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nr. 138 / jan. 2010 

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INTERVIEW
 
"Nach Schwenningen zieht mich nicht mehr viel"

Interview mit Dennis Seidenberg (Florida Panthers)

von Stefan Herget

Dennis Seidenberg im Gespräch mit unserem Redakteur Stefan Herget.

Dennis Seidenberg am 18. Juli 1981 in Schwenningen geboren und seit 2002 in der Nordamerikanischen Eishockeyliga als Spieler aktiv, verdient seine Brötchen seit Anfang dieser Saison bei den Florida Panthers. Nicht ganz das Wunschziel, weil an dem, in der Regel sehr warmen, Standort die Euphorie der Fans für den Kampf um den Puck auf dem gefrorenen Wasser in einer kühlen Halle eher vermisst wird. Doch zuletzt mangelnde Alternativen und ein sehr gutes Angebot mit einem Jahressalär von 2,2 Millionen US-Dollar waren letztendlich ausschlagend für die Wahl des gebürtigen Schwarzwälders. Aufgrund der Vertragslaufzeit von lediglich einem Jahr steht der 28-jährige Deutsche aber auch unter besonderem Erfolgsdruck sich für eine Verlängerung des Kontraktes in Florida oder eben andere Teams in der NHL zu empfehlen. Schließlich möchte Seidenberg nach der Heirat mit seiner us-amerikanischen Frau nur ungern nach Deutschland zurückkehren.
Dies sind nur einige der Fakten, die EISHOCKEY.COM Redakteur Stefan Herget in seinem ausführlichen Gespräch mit Dennis Seidenberg erörterte. Äußerst sympathisch und teilweise sehr deutlich bezog der Verteidiger Stellung zu den einzelnen Themen, die sich auf die Perspektiven mit Florida oder der Nationalmannschaft, aber auch auf den privaten Bereich bezogen.

EISHOCKEY.COM: Hallo Dennis und wie lebt es sich in Florida?

Seidenberg: Ja, wie du selbst draußen erleben kannst, ist es hier ganz schön. Zwar regnet es ab und zu mal, was ja auch ganz OK ist, aber die meiste Zeit haben wir Sonne und warme Temperaturen. Das ist äußerst angenehm.

EISHOCKEY.COM: Das heißt, du hast dich hier gut eingelebt?

Seidenberg: Ja, auf jeden Fall. Die Mannschaft ist sehr nett und da die Umgebung sehr angenehm ist, geht es mir sehr gut hier.

EISHOCKEY.COM: Und wie sieht es mit der sportlichen Entwicklung des Teams aus?

Seidenberg: Es war ein Auf und Ab bisher. Wir hatten keinen besonders guten Start, aber wir haben uns mittlerweile gefangen und den Rückstand zu den Playoff-Plätzen aufgeholt. Aber die Saison ist immer sehr lang und da kann noch viel passieren. Wir müssen halt schauen, dass wir im Rahmen unserer Möglichkeiten erfolgreich spielen und nicht zu hohe Ansprüche an uns selbst haben.

EISHOCKEY.COM: Und dein persönlicher Weg?

Seidenberg: Ich habe leider derzeit nicht den Umfang an Eiszeit, den ich mir vorstelle. Das war zu Beginn etwas besser. Aber zuletzt durfte ich auch wieder in Unterzahl ran. Ich muss einfach mein Spiel weiterentwickeln, deswegen bin ich auch im Training sehr ehrgeizig. Denn nur mit Übung wird man auch besser.

EISHOCKEY.COM: Wie siehst du die Perspektiven in Florida? Schließlich sollte ja der Gewinn des Stanley Cups ein Ziel sein, wenn man in der NHL spielt.

