NHL-Eishockeymagazin
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nr. 93 / feb. 2006 

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REPORT
 
Die Rangers schwelgten in der Vergangenheit

Die große Verabschiedung von Mark Messier in New York

von Robin Patzwaldt

Bereits seit September des Vorjahres war ein Termin in New York fest terminiert, den sich jeder Hockeyfan der Region groß in seinem Terminkalender notiert hatte: Am 12. Januar 2006 sollte vor dem Heimspiel der Rangers gegen die Edmonton Oilers die Rückennummer '11' des langjährigen Kapitäns des Teams, Mark Messier, feierlich unter das Hallendach gezogen werden und seine Rückennummer von diesem Tag an auf alle Zeiten vom Team nicht mehr vergeben werden, wie es in der NHL von jeher gute Tradition ist, sobald sich ein besonders altverdienter Spieler zur Ruhe setzt.
Messier sollte erst der insgesamt vierte Rangers-Spieler (nach Eddie Giacomin, Rod Gilbert und Mike Richter) werden dem diese Ehre zu Teil wurde. In Anbetracht von bereits über 900 Spielern welche für die Rangers bereits in der NHL aktiv waren eine besondere Auszeichnung für den Mann, den sie in New York schlicht 'The Captain' nennen.

Ein besonders willkommener Anlass also nach New York zu reisen, um über dieses Ereignis als Höhepunkt zu berichten. Zu diesem Zeitpunkt ahnte ich allerdings noch in keiner Weise, wie groß und spektakulär diese Ehrung von den Rangers wirklich gefeiert werden sollte. Ich dachte zunächst an eine kurze Zeremonie im Vorfeld eines ganz normalen NHL-Spiels.
Eine erste Vorahnung von der wahren Bedeutung dieses Tages für die Region und die Franchise erhielt ich bereits kurz nach der Anreise. Obwohl noch 10 Tage vor dem geplanten Highlight meiner Reise, bewarb das lokale Sportfernsehen 'MSG' quasi pausenlos den Termin. Jeden Tag wurden neben diversen Trailern die sportlichen Höhepunkte des Ex-Kapitäns in aller Ausführlichkeit gezeigt. An jedem Abend widmete man sich zudem besonders ausführlich den besten Spielen Messiers und wiederholte alte NHL-Schlachten der Jahre 1991-2004.

Eine nette Einstimmung, wenn man sich ohnehin wegen der NHL im Großraum New York befindet, dachte ich zunächst. Die Dominanz des Themas dort wurde nach ein paar Tagen allerdings leicht 'nervtötend'. Dieser Eindruck der besonderen Bedeutung verstärkte sich nach einem Gespräch mit Lynn White von der NHL: "Das wird eine ganz besondere Veranstaltung für New York und die NHL. Wir freuen uns schon sehr darauf. Es ist ganz bestimmt das Highlight des Jahres hier und die Berichterstattung darüber wird die NHL weiter beflügeln in dieser Region, gerade jetzt wo die New York Giants in der Footballiga NFL ausgeschieden sind."
Details der Planungen wollte einem allerdings niemand im Vorfeld mitteilen.

Am Tag vor dem Großereignis gab Messier für die übergroße Anzahl der diesmal registrierten Medienvertreter eine Pressekonferenz. Der sonst so hart und bestimmend wirkende Kanadier präsentierte sich dort allerdings von seiner gefühlvollen Seite. Überaus emotional und feierlich gestimmt brachte er kaum zwei Sätze heraus ohne gleich wieder in Tränen auszubrechen. Er war voll des Lobes für die Organisatoren und zog ein kurzes Fazit seiner aktiven Zeit bei den Rangers mit dem Höhepunkt des Titelgewinns von 1994.
In Anwesenheit seiner kompletten Familie präsentierte sich Mark anschliessend der Fotografenschar in Gegenwart aller von ihm jemals gewonnenen NHL-Trophäen, einschliesslich des Stanley Cups, der extra aus Toronto eingeflogen wurde. "Mir ist es gar nicht so recht das ich nun so sehr in den Mittelpunkt gestellt werde. Mir wäre es viel lieber wenn unser ganzes Team von 1994 geehrt würde. Wir waren damals ein toller Haufen und was wir damals alles miteinander durchgemacht und erreicht haben, das werde ich nie vergessen. Jedes Mal wenn ich von Morgen an das Banner mit meiner Rückennummer '11' im Hallendach des Gardens erblicken werde, dann werde ich mit Stolz an unser Team von damals denken.", erläuterte der zu Ehrende.
Was ihn am nächsten Tag bei den geplanten Feierlichkeiten allerdings genau erwarten würde wusste auch er dort noch nicht zu sagen.

