NHL-Eishockeymagazin
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nr.96 / apr. 2006 

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INTERVIEW
 
"Rob Blake möchte man noch in der Verteidigung haben!"
Interview mit Uwe Krupp
von Robin Patzwaldt und Stefan Herget


Seit Dezember 2005 ist er offiziell Bundestrainer der mittlerweile zweitklassigen deutschen Nationalmannschaft. Uwe Krupp, 1996 mit der Colorado Avalanche der erste deutsche Stanley Cup Sieger, der noch dazu das 'Game Winning Goal' im entscheidenden vierten Spiel selbst erzielte, hat in seiner 808 Partien umfassenden NHL-Laufbahn viel erlebt. Neue Erfahrungen warten auf ihn bei der B-WM in Amiens (Frankreich), wo Mannschaften wie Israel die Gegner sein werden. Trotz etwas Hektik während des Trainingslagers der Nationalmannschaft in Iserlohn, nahm sich der 40-jährige gebürtige Kölner Zeit, die Fragen unserer Redakteure Robin Patzwaldt und Stefan Herget über das Dasein als Trainer, die Zukunft des deutschen Eishockeys und natürlich die NHL zu beantworten.

Eishockey.com: Wie beurteilen Sie Ihre bisherige Lage als Bundestrainer?

Krupp: Wir haben in der Nationalmannschaft einen Umbruch und Generationenwechsel durch zu machen und dabei können wir auf eine ganze Reihe junger Spieler zurückgreifen, die Druck auf uns machen und sich um Plätze bewerben.

Eishockey.com: Wie hoch stehen die Chancen, dass der Wiederaufstieg gelingt?

Krupp: Es gibt keine Garantien und ich glaube es ist eine schwierige Aufgabe, doch ich bin optimistisch, dass wir dabei ein Wörtchen mitreden werden. Der Wiederaufstieg in die A-WM ist mit Sicherheit schwieriger als der Klassenerhalt, weil es einige starke Mannschaften gibt, die sich darum bewerben.

Eishockey.com: Sie sehen also noch durchaus Potenzial im deutschen Eishockey?

Krupp: Wir haben viele junge Spieler, die über kurz oder lang den Sprung in die Nationalmannschaft schaffen werden. Das Problem ist, dass wir einige ältere Spieler in der Mannschaft hatten, die international weniger erfolgreich gespielt und häufig ihre Leistung nicht gebracht haben und es für die jungen Spieler teilweise noch zu früh ist, um voll einzuschlagen. Aber früher oder später werden es gerade diejenigen sein, die unsere Fahne vorne weg tragen. Davon haben wir einigen im jetzigen Kader schon das Vertrauen geschenkt und hoffen, dass diese einen guten Job machen werden.

Eishockey.com: In der NHL spielen mittlerweile so viele Deutsche wie nie zuvor. Ist dies aus Ihrer Sicht als Bundestrainer eher positiv zu beurteilen oder eher schlecht, da diese wegen den dortigen Playoffs, wie auch in diesem Jahr, bei internationalen Turnieren fehlen?

Krupp: Ich sehe das als ganz positive Sache, denn diese Spieler sind die Botschafter des deutschen Eishockeys. Und egal, wo wir international stehen, diese Spieler repräsentieren das deutsche Eishockey in Nordamerika und dort wollen wir schon entsprechend vertreten sein.

Eishockey.com: Sie haben in Ihrer Spielerlaufbahn sehr viel erlebt. Welche Erfahrungen können Sie da als Trainer einbringen?

Krupp: Ich habe sehr viele Weltklasse-Trainer gehabt und ich versuche natürlich die Dinge, die mir als Spieler besonders gefallen haben in meinen Trainerstil auch einzubauen. Ich hoffe, dass das bei den Spielern gut ankommt und sie verstehen, was ich ihnen vermitteln will. Aber bisher hat das, denke ich, ganz gut funktioniert.

Eishockey.com: Gibt es aus der NHL vielleicht ein konkretes Vorbild als Trainer für sie?

Krupp: Weniger. Die besten Coaches, die ich hatte, waren nicht nur ein Trainer, sondern immer ein Trainergespann. Also eine Kombination von drei oder vier Leuten und jeder hatte eine bestimmte Rolle, die er ausfüllte. Wenn dann die Chemie zwischen diesen, aber auch zwischen ihnen und der Mannschaft stimmte, dann konnte man Erfolge erzielen.

Eishockey.com: Sie wohnen und leben in den USA. Wie informieren Sie sich über das laufenden Geschehen in Deutschland?

Krupp: So wie der Informationsaustausch im Jahre 2006 mittlerweile vonstatten geht: Mit Internet, Email, DVDs, die hin und her geschickt werden und Telefonaten halten wir im Trainerteam engen Kontakt untereinander. Wir haben mittlerweile ein ganz gutes System, wie wir die Mannschaften in der DEL 'scouten' können. Wobei man dazu sagen muss, dass es für uns nicht unbedingt wichtig ist, wie oft die Spieler in der DEL eingesetzt werden oder welche Position sie bei ihren Teams spielen. Wir haben einige Spieler im Kader, die bei uns weit wichtigere Rollen ausfüllen, als sie das in der DEL tun, denn das internationale Eishockey ist mit der DEL kaum zu vergleichen.

