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nr.105 / feb. 2007 

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SPIELERPORTRAIT

Auf und abseits des Eises ein ganz Großer - Olaf Kölzig

von Stefan Herget

Olaf Kölzig steht noch ungeduscht, einsam und fast verlassen vor den Kabinengängen der Washington Capitals im Verizon Center. Sein Team hat soeben eine Heimniederlage gegen die Boston Bruins hinnehmen müssen und Kölzig sieht so aus, als ob er sich Gedanken über die gespielten 60 Minuten und seinen Auftritt machen würde. "Klar, kannst du mir ein paar Fragen stellen", antwortet er sogleich professionell in seiner netten umgänglichen Art, als ich ihn anspreche und mich vorstelle. Nur Deutsch möchte er nicht mit mir sprechen, obwohl er in zahlreichen Interviews, bei seinem Gastauftritt in Deutschland während des Lockouts in der NHL oder seinen Einsätzen in der Nationalmannschaft bewiesen hat, dass er es kann. "Wir bleiben lieber beim Englisch", sagt er und lächelt bescheiden.

Ein Gesprächsauftakt, wie er eindeutig in mein Bild über Olaf Kölzig bestens passt. Der am 6. April 1970 in Johannesburg, Südafrika als Sohn deutscher Eltern geborene und ab drei Jahren in Kanada aufgewachsene Kölzig, weiß genau, was sich gehört und was nicht. Er ist Profi durch und durch. Nicht umsonst ist der Torhüter der Washington Capitals im Team und auch bei den Fans so beliebt. Bei ihm stimmen eben nicht nur seit über einem Jahrzehnt die Leistungen auf dem Eis, sondern auch abseits des Eises ist Kölzig ein ganz Großer des Sports. Doch zunächst ein paar Sätze zu seinem Lebenslauf.

Kölzigs Eltern ließen sich zunächst in Halifax und Toronto, später in Union Bay, Nova Scotia nieder. Schon früh beginnt der Junior mit dem Eishockeyspielen, wie es in Kanada üblich war und ist. Mit 17 Jahren bekam Olaf bereits erste Einsätze in der WHL bei den New Westminster Bruins und ein Jahr später bei den Tri-City Americans. Dort schaffte er am 29. November 1989 als erster Torhüter der Liga das Kunststück, einen Treffer zu erzielen, als sein Gegenüber zugunsten eines sechsten Feldspielers sein Gehäuse bereits verlassen hatte. Mit einem Gegentorschnitt von nur 3,48 Treffern pro Spiel lag Kölzig an der Spitze der Liga. Für heutige Verhältnisse ein sehr hoher Wert, doch in der WHL wurden schließlich Tore am Fließband erzielt.

Daraufhin drafteten ihn die Washington Capitals 1989 in der ersten Runde. Nach zwei Spielen mit zwei Niederlagen und 12 Gegentoren in der folgenden Saison war erst einmal Schluss mit der Karriere in der NHL. Kölzig wurde in Baltimore, Hampton, Rochester und schließlich Portland geparkt. Obwohl seine Auftritte dort vielversprechend waren, kam es nur 1992-93 zu einem Einsatz und 1993-94 zu sieben weiteren NHL-Auftritten in der Hauptstadt. 1994-95 und 1995-96 stieg Kölzig immerhin zur Nummer 2 der Capitals auf. Als die Mannschaft dann die Playoffs 1996 erreichte und die Nummer 1 Jim Carey in der ersten Runde Schwächen zeigte, schlug die große Stunde von Kölzig. In fünf Auftritten gegen die Pittsburgh Penguins kassierte er im Schnitt nicht einmal zwei Gegentreffer pro Spiel und hielt 93,4 Prozent der auf ihn abgefeuerten Schüsse. Die Playoffserie ging zwar verloren, doch die Fans hatten 'Olie the Goalie', wie er fortan genannt wurde, ins Herz geschlossen.

Es folgte im Sommer sein erster Auftritt für das deutsche Nationalteam beim World Cup of Hockey 1996. Nachdem die Capitals in der Saison 1996-97 die Playoffs verpassten, wurde Carey nach Boston getradet und Kölzig zur Nummer 1 befördert. Außerdem nahm er für Deutschland an der Weltmeisterschaft 1997, sowie den Olympischen Spielen 1998 in japanischen Nagano teil.
In den Playoffs 1998 schlug dann seine große Stunde, als er mit den Washington Capitals ins Stanley Cup Finale einziehen konnte. Es sollte sein bislang einziges Finale bleiben, bei dem jedoch die Hoffnung auf ein Happy End unerfüllt blieb. Die Hauptstädter verloren die Serie gegen die Detroit Red Wings glatt mit 0-4 Spielen.