Ein 'Rangers-Truck'.

Dementsprechend gespannt ging auch ich anschliessend den 12. Januar an. Bereits am Vormittag versammelten sich zahlreiche Rangersfans im Umfeld des Madison Square Gardens. An den seitlichen Fassaden der Arena prankten überdimensionale Poster des Ex-Kapitäns, die von einem Sponsor gestiftet wurden. Das Empire State Building, seit der Zerstörund des World Trade Centers im Jahre 2001 das höchste Gebäude der Stadt, erstrahlte an diesem Tag zu Ehren Messiers in blau-weiß und rot, den Farben der Rangers, nachdem es in den Tagen davor und auch danach schlicht weiß beleuchtet war.
Bereits gegen Mittag war das Stadtviertel um den 'Garden' von Rangers-Fans aus allen Landesteilen dominiert. Schwarzmarktpreise für Eintrittskarten erreichten für das Heimspiel gegen die Oilers ungeahnte Höhen. Unter US$ 500,- pro Ticket ging nichts mehr.

Die Liveübertragung des Lokalfernsehens begann bereits über eine Stunde vor Beginn der geplanten Zeromonie. Auch hier wurden noch einmal alte Weggefährten Messiers befragt, langgediente Reporterkollegen gaben ihre Einschätzungen und Lobeshymnen zu Gunsten des Jubilars ab und Karrierehighlights wurden eingespielt. Nur vom anschliessenden Spiel gegen die Edmonton Oilers, dem Team bei dem Messier vor seiner Zeit bei den Rangers aktiv war und mit dem er fünf weitere NHL-Titel gewinnen konnte, sprach in dieser Nacht ausnahmsweise niemand. Alle Interessen waren den Feierlichkeiten untergeordnet.

Die Stanley Cup Gewinner von 1994 vereint.

Für die aktuellen Mannschaften der Rangers und der Oilers und deren Trainer keine besonders angenehme Tatsache, denn schliesslich gab es auch für diese Begegnung zwei Punkte, die gerade auch die Rangers bei ihrem Kampf um die seit Jahren nicht mehr gelungene Playoffqualifikation gut würden gebrauchen können.
Doch auch die aktuellen Spieler wurden im Vorfeld nur zu einem Thema befragt, und das hiess MESSIER. Jaromir Jagr von den Rangers sah das auch entsprechend skeptisch: "Das ist unglaublich schwer. Du kommst zum Warmmachen raus und musst dann anschliessend für lange Zeit die Spannung und Konzentration halten. Und wenn es dann losgehen soll dann kannst du dich nur noch einmal kurz dehnen und dann geht es los. Da sind dann die ersten Spielminuten besonders schwer."

Zum ersten Mal seit Urzeiten war der MSG an diesem Abend wirklich bis auf den letzten Platz gefüllt. Die Anwesenden fabrizierten bei der Ankündigung der Nummer '11' einen Lärmpegel wie er sonst in der NHL höchstens zu einem Stanley-Cup-Finale erreicht wird und wie ihn wohl auch New York seit 1994 nicht mehr erreicht hat.
Zu Ehren des Ex-Kapitäns versammelten sich unzählige Prominente, darunter quasi das komplette Rangers-Team von 1994, auf der extra mit roten Teppichen ausgelegten Eisfläche. Brian Leetch liess sich entschuldigen, wurde aber per Videoschalte zugeschaltet. Seine lobenden Worte begleiteten die Fans im MSG mit "Bring him home"-Sprechchören, wohl in Erwartung die Verantwortlichen der Rangers-Organisation könnten Leetch von den Boston Bruins zurückverpflichten, nachdem der langjährige Begleiter Messiers die Blueshirts im Frühjahr 2004, und dem erneuten Verpassen der Playoffs, verlassen musste.