Eishockey.com: Ihr Wahlort in den USA ist Atlanta. Warum haben Sie sich dort niedergelassen?

Krupp: Das war meine letzte Station und mein Sohn geht dort zur Schule. Die Zielrichtung von mir in dieser Frage ist daher klar. Ich lebe dort, wo es für meine Familie und meinen Sohn am besten ist. Aber das hängt auch noch von vielen weiteren Komponenten ab.

Eishockey.com: Werden wir Krupp junior auch irgendwann in der Deutschen Nationalmannschaft sehen?

Krupp: Da gehört aller Hand Glück dazu, natürlich auch viel Ehrgeiz und harte Arbeit. Er macht sich derzeit ganz gut, aber er wird jetzt 15 Jahre alt und da kommen für ihn ganz neue Einflüsse und auch andere Interessen rein. Erst mal sehen, wie er damit klar kommt.

Eishockey.com: Denken wir mal weiter. Wenn Ihr Engagement beim DEB beendet sein wird. Haben Sie eventuell Ambitionen sich im Trainerjob zu etablieren und auch einmal in der NHL oder Übersee zu arbeiten?

Krupp: Das Problem ist, dass immer wenn ich langfristig planen wollte, dann hat das nicht geklappt und es ist noch etwas dazwischen gekommen. Ich glaube, wenn man mich vor fünf Jahren gefragt hätte, ob ich einmal Nationaltrainer sein werde, dann hätte ich gesagt, du bist verrückt. Von daher würde ich nicht sagen, dass das nie der Fall sein könnte, aber auf der anderen Seite bin ich schon als Spieler 17 Jahre lang kreuz und quer durch Nordamerika geflogen und ich bin derzeit nicht sehr scharf darauf, das erneut zu machen.

Eishockey.com: Verfolgen Sie in Atlanta auch NHL live im Stadion?

Krupp: Ja natürlich. Besonders wenn unsere deutschen Jungs, wie Olaf Kölzig mit Washington, da sind, dann versuche ich immer hin zu gehen. Das ist auch einer der Vorteile, dass ich in Atlanta lebe. Aber meine Hauptinformationen bekomme ich durch das 'CenterIce Package' der NHL, wo rund um die Uhr NHL läuft und alle Spiele live im Fernsehen übertragen werden.

Eishockey.com: Wie sieht Ihr Fazit nach einem Jahr 'neue NHL' aus?

Krupp: Die neue Regelauslegung ist ein absoluter Vorteil für den Spielfluss. Talentierte Spieler haben nun die Möglichkeit sich mehr Torchancen zu erspielen. Doch ich sehe es im Gegenteil zu den Experten, die prophezeit hatten, dass Körpergröße kaum noch eine Rolle spielt und ab sofort alle Eishockeyspieler klein und gleich aussehen würden, anders. Für mich ist immer noch der effektivste Verteidiger, jener der physisch stark, eine große Reichweite hat, Schlittschuh laufen kann und schnell ist. Rob Blake ist zum Beispiel immer noch einer, den man in jeder Verteidigung haben möchte. Und auch im Sturm gehört ein groß gewachsener Joe Thornton zu den fünf Besten in der Welt. Von daher haben die Regeländerungen dem Charakter des Spieles nicht viel geschadet.

Eishockey.com: Hat sich der Lockout also insgesamt gelohnt?

Krupp: Für die Besitzer der Vereine hat es sich auf jeden Fall gelohnt. Aus Sicht der Spieler muss man erst einmal abwarten, wie sich der neue Tarifvertrag so entwickelt.

Eishockey.com: Wie sieht Ihr Fazit zur abgelaufenen Vorrunde in der NHL aus? Gab es Überraschungen aus Ihrer Sicht?

Krupp: Die Liga ist schon sehr ausgeglichen. Jene Mannschaften, die in der Vergangenheit aus finanziellen Gründen nicht so auf den Markt gehen und sich Topspieler leisten konnten, haben aufgeholt. Von daher hat sich das Niveau zwischen den Teams egalisiert. Meiner Meinung nach eine sehr positive Entwicklung in der Liga. Überraschend ist für mich, dass Detroit nach wie vor, trotz 'Salary Cap' und damit geänderten Voraussetzungen, ein Topteam und dass Colorado etwas schwächer ist. Die Playoffrunde wird aber äußerst spannend, denn die Leistungsunterschiede sind enger als je zuvor.

Eishockey.com: Haben Sie einen Favoriten für den Stanley Cup?

Krupp: Kein Favorit. Da lässt sich absolut nichts vorhersagen.

Eishockey.com: Herr Krupp, wir bedanken uns für dieses Gespräch und wünschen Ihnen für die Zukunft und vor allem die anstehende B-WM viel Glück.

Krupp: Vielen Dank, das werden wir brauchen.

(rp/sth)

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