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nr.76 / jun. 2004 

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SPIELERPORTRAIT

"Es ist gut anders zu sein!" - Jordin Tootoo, der erste Inuit in der NHL

von Robin Patzwaldt

Er ist anders als die Anderen! Er weiß das, und er ist sich dessen auch stets bewusst! Doch allein aus der Tatsache heraus, dass der 21-jährige Rookie der erste Inuit in der Geschichte der NHL ist, ist seine Popularität in Nashville und in der gesamten Liga nicht zu erklären. Er musste auch besondere Leistungen bringen, denn seine Herkunft war für ihn in der Vergangenheit oftmals nicht gerade förderlich. Trotz allem hat er es bis in die NHL geschafft. Zeit Jordin Tootoo etwas näher vorstellen:

Aufgewachsen ist Tootoo in Rankin Inlet einem kleinen 2300 Einwohner zählenden Dörfchen im äußersten Nordwesten Kanadas, direkt an der Hudson Bay gelegen. Rankin Inlet ist dennoch die größte Ansiedlung im Bezirk Nunavut, dem früheren Nordwest-Territorium, allerdings 515 km nördlich von Churchill, Manitoba.
Neun Monate im Jahr liegt dort Schnee. Da ist es kein Wunder, dass Jordin in seiner Kindheit nur selten Gelegenheit hatte, seine Eishockeytalente mit Anderen zu messen. "Zu Hause waren wir doch arg isoliert. Wir haben immer nur untereinander Hockey gespielt, und einmal im Jahr ging es für vier oder fünf Spiele zu einem Turnier in einen der Nachbarorte, das war es dann aber auch! An einen regelmäßigen Spielbetrieb, zum Beispiel in einer richtigen Liga, war gar nicht zu denken."

Eine Tatsache, die ebenfalls erklären dürfte, warum es bisher noch kein anderer Inuit in die NHL geschafft hat. "Die Geographie hat da eine ganz große Rolle gespielt. Aber es war schon damals mein großes Ziel einmal in die NHL zu kommen. Das hatte ich immer im Kopf, wenn wir gegeneinander gespielt haben. Dafür hätte ich alles gegeben."

Jordin hatte damals noch in seinem drei Jahre älteren Bruder stets ein Vorbild. Doch Terence Tootoo nahm sich im Sommer 2002 das Leben. Die Polizei fand ihn damals noch mit seinem Gewehr in der Hand. Eine Tatsache über die Jordin heute noch nicht gerne spricht: "Er hatte ein großes Herz! Tief in meinem Herzen weiß ich, dass Terence eines Tages auch hier in der Liga gespielt hätte!" Doch näher will sich der Rookie an diesem Punkt nicht in die eigene Gefühlswelt schauen lassen: "Alles Weitere zu diesem Thema werde ich nicht kommentieren!"

Die Tatsache, dass Tootoo seine Rookie-Saison in Nashville, in der er es immerhin auf über 70 Einsätze und vier Tore und bis in die Playoffs brachte, schon vorab seinem verstorbenen Bruder widmete, und seinen Namen das ganze Jahr symbolisch auf dem Schläger trug, dürfte die tiefe Verbundenheit zu seinem Vorbild ohnehin schon ausreichend dokumentieren.
Gut möglich, dass gerade der Verlust des Bruders Jordin noch einmal einen weiteren Schub an Willen und Entschlossenheit auf seinem Weg verliehen hat.

Überhaupt spielt die Familie, die zusammen mit 60 Leuten aus seinem Heimatdorf und aus ganz Nunavut zu seinem ersten Heimspiel in Nashville anreiste und damals sogar einen eigenen ganzen Block in der Halle bevölkerte, eine entscheidende Rolle im Leben des jungen Flügelstürmers: "Sie gehen mit mir durch dick und dünn. Ich werde niemals meine Wurzeln vergessen!"

Sein hin und wieder auftretendes Heimweh nach seinem Geburtsort, im früheren Nordwest-Terretorium, kann der junge Inuit auch in Nashville etwas dämpfen. Da ein großer Teil der Inuit-Ernährung aus rohem Fisch besteht, sieht man Jordin häufiger in der dortigen Sushi Bar. "Holz gibt es bei uns zu Hause so gut wie gar nicht. Da kann man eben nicht kochen und daher essen wir den Fisch schon traditionell roh." Ansonsten gefällt es ihm in seiner neuen Umgebung aber wohl überwiegend: "Nashville ist eine tolle Stadt! Ich fühle mich hier sehr wohl! Hier gibt es viel zu entdecken und zu erleben! Kein Vergleich zu früher!"