Seidenberg: Auf jeden Fall strebe ich auch das an. Letztes Jahr in Carolina war ich mit dem Erreichen der Conference Finals sehr nahe dran. Doch die Mannschaft von dort ist nicht mit hier zu vergleichen. Sicher soll in Florida eine Mannschaft aufgebaut werden, die irgendwann da hin kommt, doch im Moment muss man froh sein, die Playoffs zu erreichen. Von daher muss man schauen, was das Jahr bringt und dann wieder weitersehen. Nachdem ich im Sommer wieder vertragslos bin, muss ich dann entscheiden, ob ich bleiben will oder wo der Weg hingeht und was mir am besten gefällt. Auf lange Sicht kann man in diesem Geschäft ohnehin nicht planen.

EISHOCKEY.COM: Das bedeutet natürlich, dass du in dieser Saison unter besonderem Druck stehst, Leistung zu bringen, um dich für einen neuen Vertrag zu empfehlen.

Seidenberg: Ja klar, das bleibt nicht aus. Das ist zweifelsohne der Nachteil an einem Ein-Jahres-Vertrag. Der Druck ist natürlich da und den spürt man auch, aber wenn man dessen nicht gewachsen ist, dann wird man in dieser Liga nicht bestehen. Der Druck muss einfach in Motivation positiv umgewandelt werden und daraus kann man neue Kraft schöpfen, damit man alles geben kann. Und ich glaube, dass entsprechender Einsatz auch zur Kenntnis genommen und honoriert wird.

EISHOCKEY.COM: Du hast für einen Verteidiger bisher relativ wenige Strafzeiten kassiert. Hast du nur Glück bei den Schiedsrichtern oder gibt es deiner Meinung nach eine Erklärung dafür?

Seidenberg: Ich hatte nie viele Strafzeiten, weil ich versuche zwar hart zu spielen und checks zu fahren, doch dabei nie die Grenze des Erlaubten zu überschreiten. So achte ich grundsätzlich darauf, dass ich die Arme beim Check unten habe und dann ist es nun einmal kein Foul. Die anderen Strafen, wie Haken, Halten und Beinstellen, passieren indes meist nur, wenn man müde ist und sich nicht bewegt. Bleibt man aber mit den Beinen in Bewegung, dann kann man auch mit fairen Mitteln den Gegner stoppen.

EISHOCKEY.COM: Du warst bisher vor allem für weniger etablierte Mannschaften aus dem Süden aktiv. Wie siehst du deren Potenzial in der NHL zu bestehen, denn die Zuschauerzahlen in den Hallen sind schon erschreckend?

Seidenberg: Es wird natürlich überall versucht Teams zu formen, die vorne mitspielen und so das Zuschauerinteresse zu entfachen. Doch leider sind oft die finanziellen Mitteln begrenzt. Wir hier in Florida haben ein junges, entwicklungsfähiges Team, doch das reicht nicht unbedingt. Und wenn man dann bei einem Heimspiel raus kommt und die Halle ist gut zur Hälfte leer, dann motiviert das einen Spieler auch nicht unbedingt, als wenn das Ding voll ist. Das gibt schon einen Extrakick und ohne das ist es natürlich schwieriger zu bestehen. Hier in Florida ging es bisher noch halbwegs, aber als wir letztens in Atlanta gespielt haben, muss ich sagen, dass ich noch nie so eine leere Arena gesehen habe. Das ist dann schon ein komisches Spiel.

EISHOCKEY.COM: Von den Orten, in denen du bisher aktiv warst, wo war es von den allgemeinen Umständen für dich am besten?

Seidenberg: Ich denke, das war Philadelphia, denn wir hatten eine sehr gute Mannschaft und ein entsprechendes Fanpotenzial. Das Leben dort hat mir sehr gut gefallen, denn es ist eine tolle und abwechslungsreiche Stadt, so hatte man nur 15 Minuten Fahrzeit bis zum Meer. Aber auch in Carolina und hier in Florida lässt es sich gut leben und ich habe ein paar lehrreiche Erfahungen gemacht, die ich auf keinen Fall missen möchte.

EISHOCKEY.COM: Wie fandest du den Saisonauftakt in Helsinki? Es war doch etwas schade, dass die Arena an beiden Tagen nicht einmal ausverkauft war.