Die Nummer '11' kommt unter das Hallendach.

Höhepunkte der über einstündigen Ehrung, mit Livemusik und zahlreichen Geschenküberreichungen für den Jubilar vor dem Spiel war neben des Hochziehens des Banners mit der '11' die Ansprachen der ehemaligen Teamkameraden Adam Graves und Mike Richter, der in einer ähnlichen Zeremonie im Jahre 2004 geehrt wurde. Beide rührten den Jubilär erneut zu Tränen, doch im Gegensatz zur Pressekonferenz am Vortag präsentierte sich der Geehrte diesmal noch ziemlich standfest und war anschliessend auch relativ gefasst in der Lage selber ein paar Worte an die über 18.000 vor Ort Anwesenden zu richten.
Er verlass einen offenen Brief den er im Vorfeld, wohl bereits in Erwartung eines größeren Emotionsschubes verfasst hatte, und der auch in der Festzeitschrift, die extra zu diesem Anlass veröffentlicht wurde, abgedruckt war. Die Anwesenden nahmen seinen Appell an die Gemeinschaft der Rangers begeistert auf und die Rangers-Fans feierte sich und ihre Franchise minutenlang selbst.

Erstaunlich für den Aussenstehenden blieb allerdings die Tatsache das sich das Gedenken nahezu ausnahmslos auf den Titelgewinn von 1994 beschränkte. Kaum ein Wort fand man über Messiers Zeit in Edmonton zuvor, die sportlich eigentlich wesentlich erfolgreicher verlief, oder auch die zahlreichen weniger erfolgreichen Jahre gegen Ende seiner Laufbahn bei den Rangers.
Zu gerne erinnerte man sich in New York scheinbar an diesen Cupgewinn nach einer Durststrecke von 54 Jahren und der damals damit verbundenden Erleichterung. Ein Titelgewinn der nun allerdings auch bereits schon wieder 12 Jahre zurückliegt.

Nach Beendigung seiner Ansprache durfte 'Mess', wie ihn die Fans liebevoll nennen, noch einmal den auf dem Eis stehenden Stanley-Cup stemmen und unter dem begeisterten Jubel der Anwesenden minutenlang durch die Halle tragen. Bei der anschliessenden Bannerzeromonie, zu der Mark seinen kleinen Sohn auf dem Arm hatte, verlor der Jubilar dann erneut die Fassung. Tränenüberströmt verfolgte er die Sekunden bis das Banner an seinem Platz hing.
Und mit seinen Tränen war er nicht allein. Zahlreiche Anhänger taten es ihm gleich und liessen ihren Emotionen freien Lauf.

Der anschliessend erforderliche harte Schnitt gelang nur teilweise. Die Eisfläche musste geräumt werden und das Spiel der Rangers gegen die Oilers begann mit etwas über einstündiger Verspätung. Den etwas glücklichen 5-4 Erfolg des Heimteams sahen dann auch nicht mehr alle Eintrittskarteninhaber.
Es scheint einem als Beobachter unverständlich, aber ca. 2000 "Fans" hatten die Halle nach Ende der Zeremonie direkt wieder verlassen. Auch der Lärmpegel in der Halle normalisierte sich rasch wieder auf das in der NHL übliche Lärmniveau.

Messier verfolgte noch das erste Drittel in der Halle, bevor auch er bereits den Innenraum der Arena verliess. Seine Entschuldigung war allerdings völlig nachvollziehbar, denn für ihn stand der Medienmarathon an, den es mit zahreichen Fernsehauftritten und Interviewanfragen zu bewältigen galt. (rp)

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