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nr.46 / okt. 2001 

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EISHOCKEYLEGENDEN - Bobby Orr

Das Idol aller Verteidiger
von Markus Schäffler

"Jedes Kind, das in den späten 60ern und frühen 70ern in Kanada aufgewachsen ist, wollte wie Bobby Orr sein", sagte Wayne Gretzky vor kurzem in einem Interview mit dem Fernsehsender ESPN. 'The Great One' unterstreicht damit die herausragende Stellung, die Orr während seiner Profilaufbahn im nordamerikanischen Eishockey einnahm. Orr war der erste Akteur der NHL, der drei Mal hintereinander - von 1970 bis 1972 - die Hart Trophy, als wertvollster Spieler in der regulären Saison gewann. Orr ist bislang der einzige Verteidiger, der jemals mit der Art Ross Trophy als punktbester NHLer ausgezeichnet wurde und das gleich zweimal in den Jahren 1970 und 1975. Zudem streichte nur Orr die Norris Trophy, als bester Blueliner der Liga, acht Mal ein und ließ seinen Namen in einer Saison, nämlich 1969-70, in die vier wichtigsten Pokale - Hart, Ross, Norris und Smythe - eingravieren.

Die Auszeichnungen zeigen, dass Orr besonders in der Offensive Akzente setzte. Waren bis zu seinem Erscheinen in der NHL die Verteidger eher auf die Defensive beschränkt, kreierte Orr den modernen Blueliner, der nicht nur Schüsse blocken und Stürmer von den Beinen holen konnte, sondern auch Tore vorbereitete und erzielte. Fortan eiferten viele Spieler der NHL dem Vorbild Orr nach und sind mittlerweilen nicht mehr aus dem Eishockeysport wegzudenken. Wenn auch Orrs Klasse nie mehr erreicht wurde, brachte die Liga mit zum Beispiel Denis Potvin, Paul Coffey, Ray Bourque und Brian Leetch hervorragende Offensiv-Verteidiger heraus.

Geboren wurde Bobby Gordon Orr am 20. März 1948 in Parry Sound, Ontario, als drittes von fünf Kinder. Sein Großvater Robert war ein irischer Einwanderer, der in seiner Heimat unter anderen mit Profi-Fußball seine Brötchen verdiente. Orrs Vater Doug spielte, wie es für einen Kanadier gebürte, Eishockey und bekam in den 40er Jahren ein Angebot von den Boston Bruins, um in deren Farmteam mitzuwirken. Er zog es jedoch vor mit der Royal Canadian Navy in den Krieg gegen Deutschland zu ziehen.
Mit vier Jahren stand sein Sohn Bobby zum ersten Mal auf dem Eis und spielte ein Jahr später für ein dortiges Kinderteam. Mit zwölf Jahren agierte Orr bereits in einer für sein Alter höherstufigen Mannschaft der Parry Sound Bantam All-Stars. Bei einem Turnier wurden zwei Bostoner Scouts, die eigentlich zwei andere Jungs beobachten wollten, auf das Naturtalent aufmerksam und ließen ihn in der folgenden Zeit nicht mehr aus den Augen. Zwei Jahre später verpflichteten die Bruins den damals 14 Lenze zählenden für ein Jugendteam aus Oshawa, wo er zusammen mit 19- und 20-Jährigen sein Eishockey zum Besten gab. Auf Anhieb wurde er in das zweite All-Star-Team gewählt und erschien 1964 zum ersten Mal auf der Titelseite der renommierten Sportzeitschrift 'MacLean's'.
1966 unterschrieb Orr seinen ersten Profivertrag in Boston, der ihn ein Grundgehalt von $50.000 und eine Aussicht auf zusätzliche Prämien in einer Höhe von $25.000 garantierte. Den bis dahin höchstdotiertesten Rookiekontrakt der NHL rechtfertigte er, indem er 13 Tore erzielte und zum Neuling des Jahres gekürt wurde.

