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nr. 117 / mär. 2008 

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REPORT
 
Erlebnisse im 'Blueland'

von Robin Patzwaldt

Auf seinen Entdeckungsreisen durch die "kleineren" NHL-Standorte führte es eishockey.com-Redakteur Robin Patzwaldt diesmal in ein fernes Land: "Blueland" (das Blaue Land, in Anlehnung an die Franchise- bzw. Trikot-Farbe des Teams) so nennt sich seit einiger Zeit die Hauptstadt Georgias, Atlanta, wenn es um NHL-Hockey geht. Lesen Sie diesmal über seine Erlebnisse und Erfahrungen im Vorfeld des All Star Games 2008 in der Heimat der Atlanta Thrashers

Kaum hatte ich Nashville, Tennessee hinter mir gelassen, setzte der Flieger schon zur Landung in "Blueland" an, wo ich den zweiten Teil meiner Südstaatenreise 2008 verbringen sollte. Nur knapp 45 Minuten dauert der Flug von Nashville nach Atlanta.

Doch was mich im zweiten Teil meiner diesjährigen Kurzreise durch die eher weniger beachteten NHL-Standorte in Atlanta erwarten sollte, das stand in vielerlei Gesichtspunkten im krassen Gegensatz zu den Erlebnissen im beschaulichen Nashville zuvor. Schon direkt nach der Landung glaubte ich mich in einer anderen Welt. War der Flughafen von Nashville doch recht überschaubar, befand ich mich nun plötzlich auf dem größten Flughafen der Welt.

Atlanta unterschied sich jedoch nicht nur durch seine beeindruckende Skyline auch schon äußerlich von Nashville. Auch die Größenordnungen sind hier andere. Konnte ich in Nashville quasi noch von der Halle zum Trainingscenter laufen, lag hier eine ca. einstündige Autofahrt zwischen den beiden Hauptaufenthaltsorten meiner Woche im "Blueland", wie ich bereits bei der Anfahrt zum Training der Thrashers am nächsten Morgen leidlich feststellen musste. Wenn das Ganze dann auch noch mit der Rushhour zum Bürostart verbunden ist, eine Nerven zehrende Angelegenheit.

Mit dem Trainingscenter der Thrashers, in Duluth, präsentierte sich mir ein eher schäbiger, fast provisorisch wirkender Bau in einem Industriegebiet. Positiv fiel allerdings direkt auf, dass hier ebenso keinerlei Zugangebeschränkung herrschte. Ca. 50 Fans wollten sich so mit mir gemeinsam das Training ihrer Lieblinge ansehen. Der Halle angegliedert ist zudem eine Art Stadionkneipe, von der aus weitere Kiebitze das Treiben auf dem Eis verfolgten. Auch die Thrashers gaben ihren Fans nach dem Training bereitwillig Autogramme.

Auffällig war zudem, dass Interimscoach Don Waddell, der nach der Entlassung von Coach Bob Hartley im Oktober, das Team nicht nur als General Manager, sondern zusätzlich auch noch als Coach betreut, das Training nicht leitete, sondern dies seinen Assistenten überlässt, die allerdings schon vorher unter Bob Hartley im Amt waren. In mir kam daher direkt die Frage auf, inwiefern sich die Entlassung von Hartley da wohl auswirken soll/kann, wenn eigentlich alles beim Alten bleibt, und nur Hartley als Person entfernt wurde.

Da am ersten Abend in Atlanta noch kein Hockeyspiel auf dem Programm stand, machte ich mich direkt auf mit der Downtown von Atlanta Kontakt auf zunehmen. Schon recht beeindruckend was sich einem da präsentiert: die CNN-Hauptverwaltung, das größte Aquarium der Welt (Georgia Aquarium), die World of Coca Cola, der Olympiapark von 1996, der Georgia-Dome und die Philips-Arena. Alles auf engstem Raum. Diese Attraktionen sollte ich mir in den nächsten Tagen zwischen den einzelnen Hockeyaktivitäten noch ausführlich anschauen können.

Der nächste Tag sollte jedoch zunächst schon einmal die Partie der Thrashers gegen die Philadelphia Flyers für mich bereithalten. Beim Morningskate widmete ich mich zunächst jedoch einmal dem Erkunden der bemerkenswert schönen Philips-Arena. Schon toll, wie luxuriös hier der Logenbereich ausgefallen ist und mit welchen ungewöhnlich reich verzierten Wandelgängen die Arena aufwarten kann. Für mich gehört die Heimstätte der Thrashers seither zu den drei schönsten Hallen, in denen ich bisher war. Hier kann man es als Spieler (und auch als einheimischer Fan) bestimmt gut aushalten.

Die abendliche Partie gewannen die Flyers übrigens locker mit 4-1 Toren. Thrashers Torhüter Johan Hedberg gab sich beim anschließenden Gespräch auch nicht gerade begeistert: "Ach, das geht doch jetzt schon die ganze Saison so bei uns. Wenn wir mal ein gutes Spiel vorgelegt haben (Anm: Zwei Tage zuvor wurden die Buffalo Sabres an gleicher Stelle noch mit 5-2 eindrucksvoll besiegt), dann kriegen wir direkt wieder einen solchen Rückschlag. Das ist schon frustrierend auf die Dauer. Da tröstet es mich auch nicht, dass ich mal wieder recht ordentliche Kritiken kriege. Es geht halt ums Team, und als Team fehlt uns einfach in diesem Jahr bisher die Konstanz."