Seidenberg: Die NHL hat sicher gute Werbung gemacht, denn für viele bietet das eine einmalige Gelegenheit ein NHL-Spiel zu sehen. Insofern hat es mich gewundert, dass es noch Karten zu kaufen gab. Persönlich war das Ganze eher hektisch, denn wir sind in der Preseason von Nova Scotia im Osten Kanadas an die kanadische Westküste geflogen und dann weiter nach Dallas. Nach zwei Tagen zu Hause ging es nach Europa und wir haben dort eine Woche für den Saisonauftakt verbracht. Von daher war alles sehr streßig, aber das sind auch Erfahrungen, die man macht und von daher ist es schon OK.

EISHOCKEY.COM: Du hast im Sommer eine amerikanische Frau geheiratet, daher gibt es für dich sicher schon Perspektiven, wo du nach dem Ende deiner Karriere leben wirst. Dürfen wir schon etwas darüber erfahren?

Seidenberg: Natürlich gibt es eine Perspektive. Mir gefällt es in den USA sehr gut und ich darf es gar nicht zu laut sagen, denn ich war schon drei Jahre nicht mehr in Deutschland. Meine Familie kommt immer zu Besuch und in meine Heimat nach Schwenningen gibt es auch nicht viel, was mich zurück zieht. Meine Freunde sind mittlerweile alle in größere Städte gezogen, von daher ist nur noch meine Familie da, aber die kommen mich wie gesagt regelmäßig besuchen.

EISHOCKEY.COM: Hast du Kontakt zu den anderen deutschen Spielern?

Seidenberg: Wenn man gegeneinander spielt, dann trifft man sich freilich und quatscht ein bißchen.

EISHOCKEY.COM: Ein großes Wiedersehen wird es ja dann bei Olympia geben. Freust du dich auf diese Aufgabe und welche Möglichkeiten hat das deutsche Team?

Seidenberg: Ja, da freue ich mich sehr drauf. Es kommt nicht jeden Tag vor in so einem Klasseturnier mitzuwirken und sicher kann man sich dort auch präsentieren, denn es werden viele Beobachter da sein. Das deutsche Team ist wie immer sehr jung, gemischt mit erfahrenen Spielern und wird alles geben, die ein oder andere Überraschung zu schaffen. Aber es gilt die Ergebnisse der letzten Weltmeisterschaften endlich vergessen zu machen und wieder nach vorne zu schauen.

EISHOCKEY.COM: Die nächste WM wird in Deutschland mit einem Eröffnungsspiel in Gelsenkirchen vor der Rekordkulisse von 70.000 Zuschauern eröffnet. Wäre das ein Anreiz für dich dort mitzuwirken und damit auch wieder einmal nach Deutschland zu kommen, wenn die Playoffs in Florida nicht geschafft werden?

Seidenberg: Also das wird sich kein Eishockeyspieler entgehen lassen, wenn er vor 70.000 Zuschauern spielen kann. Auf jeden Fall wäre ich da dabei. Es ist unglaublich eine solche Chance zu bekommen und es würde bestimmt ein unvergessliches Erlebnis sein.

EISHOCKEY.COM: Welcher deutsche Spieler gewinnt deiner Meinung nach als nächstes den Stanley Cup?

Seidenberg: Also ich gehe davon aus, dass Thomas Greiss in San Jose oder der Marco Sturm in Boston die besten Chancen haben. Deren Teams sind richtig. Ich würde ja gerne auf mich tippen, aber im Moment sieht es nicht danach aus...

EISHOCKEY.COM: ... außer es gibt noch ein neues Team zum Ende der Wechselfrist?

Seidenberg: Ja es ist alles möglich und sehr schnelllebig hier. Aber das warten wir mal ab.

EISHOCKEY.COM: Vielen Dank für dieses Gespräch Dennis und viel Glück für die weitere Saison. (sth)

Alle Fotos von Frank Piepenbreier (Eishockey.com).

 

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