Kölzigs starke Auftritte blieben aber in den nächsten Jahren sehr konstant und so konnte er 2000 die Vezina Trophy, als der beste Torhüter der Saison in Empfang nehmen. Ähnlich wie Martin Brodeur bei New Jersey absolvierte die Nummer 37 der Caps während der Saison sehr viele Spiele und gönnte sich kaum Pausen, während in anderen Teams häufiger auch der Backup einmal zum Einsatz kommt. "Es macht mir Spaß zu spielen und die Belastung hält sich in Grenzen, wenn man privat sehr ausgeglichen ist, denn während des Spieles ist eine sehr hohe Anspannung und Konzentration ohne Zweifel nötig", betont Kölzig. "Weißt du, ich war lange genug auf der Bank gesessen und habe zugeschaut, daher möchte ich jetzt einfach nur spielen." Seiner Leistung schien es keinen Abbruch zu tun. Inklusive der Saison 2003-04 war seine Fangquote seit 1996 immer über 90 Prozent und das bei annähernd 2000 Schüssen, die der Schlussmann pro Spielzeit auf sein Tor bekam.

Auch die deutsche Nationalmannschaft ließ Kölzig nicht im Stich. Nachdem er in den Jahren zuvor eine Teilnahme an den Weltmeisterschaften stets abgesagt hatte, nahm er am World Cup of Hockey 2004 teil und führte das deutsche Team, das dem späteren Finalisten Finnland nur äußerst knapp mit 1-2 in Helsinki unterlag, fast bis ins Halbfinale.

Als die NHL nach dem Sommer in den Streik trat, nutzte Kölzig die Zeit zunächst, um sich mehr um seine Familie zu kümmern und kam schließlich aber dann doch nach Deutschland. Die Eisbären Berlin machten die spektakuläre Verpflichtung, aufgrund einer Verletzung kam er jedoch lediglich in acht Saison- und drei Playoffspielen zum Einsatz.

Die Saison 2005-06 begann nach der Einigung zwischen Liga und Gewerkschaft wieder pünktlich, aber die Capitals hatten sehr viel an spielerischer Substanz verloren, so dass sie im Kampf um die Playoffs im dritten Jahr in Folge ohne Chance blieben. Einen Erfolg ganz anderer Art konnte Olaf Kölzig trotzdem für sich verbuchen. Die NHL verlieh ihm 2006 die King Clancy Memorial Trophy für seine Führungspersönlichkeit auf dem Eis und das soziale Engagement, sowie seine herausragende Persönlichkeit. "Mit der Vezina wirst du dafür geehrt, dass du aus einer Gruppe von 60 Jungs der Beste warst", betont Kölzig darauf angesprochen. "Doch diese Auszeichnung wird dir aus über 700 Jungs zugesprochen und dafür, dass du dich abseits der Eisfläche als Mensch für dein Umfeld einsetzt. Ich glaube, das ist als Auszeichnung mindestens gleichwertig, wenn nicht wichtiger. Wenn deine Karriere vorüber ist, werden mehr Leute noch darüber sprechen und sich erinnern, was du für die Gemeinschaft geleistet hast."

Olaf Kölzig hat sich seit seiner Ankunft in Washington vor mehr als 15 Jahre aktiv in der Stadt für wohltätige Zwecke engagiert. Obwohl er Anfangs gar nicht begeistert war, die Hauptstadt der USA als seinen neuen Lebensmittelpunkt zu haben, fand er sich zunehmend besser zu recht und spätestens mit dem Umzug der Capitals von der in Maryland außerhalb gelegenen alten Arena in das damalige MCI Center und jetzige Verizon Center in der Downtown 1997, wurde sie für ihn und seine Familie eine neue Heimat.

Kölzig setzt sich seitdem besonders für das Kinderkrankenhaus von Washington ein. Jedes Jahr kauft er zehn Saisonkarten im Unterrang und lädt zu jedem Spiel Patienten mit ihren Eltern zum Spiel ein. Des weiteren hat der Vater zweier Kinder mittlerweile über 650.000 US-Dollar an Spendengeldern für die Einrichtung gesammelt, indem er zusammen mit Elliot Segal, einem bekannten DiscJockey aus Washington, über ihr Programm 'Olie & Elliot's Great Saves Program' Golf und Tennis Turniere für Prominente veranstaltet, sowie weitere Aktivitäten startet. Selbst spendet Kölzig 1 Dollar für jeden Save, 50 Dollar für jeden Sieg, 100 Dollar für jeden Shutout und 25 Dollar für jeden Punkt, den die Capitals holen. Der jeweilige Erlös wird von Capitals Eigentümer Ted Leonsis noch verdoppelt.

"Die erste Saison war das Programm ein voller Erfolg", betont Kölzig mit einem Strahlen in den Augen. "Das Great Saves Programm bedeutet für mich persönlich sehr viel, denn es ermöglicht mir der Region etwas davon zurück zu geben, von dem, was ich an Unterstützung erhielt."

