Go Canucks Go!

Eine 14-tägige Fiesta ohne Happy End

15. Juni 2011. Hunderttausende Menschen versammelten sich in den Straßen der Downtown von Vancouver zum Public Viewing vor dem entscheidenden Spiel 7 zwischen ihren Vancouver Canucks und den Boston Bruins. Die West Georgia Street, der Highway 99, der durch die Stadt Richtung Stanley Park führt, war schon ab Mittag zwischen der Cambie und Seymour Street gesperrt.

Auf Großleinwänden vor denen sich laut Polizeiangaben 100.000 Fans einfanden, wurde die Partie übertragen. Jeder Pub, jede Sportsbar, jedes Restaurant übertrug die Finalpartien und wer in der Granville oder Robson Street einen Platz in einer Lokalität ergattern wollte, der musste sich schon knapp drei Stunden vor Spielbeginn einfinden. Vor dem Eingang des Cactus Club Cafes Ecke Burrard und Dunsmuir Street hatte sich eine 50m lange Warteschlange gebildet um Einlass zu erhalten. Die Zuversicht unter den Menschen nach drei Heimsiegen zuvor war groß, dass es ihre Canucks bei der dritten Finalteilnahme nach 1982 und 1994 diesmal schaffen würden erstmals den Stanley Cup gewinnen zu können.

Interessanterweise fand Vancouver landesweit nicht jene Unterstützung welche die Calgary Flames 2004, die Edmonton Oilers 2006 oder die Ottawa Senators 2007 als letzte kanadischen Hoffnungsträger auf einen Stanley Cup Triumph genossen. Vancouver wird halt im Rest Canadas nicht als eine kanadische Stadt angesehen. Es ist zu warm, es gibt zu wenig Schnee im Winter und Menschen aus aller Herren Länder finden dort ihr Zuhause. Doch gerade letztgenannter Punkt macht das besondere Flair dieser westkanadischen Metropole aus.

Und Sie sind alle Canucks!

Wie die Einwohner ihre Canucks lieben und wie sie zusammen unabhängig von ihrer Herkunft feiern können, davon konnte ich mir in den 14 Tagen zuvor auch in Gesprächen mit den Fans einen Eindruck machen. Doch lassen wir zunächst Bilder sprechen.

Bei der Gestaltung ihrer Fahrzeuge zeigten sich die Fans genauso kreativ wie beim Einkleiden ihrer vierbeinigen Freunde.

Auf den von den Massen bevölkerten Straßen der Downtown herrschte nach den Heimsiegen Feierstimmung.

Je nach bevorzugter Musikrichtung konnte getanzt werden.

Ob jung oder schon etwas älter, ob weiß, ob braun oder Indian Native kurzum alle hatten ihren Spaß.

‚Egge‘ – ein deutscher Eishockeyfan live vor Ort.

Nach dem ersten Finalspiel habe ich durch Zufall einen deutschen Eishockey-Weltenbummler getroffen. Egge (Guido) aus Krefeld, der keine Mühen und Kosten gescheut hat, um sich den Traum, ein Stanley Cup Finale live vor Ort im Stadion anzusehen, zu erfüllen und der mir zwei Tage später vor Spiel 2 bereitwillig Auskunft darüber gab, wie und wann er auf diese Idee kam.

„Dass ich mir in diesem Jahr ein Stanley Cup Finale ansehen möchte, dazu habe ich mich sehr kurzfristig entschlossen, eigentlich erst nachdem sich die Vancouver Canucks hierfür qualifiziert haben. Als Krefelder bin ich Fan der Canucks vor allem weil Christian Ehrhoff dort spielt. Als ich von meinem Reisevorhaben meinen Geschäftskollegen erzählt habe hielten die mich für ‚verrückt‘. Doch solch ein Erlebnis, das behält man ein Leben lang in Erinnerung, das ist eben nicht nach der einen Reisewoche vorbei.“

Den 49-Jährigen hat schon in jungen Jahren der Eishockeysport in den Bann gezogen. Er besucht seit 1976 regelmäßig die Spiele der jetzigen Krefeld Pinguine. NHL-Reisen hat er schon unternommen, das deutsche Nationalteam bei Eishockeyweltmeisterschaften unterstützt. In Vancouver ist er jetzt zum dritten Mal.

