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nr.112 / okt. 2007 

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EISHOCKEYLEGENDEN - Don Cherry

Mister Canada

von Robin Patzwaldt

Nachdem wir Ihnen vor einigen Monaten den smarten und eloquenten Kelly Hrudey an dieser Stelle vorgestellt haben, darf ein weiteres Portrait eines TV-Protagonisten in dieser Reihe natürlich nicht fehlen. Zur portraitieren gilt es nun, das faktische Gegenteil von Hrudey, einen bei den Kanadiern noch beliebteren, zugleich aber auch den umstrittensten und teilweise sogar verachteten Fernsehanalysten der NHL-Szene: Don Cherry!

Cherry, ein ehemaliger Trainer und für kurze Zeit Spieler in der NHL, moderiert seit Beginn der 80er-Jahre des vorigen Jahrhunderts als Co-Moderator beim Sender CBC im kanadischen Fernsehen im Rahmen der, inzwischen auch in Europa zu empfangenden, 'Hockey Night in Canada' und spaltet mit seiner Rubrik 'Coach`s Corner', die grundsätzlich in der ersten Drittelpause der Hockeynight ausgestrahlt wird, die öffentlichen Meinungen wie kein anderer. Gleichgültig ist er eigentlich niemandem. Entweder man mag oder man verachtet die Auftritte des inzwischen 73-jährigen Vollblutkanadiers, der stets im extravaganten Outfit vor die Kamera tritt und mit seinen Meinungen rund um NHL-Hockey, aber auch politische Vorgänge, grundsätzlich nicht hinter dem Berg hält.

Don Cherry wurde am 5.Februar 1934 in Kingston, Ontario geboren. Wie fast jeder Kanadier seiner Generation spielt er in seiner Jugend aktiv Hockey und wird für die Barrie Flyers und die Windsor Spitfires in der Ontario Hockey Association eingesetzt. Er gewinnt als Verteidiger mit Barrie im Jahre 1953 den Memorial Cup. Anschliessend wechselt er in die AHL zu den Hershey Bears. 15 Jahre bleibt er danach bei den Rochester Americans in der AHL, kann in dieser Zeit nur ein einziges NHL-Spiel für die Boston Bruins bestreiten, als er 1955 während der Playoffs kurzfristig vom Farmteam in die NHL 'befördert' wird. Durchsetzen kann sich der Verteidiger in der NHL-Franchise von Boston aber nicht.
Im Jahre 1970 beendet er schließlich seine aktive Hockey-Karriere.

Nach dem Ende seiner aktiven Zeit fällt es Cherry schwer im bürgerlichen Leben richtig Fuß zu fassen. Er findet keine Arbeit. Jobbt als Autoverkäufer, Anstreicher und Gelegenheitsarbeiter. "Das war eine schwierige Zeit für mich damals. Ich sa Bobby Orr am TV, bewunderte ihn. Damals hätte ich nicht gedacht das ich dann schon bald sein Trainer sein würde.", erinnert sich der Ex-Coach an diese schwierige Phase in seinem Leben.

Zur Saison 1971/72 findet er zum Hockey zurück und wird Trainer des AHL-Teams von Rochester. Dort kehrt der Erfolg in das Leben von Cherry. Nach nur drei Jahren in dieser Position wird er Trainer des Jahres in der AHL und anschließend zum Cheftrainer der Boston Bruins befördert. Er erwirbt sich den Spitznamen eines Bullterriers und spaltet mit seiner barschen und direkten Art bereits damals die Meinungen.

Diplomatie ist nicht die Sache von Cherry. Drei Mal gewinnen seine Bruins mit ihm den Divisionstitel, Cherry führt die Schwarz-gelben zwei mal ins Stanley Cup-Finale, wo die Bruins jedoch jeweils gegen Montreal unterliegen. Der Bullterrier überzeugt viele Kritiker und wird im Jahre 1976 zum NHL-Coach des Jahres gewählt.

Im Jahre 1979 wird Cherry nach einem fatalen Wechselfehler in den Playoffs, der das Ausscheiden aus dem Wettbewerb besiegelte vom damaligen General Manager der Bruins, Harry Sinden, gefeuert.

Der Jobverlust in Boston wird von Cherry jedoch recht rasch kompensiert indem er innerhalb der NHL zu den Colorado Rockies (den heutigen New Jersey Devils) wechselt. Dort kommt man mit seiner oftmals selbstherrlichen Art jedoch nicht gut klar und man beurlaubt Cherry nach nur einer Spielzeit in Colorado.

Auch international tritt Cherry als Coach in Erscheinung. Als Assistenztrainer betreute er Team Kanada während des 1976er Kanada Cups und als Cheftrainer bei der Weltmeisterschaft 1981 in Schweden.