Es ist aber nicht die einzige Wohltätigkeit des deutschen Staatsbürgers. Seit er erfuhr, dass sein Sohn Carson an Authismus erkrankt sei, hat sich Kölzig auf die Fahnen geschrieben, anderen Familien, die vom gleichen Schicksal getroffen wurden zu helfen. Er ist Gründingsmitglied der Initiative 'Athletes Against Autism (Triple A)', einer Gruppe von Sportlern, die in ihrem Umfeld selbst von der Krankheit berührt sind und ihre gemeinsame Stimme nutzen, um der Krankheit zu mehr Bewusstsein in der Gesellschaft zu verhelfen und so natürlich auch Spendengelder zu sammeln. Damit werden unzählige Aktivitäten für authistische Kinder und deren Angehörige, wie Behandlungen, Forschungen und Fortbildungen für Betroffene gefördert. Seit 2005 veranstalten die Capitals, wie mittlerweile fünf weitere NHL-Teams, bei NHL-Spielen sogenannte 'Autism Awareness Nights', bei denen die Einnahmen verschiedenen Stiftungen, unter anderem Triple A, zu Gute kommen und auf die Krankheit aufmerksam gemacht wird.

Doch damit immer noch nicht genug. Kölzig engagiert sich außerdem für das Ausbildungsprogramm 'Reading is cool', um hochbegabten Kindern zwischen vier bis sechs Jahren das Lesen beizubringen und so ihre Entwicklung zu fördern. Abgesehen davon, sieht er sich ganz besonders jeden Tag und bei jedem Spiel als Vorbild für die jungen Zuschauer und Eishockeyfans. In seinen jungen Jahren hatte sich der Torhüter schon mal aggressiv am Eis gezeigt, als er ein oder zwei leichte Tore kassierte, doch seine Einstellung hat sich grundlegend geändert. "Ich habe immer an eine Vorbildfunktion für die Kinder geglaubt und so habe ich versucht mein Leben zu ändern und mich nicht mehr wie ein verwöhnter Balg mit Wutausbrüchen aufzuführen", sagt Kölzig heute rückblickend. "Diese Kinder brauchen Helden, zu denen sie aufschauen können." Worte, die sich der ein oder andere Star, sei es im Fußball, Eishockey oder in anderen Sportarten und gesellschaftlichen Bereichen mal zueigen machen sollte.

Aber so ist dieser Olaf Kölzig eben, ein absoluter Vorzeigeathlet. Geduldig beantwortet er auch meine Fragen, selbst als ich ihn darauf anspreche, ob er sich denn vorstellen könnte, für den Versuch eines Cupgewinns noch zu einer anderen Mannschaft zu gehen, antwortet er sehr bestimmt: "Nein, absolut nicht. Ich habe micht letztes Jahr mit der Vertragsverlängerung dafür entschieden hier zu bleiben und das ziehe ich jetzt durch. Ich werde meine Karriere hier beenden." Also reizt es ihn nicht mehr den Stanley Cup zu gewinnen oder glaubt er mit diesen Washington Capitals konkurrenzfähig im Kampf um den Titel zu sein, frage ich ihn etwas provokant. "Ja natürlich, warum nicht?", entgegnet er mir sofort. "Wir haben ein junges Team mit sehr viel Talent, das sich gut entwickelt. Wir müssen von Spiel zu Spiel einen Schritt vorwärts machen und dieses Jahr unbedingt die Playoffs erreichen, um dort die nötigen Erfahrungen zu sammeln, dann können wir bereits nächste Saison schon wieder weiter sein und in zwei oder drei Jahren um den Stanley Cup spielen." Dem mittlerweile 36-jährigen Torhüter wäre es auf jeden Fall zu gönnen, wenn es so kommen würde.

Auch das Thema Nationalmannschaft hat Kölzig trotz seines fortgeschrittenen Alters noch längst nicht abgehakt: "Interesse ist von meiner Seite immer grundsätzlich da. Es würde mir sehr viel Spaß machen unter Uwe Krupp und mit dieser jungen Truppe zu arbeiten, doch ich hoffe, dass wir mit den Capitals in die Playoffs einziehen und dann wäre ein Einsatz bei der WM undenkbar. Sollte es nicht gelingen, muss ich sehen, wie sehr die Saison mich belastet hat, denn ich bin jetzt auch schon 36 Jahre." Von Uwe Krupp hält Kölzig sehr viel und er bezeichnet ihn als absoluten Glücksfall für das deutsche Eishockey: "Er kennt das Spiel und er bringt sehr viel Leidenschaft und Engagement mit. Die jungen Spieler schauen zu ihm auf, das sind beste Voraussetzungen, um ihnen viel beizubringen." Kontakt zu den Trainern bestünde derzeit nicht, aber das solle im Frühjahr bei einem Treffen nachgeholt werden.

Ich beendete das sehr angenehme Gespräch und höre noch, wie Kölzig einen Teammanager darauf anspricht, ob er denn Marco Sturm im Diensten der Boston Bruins ausgerichtet hätte, dass er ihn sprechen wolle. Auch das zeigt, dass der Kontakt zu den deutschen Spielern enger ist, als allgemein angenommen. Auch wenn man Englisch mit ihm sprechen muss und er nie in Deutschland gewohnt hat, ist er mit seinen Leistungen auf dem Eis, sowie seinem Engagement und Auftreten abseits des Eises ohne Zweifel ein absolutes Aushängeschild für Deutschland und sein Eishockey. (sth)

 

 

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