„Ich mag diese Stadt. Vergangenes Jahr im Februar habe ich mir hier das Eishockeyfinale der Olympischen Spiele angesehen. Meine Eintrittskarte hätte ich damals für 10.000 Can$ auf dem Schwarzmarkt verkaufen können. Doch auf eine solche Idee wäre ich nie gekommen, denn ich war doch angereist um mir das Spiel anzusehen.“

Entgegen der Annahme, dass Egge seine Eintrittskarten für das Stanley Cup Finale über Beziehungen zur Mannschaft erhalten hat, war es überraschend, dass dies keineswegs der Fall gewesen sei.

„Als erstes bin ich mal in mein Reisebüro und habe nach einem Flug gefragt und die Mitarbeiterin hat tatsächlich noch einen von Düsseldorf über Frankfurt nach Vancouver gefunden. Sogar relativ günstig für 880 EUR. Etwas schwieriger gestaltete sich die Suche nach einer Unterkunft, denn in der Downtown waren alle Hotels völlig ausgebucht. In Burnaby wurden wir aber fündig. Eintrittskarten hatte ich immer noch keine und so bin ich mit einer Menge Bargeld in den Taschen als Nichtinhaber einer Kreditkarte auf die Reise gegangen. Die sehr freundliche Chinesin an der Rezeption des Hotels, die ich danach gefragt habe, wie ich am Besten hier an Tickets komme, hat sich meiner angenommen und mit mir in einer Internetbörse für Canucks-Tickets danach gesucht. Bei 1200 Can$ für das Erste bin ich dann mit dem Anbieter einig geworden und er hat es mir ins Hotel vorbeigebracht. Dort hat er mir auch noch für die zweite Finalpartie zum selben Preis eine Eintrittskarte angeboten und da ich zuvor bereits gesehen hatte, dass diese Karten normalerweise deutlich teurer gehandelt werden, habe ich zugeschlagen.“

Schon eine Stunde vor Spielbeginn findet sich Egge vor der Rogers Arena ein.

„Ich möchte dieses Flair hier genießen. Nein ich bereue das Unterfangen angegangen zu haben zu keiner Minute. Was mich doch sehr beeindruckt hat, war die Stimmung in der Granville Street nach dem ersten Finalsieg. Das war einfach unfassbar!“

Nach Spiel 7: Die Zuversicht war der Enttäuschung gewichen

Die finale Fiesta fiel aus.

Ich meinerseits möchte einen besonderen Dank aussprechen an Annika vom ‚Coco Joes Cafe‘, der sympathischsten und freundlichsten Bedienung, der letzten 14 Tage, die mir als die Teams in Boston waren beim ersten Auswärtsspiel schon Mittags für das Spiel um 17:00 Uhr einen Platz reserviert und diesen verteidigt hat.

Ein Dank auch an den Barkeeper im ‚Malones‘, der mir schon ab 15:00 Uhr am Tresen direkt vor dem TV sitzend beim zweiten Auswärtsspiel der Canucks stundenlang mit Pale Ale versorgt hatte und bei dem ich nie nachbestellen musste, sobald mein Glas leer war und den beiden in Vancouver lebenden Iranern im ‚Shenanigans‘ bei der dritten Auswärtspartie, die sich zu mir an den Tisch gestellt haben und da dort aufgrund der anwesenden Massen die Servicekraft nicht mit dem Getränkeliefern nachkam, ihre Pitcher mit mir geteilt haben.

Nicht zu vergessen und jetzt oute ich mich als vorgeblich neutraler Berichterstatter als Canucks-Fan, an jene, die von Deutschland aus am Ausgang der Finals mitgelitten haben. Doch alle Karma der Welt und Hexereien hatten da nichts genutzt, die finale Fiesta fiel aus – das sportlich bessere Team, die Boston Bruins, haben verdientermaßen den Cup gewonnen! (br)

Alle Fotos Bernd Rösch, eishockey.com GmbH

 

 

 

 

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