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nr. 125 / dez. 2008 

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REPORT
 
Der gute Toews - Auch die Eishockey-Welt gehört in Kinderhände

von Gerulf Ketz

Es scheint als wären junge oder ungewöhnliche NHL-Kapitäne in Mode. Jonathan Towes, Kapitän der Chicago Blackhawks, ist einer davon. Mit einem Kapitän einer NHL-Franchise im Sinne einer Führungsfigur verbindet man normaler Weise einen älteren, etablierten und einflussreichen Spieler. Sozusagen einem 360-Grad-Vorbild.

Seit einiger Zeit ist ein ganz anderes Bild entstanden: Der Hoffnungsträger. Jonathon Toews ist mit 20 Jahren keineswegs der jüngste Kapitän. Sidney Crosby war nur 19 Jahre alt, als er dieses Jahr zum ersten Mal das "C" seiner Pittsburgh Penguins auf der Brust trug. Vincent Lecavalier war mit 19 Jahren Kapitän in Tampa Bay. Roberto Luongo ist sogar als Torhüter der Mannschaftsführer in Vancouver - auch ohne das "C" auf dem Eis tragen zu dürfen, was seit Bill Durnan und über 60 Jahren nur Feldspielern vorbehalten bleibt.

Bisher war der Kapitäns-Status nur besonderen Spielern vorbehalten. Dass ein sehr junger Spieler zum Leitwolf erklärt wurde, geschah eher selten. Steve Yzerman wurde 1986 mit 21 Jahren Kapitän der Detroit Red Wings, ein Amt das er bis zum Karriereende zwei Jahrzehnte später inne hatte. Aber Steve Yzerman ist ein absoluter Ausnahmespieler in der gesamten NHL-Geschichte.

Was ist passiert?
Die NHL-Franchises versuchen, die träge, wenig erfolgreiche Vergangenheit der letzten Zeit vergessen zu machen. Die Strategie ist es, eine Identitätsfigur seines gleichen zu erschaffen. Man möchte die unattraktive Vergangenheit durch eine hoffnungsvolle Zukunftsvision ersetzen.

Übersicht der jüngsten, dauerhaften NHL-Kapitäne
(Alter bei erster Amtsübernahme)

Sidney Crosby (*07.08.1987): 19 Jahre, 297 Tage

Vincent Lecavalier (*21.04.1980): 19 Jahre, 315 Tage
Jonathan Toews (*29.04.1988): 20 Jahre, 80 Tage
Steve Yzerman: (*09.05.1965): 21 Jahre, 151 Tage

Was steckt hinter den jungen Kapitänen der letzten Jahre?
Roberto Luongo ist in Vancouver allgegenwärtig, Eishockey.com berichtete (>>zum Bericht). Reden wir daher über die anderen Geschichten:

Vincent Lecavalier ist ein perfektes Beispiel, was ein junger Kapitän mit der Last der Erfolgshoffnung ertragen muss. Als er im Jahr 2000 Kapitän der Lightning wurde, war die seit 1992 zur NHL gehörige Franchise aus Tampa Bay recht erfolglos: Nur 1995-96 erreichte man knapp die Playoffs, um in Runde 1 auszuscheiden. Für Lecavalier wurden die mit dem Kapitänsamt verbundenen Leistungserwartungen zu belastend. Nach nur 37 Punkten in 2001 und zwei Saisons mit dem "C" verlor er das ehrenvolle Symbol wieder. Doch die nächsten vier Spielzeiten entwickelte sich Tampa prächtig, holte 2004 sogar den Stanley-Cup. Seit der Saison 2008-09 ist Lecavalier, mit den Franchise-Rekorden aus 2006-07 von 52 Toren und 108 Punkten, sowie einem 85-Millionen-Dollar-Vertrag im Gepäck, wieder Kapitän - und Tampa nach einem Drittel der Spielzeit 2008-09 wieder NHL-Letzter.

Sidney Crosby, bereits mit 21 Jahren die NHL-Figur der heutigen Zeit, schien aus dieser Entwicklung gelernt zu haben. Im Team der Pittsburgh Penguins, seit Mario Lemieux und Jaromir Jagr ein Team mit sehr erfolgreichen 90er Jahren, schien die Situation schwieriger: Als man ihm das Amt in der 2006-07er Spielzeit anbot, dachte er, "es wäre nicht richtig für ihn". Er verstand, dass "deutlich mehr Verantwortung auf den Schultern lasten würde". Als er schlussendlich das "C" vor der Spielzeit 2007-08 übernahm, brachte er sein Team direkt ins Finale um den Stanley Cup. Seitdem gehört Pittsburgh in die Spitzengruppe der Liga.

Nun kam die Geschichte der Chicago Blackhawks und des Jonathan Toews. Die Hawks, ein sogenanntes "Original Six"-Team und seit 1926 dabei, dazu dreifacher Stanley-Cup-Sieger, besitzt die größte historische Last der erwähnten Mannschaften. Seitdem Chicago 1992 gegen die besagten Penguins um Lemieux und Jagr erst im Finale verlor, ging es rasant bergab. Seit 1997 spielte die Metropole gar nur fünf magere Playoff-Spiele. Zehn Jahre später erholte sich das Team langsam, konnte diese Durststrecke aber nicht beenden. Im Sommer 2008 wurde Patrick Kane als bester Neuling mit der "Calder Memorial Trophy" ausgezeichnet. Mit Jonathan Toews und Kane, dazu einigen jungen Defensivspielern wie All-Star-Sensation Duncan Keith, fühlten sich die Blackhawks wieder bereit für den Angriff auf die Spitze. Man holte Brian Campbell für über 50 Millionen Dollar ins Team und konnte auch weitere gute Spieler hinzufügen. Die Stadt hat wieder Feuer für ihr Team gefangen, doch es fehlte der Kapitän. Toews ist nun dieser Kapitän, diese Identifikationsfigur, der den Erfolg zurückbringen soll - oder zumindest ein erfolgreiches Team anführen soll: "Jeder Spieler in unserer Kabine ist ein Führungsspieler auf seine Art und Weise", lobt Toews seine Mitspieler. Dieser Toews also, der ein "ziemlich glücklicher Junge war, als er am Drafttag nach Chicago ging". Aktuell wäre Chicago ein Playoff-Team. Eine Hollywood-Geschichte, die man gespannt beobachten möchte.

Es sind diese Geschichten, die Eishockey und die NHL emotional erscheinen lassen. Ein knallharter Profisport, der um Attraktivität und Popularität kämpfen muss. Ein Sport, der junge Spieler zu Stars entwickelt. Eine Liga vergibt die größten Aufgaben, wie das Tragen des großen "C" auf der Brust, an die hoffnungsvollsten Talente. Die NHL legt ihr Schicksal in Kinderhände; und sie tut gut daran! (gk)

 

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