NHL-Eishockeymagazin
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nr.110 / juli 2007 

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INTERVIEW
 
Die Wächter der Regeln - Schiedsrichter in der NHL
Ein Gespräch mit Stephen Walkom

von Stefan Herget

Sie werden gelobt, getadelt, beschimpft oder auch manchmal verachtet - Schiedsrichter. Sie sind es, die in den Sportarten über die Regeln wachen und ihnen Geltung verschaffen. Von den einen werden sie als souverän und abgeklärt, von anderen als arrogant und hochnässig bezeichnet. Alleine diese Vergleiche zeigen, wie sehr die extremen Ansichten ihnen gegenüber auseinander gehen. Doch nicht selten sind es die Verlierer, die oftmals selbst gute Leistungen der Schiedsrichter kritisieren bzw. sich gar nicht darüber bewusst sind, welches schwierige Amt dort ausgeübt wird, immer konzentriert zu sein und in Sekundenbruchteilen zu entscheiden, was selbst Fernsehbilder nach mehrmaliger Wiederholung manchmal nicht genau aufklären können.

Ich weiß wovon ich spreche, denn seit 1989 bin ich aktiv als Schiedsrichter im Fußball unterwegs. Umso mehr hat es mich einmal gereizt, den Job des Schiedsrichters beim Eishockey und insbesondere in der NHL zu beleuchten. Die Eisfläche ist wesentlich kleiner und die Partien sind in der Regel häufiger intensiver als beim Sport auf dem grünen Rasen. Hinzu kommt, dass sich die Akteure mit Geschwindigkeiten über 40 Stundenkilometer fortbewegen. Keine leichte Aufgabe für den Mann mit dem gestreiften Trikot dabei Entscheidungen zu treffen, weswegen die Ligaleitung in der NHL auch vor sechs Jahren dazu übergegangen ist, mit zwei Hauptschiedsrichtern zu agieren.
Ich hatte die Gelegenheit mit Stephen Walkom, über 15 Jahre aktiver Schiedsrichter in der NHL und seit zwei Jahren als Director of Officiating (SR-Obmann) tätig, über Aspekte rund um den Dienst als Schiedsrichter und seine Aufgabe zu sprechen:

Wie lange waren Sie aktiver Eishockey-Schiedsrichter?

Walkom: Ich war 16 Jahre lang Profi-Schiedsrichter in der NHL. Angefangen mit dem Pfeifen habe ich mit 14 Jahren, das ist jetzt 28 Jahre her. Oh mein Gott, jetzt können alle mein Alter errechnen (lacht)... Dann wisst ihr wenigstens auch, warum ich vor zwei Jahren aufgehört habe (grinst). Nein, Spaß beiseite, ich hätte natürlich noch weiter aktiv pfeifen können, aber das Angebot Director of Officiating in der NHL zu werden war schon sehr verlockend.

Haben Sie Momente in ihrer aktiven Karriere, an die sie sich besonders erinnern?

Walkom: Das war eindeutig mein erstes NHL-Spiel in Philadelphia, die damals gegen Winnipeg antreten mussten. Ich hatte die Gelegenheit meine Mutter, meinen Vater und meine zukünftige Frau aus dem nördlichen Ontario mitzubringen. Ein langer Weg für den man hart gearbeitet hatte, fand so sein Ziel.

Was haben Sie eigentlich eigentlich an dieser Arbeit geliebt?

Walkom: Ich liebe das Spiel und dass ich die Chance hatte, Spiele in dieser Sportart zu leiten. Und außerdem den Gedanken, dass ich einen kleinen Teil zu einer großen Sache beisteuere. In meiner jetzigen Funktion kann ich schließlich noch mehr bewirken und deswegen habe ich mich auch entschlossen, die aktive Karriere zu beenden.

Schiedsrichter sind in der Lage Spiele oder Meisterschaften mit einer einzigen Entscheidung zu beeinflussen. Hat es Ihnen gefallen, diese Macht auszuüben?

Walkom: Ich habe noch nicht darüber nachgedacht, dass es Macht sein könnte. Ich würde es eher als Führung bezeichnen, denn die Liga gibt dir die wesentlichen Regeln vor und es ist die Aufgabe des Schiedsrichters, dass die Spieler sich an diese Regeln halten.

Wie versuchten Sie sich den Respekt von den Spielern zu erwerben, der für eine gute Spielleitung nötig ist?

Walkom: Ich glaube was wir Offizielle tun können ist, den Spielern zu zeigen, dass wir unser Bestes geben, ihnen die Möglichkeit einzuräumen Tore zu erzielen und ihr Spiel sauber und fair über die Runden zu bringen. Jeder auf dem Eis muss sich dessen bewusst sein. Und wenn man das Abend für Abend wiederholt, dann entwickelt sich der nötige Respekt dir gegenüber von ganz alleine. Aber wesentlich wichtiger finde ich, den Spielern von Seiten des Schiedsrichters den nötigen Respekt entgegen zu bringen, denn sie müssen wirklich gut sein, um in der NHL zu spielen. Und was man gibt, bekommt man auch zurück.