Nach seiner Entlassung bei den Rockies im Jahre 1980 wechselt der Vollblutkanadier zum heimischen Fernsehsender CBC, wo er zunächst als Spielkommentator aktiv wird. Doch Cherry gelingt es nicht neutral zu kommentieren, da er seine Vorlieben für das ein oder andere Team am Mikrophon nicht verbergen kann. Er jubelt regelrecht wenn eine seiner Lieblingsmannschaften ein Tor schießt, oder lässt sich zu Verunglimpfungen einiger anderer Mannschaften verleiten, so dass man bei CBC eine andere Rolle für den Ex-Trainer finden muss.

So entsteht die Rubrik Coach`s Corner, wo Cherry nun nicht mehr neutral bleiben muss, was ihm ja sichtlich schwer fiel und bis heute noch fällt, sondern im Gegenteil, seine Meinung von nun an sogar Programminhalt sein soll.

Zunächst moderiert er dort im Gespann mit Dave Hodge, und seit 1987 nun mit dem auch derzeit noch ihn begleitenden Partner, Ron MacLean, einem in Deutschland geborenen, ehemaligen Berufssoldaten.

Als Moderator dieser Rubrik fesselt Cherry seit Jahren die Massen. Die einen mögen seine spektakulären Auftritte, die anderen finden sie lächerlich und grotesk. Sein Einfluss auf die Öffentlichkeit ist jedoch unbestritten.  

Legendär ist inzwischen auch Chery`s sehr stark patriotische Haltung. Er unterstützt im Rahmen seiner Sendung die Kanadischen Streitkräfte, rechtfertigte damals den amerikanischen Einmarsch im Irak innerhalb seiner 'Coach`s Corner', was ihm auch viel Ärger einbrachte. Auch zum Thema Hockey verletzte seine Meinung oftmals das Selbstverständnis einiger. So verunglimpfte er die Träger von Helmvisieren in der NHL als 'weiche Europäer', oder er kritisierte den frühen Einsatz von Sidney Crosby als Assistenzkapitän der Pittsburgh Penguins heftig, was ihm prompt ein Interviewverbot der Penguins einbrachte.

Und als ich zuletzt bei einem Leafs-Spiel im Rahmen der Hockey Night an einem Samstag in Toronto zugegen war, konnte ich mich selber vom großen Einfluss seiner Meinung überzeugen.

In der Drittelpause versammelten sich nahezu alle Journalistenkollegen in der Pressebox des Air-Canada-Centers vor den wenigen dort aufgestellten Monitoren um konzentriert und aufmerksam der Hockeyikone zu lauschen. Ein Bild das ich so noch nicht gesehen hatte.

Die Konzentration der Kollegen auf die Worte Cherrys war fast größer als die Konzentration auf die ersten 20 Minuten der Begegnung Toronto gegen Ottawa kurz zuvor. Bemerkenswert!

Doch was viele für nur gespielt und aufgesetzt halten ist scheinbar auch privat die Persönlichkeit Cherrys. Kollege MacLean beteuert jedenfalls: "Die Leute fragen mich immer wie Don Cherry denn privat so ist. Ich muss ihnen dann immer erklären das das auf dem Bildschirm der wahre Don Cherry ist. Er verstellt sich nicht. Auch wenn die Kamera nicht auf ihn gerichtet ist verhält er sich und redet er so."

Im Jahre 2004 gab es wochenlange Gerüchte der Vertrag von CBC mit Cherry würde nicht verlängert werden, doch nach einigen Monaten einigte man sich damals doch noch auf eine Vertragsverlängerung, so dass Don Cherry auch nach dem NHL-Lockout weiterhin seine Meinungen über TV in die weite Welt verbreitet.

Kurios ist auch das Cherry im Jahre 2004 in einer großen Umfrage in Kanada in die Top-10 der größten Kanadier aller Zeiten gewählt wurde. Man stelle sich das mal bei uns in Deutschland vor. Fußballkommentatoren wie Bela Rethy oder Marcel Reif in der Liste der 10 bedeutendsten Deutschen aller Zeiten? Geradezu unvorstellbar!

Der Name Cherry wird inzwischen auch zur Verbreitung der NHL in den USA mit genutzt. So moderierte Cherry in diesem Jahr erstmals auch mit im US-Fernsehen. Er kommentierte dort in den Drittelpausen einiger Spiele zusammen mit Brett Hull die Stanley-Cup-Finalserie zwischen den Ducks und den Senators für den Sender NBC.

Anscheinend sollte seine selbstbewusste und spektakuläre Selbstdarstellung Werbung nun auch dort für das gute alte kanadische Eishockeyspiel machen. Denn eines haben auch die Medienvertreter der USA sicher längst bemerkt. Cherry, ob man ihn nun bewundert oder nur abfällig belächelt, schafft Öffentlichkeit, gibt Gesprächsstoff und ist schlicht gute Unterhaltung. Und darauf kommt in diesem Geschäft ja schließlich inzwischen auch nicht unmaßgeblich an. (rp)

 

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