Zwei Tage später sollte sich die Laune der Thrashers auch nicht besser darstellen. Mit 2-3 nach Penaltyschießen unterlagen die Thrashers dieses Mal gegen die Florida Panthers. Bei beiden Spielen war von der in den Medien viel zitierten Einheit von Fans und Teams nicht allzu viel zu sehen. Lediglich je ca. 12.000 Zuschauer füllten die supermoderne Arena an diesen Abenden. Und nach der Niederlage gegen die Panthers fand sich nicht einmal ein Thrasher, der den Journalisten Rede und Antwort stehen wollte.

Lediglich Coach Waddell richtete einige kurze Worte in der Pressekonferenz an die Pressevertreter. Nachfragen an ihn gab es nicht. Das hätte nach einem vergleichbaren Spiel in Toronto wohl ganz anders ausgesehen, wo in der Regel schon alleine zehn verschiedene Kamerateams das Training der Leafs verfolgen, schmunzelte ich etwas verwundert in mich hinein. Aber Atlanta ist halt nicht Toronto.

Dass die dritte Partie, die ich mir für meine Stippvisite in Georgia ausgesucht hatte, von einem anderen Kaliber sein sollte, das bemerkte ich schon jetzt, denn schließlich wurde verkündet, dass die Halle gegen die Pittsburgh Penguins bereits früher ihre Pforten öffnen würde. Offenbar rechnete man endlich mal mit einem größeren Publikumsansturm, wenn Crosby und Malkin den Thrashers einen Besuch abstatten würden.

Schon am Tag zuvor ließ sich die Anspannung im Thrashers-Team beim Training in Duluth spüren. Sogar Interims-Coach Wadell war dieses Mal am Rande der Eisfläche zugegen. Offenbar wollte er sich nicht nehmen lassen, zumindest einen prüfenden Blick auf seine Aktiven zu werfen. Spaß hatten die Spieler aber trotz der mäßigen sportlichen Lage reichlich. Lachende und scherzende Spieler, wohin ich auch sah.

Dies hatte sich bis zum Morningskate am Spieltag allerdings geändert. Während die Penguins in voller Besetzung auf dem Eis in der Philips-Arena vertreten waren, hatten sich lediglich 6-8 aktive Thrashers eingefunden. Alle "Starspieler" wie Marian Hossa, Ilya Kovalchuk, Marc Recchi oder auch Nr.1-Goalie Kari Lehtonen ließen den Morningskate komplett ausfallen, was ich zuvor so auch noch nicht erlebt hatte, zumal der Vorabend für die Thrashers spielfrei war.

Die Partie sollte dann aber der Höhepunkt meiner Reise in die Südstaaten werden. Das "Blueland" präsentierte sich zum ersten Mal während meines Aufenthaltes als wirkliche Einheit. Sprechchöre und ein kleines Fahnenmeer unterstützten das angeschlagene Heimteam in einer ausverkauften Arena bei seinem Kampf gegen die jungen Überflieger aus Pittsburgh. Nach tollem Kampf gelang am Ende dann auch ein knapper, aber nicht unverdienter 3-2 Erfolg, welcher in den Straßen der Downtown noch einige Zeit gefeiert wurde.

Dementsprechend präsentierten sich die Spieler nach Spielende wieder gesprächsbereiter und freundlicher als zuvor. Marc Recchi, der den Siegtreffer gegen sein ehemaliges Team im Shootout markiert hatte, scherzte: "Da muss ich dann wohl gleich einen ausgeben. Aber das mache ich bei einem solchen Anlass natürlich gerne". Dabei grinste er über das ganze Gesicht.
Auch Kari Lehtonen, der nach der Niederlage gegen die Panthers noch kommentarlos verschwunden war bilanzierte: "So mach Hockey Spaß. Die Fans standen toll hinter uns und wir haben kämpferisch mal wieder überzeugt. Wenn wir das fortsetzen können, dann haben wir wieder alle Chancen am Ende der Saison erneut in die Playoffs zu kommen. Das wäre dann eine tolle Sache."

Und selbst Coach und GM Don Wadell grinste erstmals in dieser Woche zufrieden: "Wenn das so weiter geht, dann brauchen wir uns über die Verpflichtung eines neuen Trainers erst einmal keine Gedanken zu machen. Aber wir denken jetzt erst einmal nur von Spiel zu Spiel. Bisher fehlte uns die Konstanz, und solange das der Fall ist, brauchen wir uns über die Playoffs hier nicht weiter zu unterhalten." Das zumindest hatten die Teams aus Nashville und Atlanta dann doch gemeinsam auf dieser Reise. Zufrieden verabschiedete ich mich aus der Pressekonferenz und damit auch aus Atlanta.

Der Sicherheitsbeamte vor der Umkleide der Thashers rief mir noch freundlich zu: "Vielen Dank, dass Ihr mal hier vorbei geschaut habt. Vielleicht kommt Ihr ja bald mal wieder her!"
So persönlich bin ich von einer Franchise bisher auch noch nicht verabschiedet worden und die Reise hatte ihr perfektes Ende gefunden. (rp)

 

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