Beeindruckend reif scheint auch bereits seine Lebenseinstellung: "Es ist gut anders zu sein! Das hat mir bisher im Leben nie geschadet, wenn es auch oftmals nicht leicht ist! Ich habe es immer angestrebt der erste Inuit in der Liga zu werden und mich daher oft zum Außenseiter gemacht, aber kein Kind oder Jugendlicher sollte Angst davor haben sich von der breiten Masse abzuheben. Man sollte immer man selbst bleiben und das gilt auch für alle anderen Bereiche des Lebens!"

Sein Trainer Barry Trotz ist ebenfalls angetan von der Leistung und Reife des erst 21-Jährigen: "Er bringt tolle Leistungen hier. Und das obwohl er körperlich eigentlich nicht die besten Vorraussetzungen für diese Liga mitbringt. Jordin ist mit 175cm, und seinen knapp 90 Kilo, eigentlich etwas zu klein für seine Rolle in der NHL. Aber mit seiner enormen Kampfkraft und seinem Willen macht er das wieder wett. Die Leute lieben ihn dafür. Das ist der Hockeystil, den man hier sehen will. Und wie er mit der Presse umgeht ist schon sehr beeindruckend. Er gibt sich schon sehr reif und kann mit dem gewachsenen Druck prima umgehen!"

Auch sein Mannschaftskamerad Rem Murray, mit dem der Rookie überwiegend gemeinsam in einer Reihe spielt, sieht scheinbar nur Positives: "Er geht immer da raus und gibt alles! Er arbeitet hart und hört zu, wenn wir Erfahreneren ihm mal ein paar Tipps geben. Er ist sehr professionell und kann es noch weit bringen! Der Junge muss schon ganz schön viel Druck auf seinen Schultern tragen, er repräsentiert in unserem Sport viele Leute seines Volkes, aber wie er das hinbekommt und mit wie viel Stolz er das macht, das ist sehr beeindruckend."

Und auch Tootoo scheint dazu gewillt diesen Weg weiterzugehen: "Es gibt noch viel woran ich arbeiten muss. Aber dafür ist das Training hier ja da. Jeden Tag lerne ich noch viele neue Sachen. Und die Spielgeschwindigkeit in der Liga ist schon noch einmal enorm schneller als bei den Junioren, wo ich letztes Jahr noch verbracht habe."

Obwohl er der erste NHL-Spieler aus seinem Teil der Welt ist, schwärmt der junge Mann im Gespräch von der bereits vor seinem großen Durchbruch vorhandenen Popularität der NHL auch bei ihm zu Hause: "Klar spielte Eishockey bei uns schon immer eine große Rolle. Nur ist das mit dem aktiven Spielen auf hohem Niveau eben ein Problem, wenn man so isoliert lebt, wie wir dort. Aber interessieren tut sich fast jeder dafür!"

Das dürfte auch die hohe Werbewirksamkeit Tootoos in seiner Heimat erklären. Die Provinz-Regierung von Nunavut bedient sich der gestiegenen Popularität ihres inzwischen berühmtesten Sportlers mittlerweile auch für einen Werbefeldzug der Jugendliche animieren soll, ihre Schullaufbahn fortzusetzen und sich Ziele im Leben zu setzen.

Trainer Trotz sieht in Jordin Tootoo, dem Viertrunden Draftpick der Predators von 2001, aber auch ein Stück der Predators Philosophie verwirklicht: "Unsere Organisation hat nicht so viel Kapital um sich gestandene Spieler zu verpflichten. Wir haben uns daher dafür entschieden junge, hungrige Spieler auszubilden. Wir machen das jetzt schon länger, und anscheinend sind wir auf einem ganz guten Weg, wenn ich die ersten Ergebnisse jetzt so sehe!"
Die erste Playoffteilnahme der Predators in diesem Frühjahr bestätigt Jordin und seinen Coach auf ihrem Weg da doch auch recht eindrucksvoll! (rp)

Zur Erläuterung des Begriffs 'INUIT':
Als Esquimantsik (Rohfleischfresser) bezeichneten die Athabaska-Indianer geringschätzig ihre nördlichen Nachbarn. Die Europäer Übernahmen die beleidigende Bezeichnung und verkürzten sie zu "Eskimo". Die Menschen der Arktis nennen sich jedoch Inuit, was schlicht "der Mensch" bzw. "das Volk" bedeutet.

 

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