Der italienische Fußball-Schiedsrichter Colina hat einmal gesagt, dass ein Schiedsrichter auf dem Platz häufig ein einsamer Mann ist. Stimmen sie mit dieser These überein?

Walkom: Ja, ich denke, da hat er nicht so unrecht. Aber die Situation im Eishockey ist etwas anderes, weil noch drei andere am Eis sind, d.h. wenn einer einen Fehler macht, dann haben alle versagt. Ich fühlte mich deshalb auch nie alleine, weil man am Eis jederzeit Unterstützung von seinen Kollegen hatte. Die einsamen Momente erlebt man nur auf den Reisen, in den Hotels.

Wie viele Spiele leitet ein Schiedsrichter in der NHL pro Jahr und wie viele Nächte muss er im Hotel verbringen?

Walkom: Mit Vorbereitung und Playoffs sind es gute 80 bis 100 Spiele, welche die Besten leiten. So kommen im Jahr über 150 Übernachtungen in Hotels zusammen.

Wie sieht so ein Tagesablauf an einem Spieltag aus?

Walkom: Es kommt darauf an, ob am Vortag bereits angereist wurde, was nicht immer der Fall ist. Aber ansonsten wird nach dem Aufstehen etwas Frühsport gemacht. Im Laufe des Tages gibt es noch mal eine Besprechung im Team, sowie Videostudien, die die Schiedsrichter zugemailt bekommen. Zumeist wird gegen 13 Uhr zu Mittag gegessen und danach noch etwas relaxt, ehe es gegen 17 Uhr zum Spiel geht. Dort dann das übliche Aufwärmprogramm und letzte Absprachen, ehe es um 19 Uhr beginnt.

Ist es den Schiedsrichtern in der NHL auch erlaubt, Partien in der Nähe ihrer Heimat zu leiten?

Walkom: Wir von der Führung haben kein Problem damit und teilen auch gelegentlich so ein. Ich weiß, dass das in Europa etwas anders gehandhabt wird, aber hier war es noch nie ein Problem oder Thema, auch bei den Teams oder der Öffentlichkeit. Die Schiedsrichter sind Profis und deshalb erwarten wir ein professionelles Verhalten in dieser Frage.

Wie lange im voraus wird eingeteilt?

Walkom: Die Spiele werden ca. sechs Wochen im voraus eingeteilt. Dabei wird auch gleich festgelegt, welchen Flug die Schiedsrichter nehmen und in welchem Hotel sie absteigen werden. Meist absolvieren die Teams eine Tour von fünf bis sechs Spielen in rund einer Woche und erhalten dann wieder ein paar freie Tage zu Hause, bevor es zur nächsten Tour geht. So wollen wir den Schiedsrichtern auch die nötige Präsenz in ihren Familien ermöglichen.

Werden die Schiedsrichter bei den Spielleitungen bewertet?

Walkom: Ja, es gibt 17 Beobachter in der Liga und jeder wird ungefähr 15-20 Mal während einer Saison live vor Ort beobachtet und zusätzlich werden alle Spiele von den zuständigen Leuten vom Büro in Toronto aus angesehen und die Leistung der Offiziellen bewertet.

Es fällt auf, dass die Akzeptanz gegenüber den Schiedsrichter in der NHL wesentlich höher ist als in den Profiligen in Europa, wo mehr reklamiert und mit dem Schiedsrichter diskutiert wird. Woran könnte das liegen?

Walkom: Ich beobachte das Geschehen dort natürlich zu wenig, um Vergleiche anzustellen. Wenn ich aber von uns ausgehe, dann ist zu sagen, dass wir uns über Jahre hohe Standards in der Aus- und Weiterbildung unserer Schiedsrichter erarbeitet haben, so dass die Qualität der eingesetzen Leute stimmt. Ich darf auch hervorheben, dass wir es geschafft haben, trotz der teilweise unterschiedlichen Charaktere der Schiedsrichter, weitgehend einheitliche Linien bei der Spielleitung durchzusetzen. Die Spieler und Trainer wissen zum Beispiel und konnten sich darauf einstellen, dass seit ein paar Jahren bei bestimmten Vergehen sehr kleinlich gepfiffen wird. Wird das auch von allen umgesetzt gibt es kein Problem. So bald es hiervon aber Abweichungen geben sollte, wäre es nicht mehr tragbar und führt zu Unverständnis, Kritik und Diskussionen. Ich denke aber auch, dass der sachliche Dialog zwischen den Beteiligen, den wir sehr intensiv pflegen, ebenfalls sehr viel zur gegenseitigen Akzeptanz beitragen kann.

Was für einen Tipp würden Sie aufgrund Ihrer Erfahrung jungen Schiedsrichtern geben?

Walkom: Hart an sich arbeiten. Nie zufrieden sein und nicht vergessen, dass man seine Aufgabe nur aus einem wichtigen Grund tut: Nicht für die Zuschauer, Trainer oder Spieler, sondern nur aus der Liebe zu dem Spiel.

Stephen, ich bedanke mich für dieses sympathische Gespräch.

Walkom: Es war mir ein Vergnügen.

(sth)

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