'Ich bin froh, dass ich sie jetzt gewonnen habe, denn von jetzt an wird sie Orr gehören', prophezeite am Ende der Saison Harry Howell, der Gewinner der Norris Trophy in dem selben Jahr. Recht hatte er, denn der Name 'Bobby Orr' sollte für die folgenden acht Jahre den Pokal für den besten Verteidiger der Liga schmücken und sich zusätzlich mit etlichen NHL-Rekorden in den Annalen verewigen.
Orr war der erste Spieler überhaupt, der über 100 Assists für sich verbuchen konnte. Außerdem gab er während fünf Spielzeiten mehr Vorlagen als jeder Stürmer, was ebenfalls noch keinem Blueliner vor ihm gelungen war. Seine Bestmarken aus den Spielzeiten 1970-71 und 1974-75, als er 37 bzw. 46 Tore erzielte und 102 bzw. 89 weitere Treffer für Kollegen auflegte, sind bis Heute unerreicht. Bis 20 Jahre vor Orr, konnte kein Verteidiger den Puck während einer Saison 20 Mal im Gehäuse versenken, er schaffte es sieben Mal in Folge, schloss fünf Spielzeiten sogar mit mehr als 30 Erfolgserlebnissen ab und läutete damit eine neue Zeitrechnung ein.

Bobby Orr hebt nach dem Siegtreffer ab

Vor allem Dank Bobby Orrs Leistung, gewannen die Boston Bruins nach einer 29-jährigen Durststrecke den Stanley-Cup 1970 und 1972 zwei Mal. Sein Siegtreffer gegen die St. Louis Blues, der den 4-0 'sweep', sowie seine erste Meisterschaft perfekt machte, ging in die Geschichte der NHL als großartigster Moment, der jemals auf einer nordamerikanischen Eisfläche passierte, ein: Orr setzte sich gewandt gegen mehre Gegner in deren Drittel durch und versenkte den Puck unhaltbar für Goalie Glenn Hall, als ihn ein Gegner von hinten mit dem Stock bedrängte. Der Torschütze hob ab und segelte spektakulär durch die Luft. Das dabei geschossene Foto geht bis Heute durch die Presse und wurde zum bekanntesten Bild, das jemals bei einem Eishockeyspiel aufgenommen wurde.

Nachdem Orr 1975-76 wegen einer Knieverletzung nur zehn Spiele für die Bruins absolvieren konnte, wechselte er zu den Chicago Blackhawks, die ihn für fünf Jahre an sich binden und ein Salär von $3.000.000 zahlten wollten. Aber auch deren Ärzte waren wegen der schwerwiegenden Blessur nicht Herren der Lage, so dass er von 1976 bis 78 lediglich bei 26 Begegnungen mitwirken konnte. Am 8. November 1978 verkündete Orr schließlich seinen Rücktritt aus dem aktiven Profisport. Eine äußerst erfolgreiche Karriere, in der das Idol in 657 Spielen 270 Tore erzielte und 681 Vorlagen gab war zu Ende. Trotzdem schrieb Orr ein Stück Eishockeygeschichte, denn sein Schnitt von mehr als 1,4 Punkten pro Begegnung wird wohl für jeden aktuellen und zukünftigen Verteidiger der NHL unerreicht bleiben und selbst nur die aller wenigsten Stürmer dürften daran hinreichen.

Wie beliebt Bobby Orr in Boston war und ist, bewies die 'Bobby Orr Night' am 9. Januar 1979, als sein Trikot mit der Nummer Vier im Boston Garden aufgehängt wurde: Elf Minuten lang zollten die Zuschauer dem jüngsten Mitglied der Hall of Fame aller Zeiten Tribut, indem sie stehend applaudierten. Mittlerweilen leitet Orr eine Sportagentur und wirkt bei diversen Wohltätigkeitsveranstaltungen mit.

Der Journalist Frank Deford schrieb einmal über das 'Idol aller Verteidiger' treffend: 'Es ist nicht nötig herauszufinden wer besser war: Wayne Gretzky, der Center, oder Bobby Orr, der Verteidiger, denn nur einer von den beiden hatte die Möglichkeit das Spielsystem von Grund auf zu ändern.' (ms)

 

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