. Laut Statistik einer Internetseite hatte der nur 1,73 Meter große Grabovski von den 468 bestrittenen Bullies lediglich 100 davon in der Offensivzone. Ein deutliches Indiz für weniger Möglichkeiten, Tore zu produzieren.

Mikhail Grabovski, der mit seiner aus Toronto stammenden Partnerin Kate eine Tochter im Alter von zwei Jahren und einen Sohn mit 15 Monaten hat, fühlt sich in der ostkanadischen Metropole aufgrund ihrer familären Bindung sehr wohl. Nicht zuletzt ebenso wegen der Unterstützung, die er bei den Maple Leafs immer erhalten hatte. Er unterstrich dies im letzten Jahr mit der Aussage: „Ich wollte immer an einem Ort sein, wo die Leute an mich glauben und mir die Chance geben zu spielen.“

Spielen darf er, aber ob er bei dem gegebenen Spielsystem unter Carlyle wieder seine Torgefährlichkeit in naher Zukunft entdecken wird, bleibt abzuwarten. In seinem Vertrag ist eine eingeschränkte Wechselklausel eingebaut. Demnach darf Grabovski nur zu zehn Teams transferiert werden, die er sich jedes Jahr aussuchen darf. „Für mich ist es besser zu bleiben, als irgendwo hinzugehen“, hatte Grabovski noch 2012 nach seiner Vertragsunterschrift gesagt. Doch er wäre nicht der erste Spieler, der an dem Spielsystem eines Trainers verzweifelt und das Weite sucht. Eine Vermutung, die er mit einer klaren Aussage einschränkt: „Ich bin Söldner. Ich arbeite immer, egal für welchen Trainer.“

Dieser Artikel erscheint auch auf NHL.com/de

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