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nr.93 / jan. 2006 

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INTERVIEW
 
"Es war ein richtiger Schock!"
Interview mit Marco Sturm
von Bernd Rösch


Gerade in den letzten Wochen wurde wieder eindrucksvoll deutlich wie hart das Geschäft in der National Hockey League ist und dass es da kaum Platz für Gefühle und Rücksichtnahme auf die persönlichen Belange eines Spielers gibt.
Der Spagat zwischen sportlichen und ökonomischen Erfolg einer NHL-Franchise lassen deren Manager zu manchmal ganz harten Konsequenzen greifen.

Teils verständlich für Außenstehende, wie bei Alexander Mogilny, der einerseits aufgrund mangelnder Einstellung von den New Jersey Devils aus dem Kader geschasst wurde, andererseits um den 'Salary Cap' zu entlasten, da Patrik Elias nach seiner Hepatitis A Erkrankung wieder zur Verfügung stand. In diesem Fall trug Mogilny selbst eine gewisse Mitschuld daran, dass er sich jetzt in der AHL und auf der 'NHL Waiver List' befindet. Er konnte nicht zwingend erwarten, dass das Management und die sportliche Leitung der Devils Rücksicht darauf nimmt, warum er sich außer Form befindet.

Mehr Fingerspitzengefühl hätte man aber von den Tampa Bay Lightning erwarten können, bevor sie sich vergangene Woche entschieden, ihrem Teamkapitän Dave Andreychuk völlig überraschend aus dem Kader zu nehmen.
Der 42-jährige NHL-Veteran hatte in den letzten vier Jahren maßgeblichen Anteil daran, dass sich die Franchise aus Florida vom Punktelieferanten zu einem Spitzenteam der Eastern Conference entwickelte. Auch durch seine Führungsqualitäten auf und neben dem Eis war es den Lightning möglich in 2004 den Stanley Cup zu gewinnen. Der Behauptung von Headcoach John Tortorella, dass die Trennung mehr oder weniger im gemeinsamen Einverständnis geschah, widersprach Dave Andreychuk bei seiner eigens hierzu einberufenen Pressekonferenz.

'Business as usual' schien dagegen der Trade zwischen den San Jose Sharks und Boston Bruins, der u.a. auch Deutschlands besten Eishockeyspieler Marco Sturm traf. Ich hatte Anfang Januar Gelegenheit Marco Sturm telefonisch einige Fragen zu diesem Thema und wie es ihm in seiner neuen 'Heimat' ergeht zu stellen.

eishockey.com: Hallo Marco, ich hoffe Dir geht es recht gut. Hast Du Dich jetzt, einen Monat nach Deinem Wechsel, in Boston schon eingelebt?

Marco Sturm: Danke für die Nachfrage, ich bin in Ordnung. Es ist schon noch ungewohnt hier in Boston. Boston ist halt eine Großstadt. Es geht hier viel hektischer und lauter zu als in San Jose.

eishockey.com: Wie läuft der Prozess eines solchen Trades eigentlich ab? Hattest Du schon Vorahnungen oder traf Dich die Nachricht wie aus heiterem Himmel?

Marco Sturm: Nein, ich hatte keinerlei Vorahnung. Der Trade war vollkommen geheim gehalten. Das war ein richtiger Schock, schließlich bin ich schon acht Jahre bei den Sharks gewesen. Wir waren gerade auf Auswärtstour in Dallas, als ich davon erfuhr. Im ersten Moment ist man wie vor dem Kopf gestossen, dann gehen einem viele Gedanken durch den Kopf. Es war mir aber eine Hilfe, dass auch noch zwei weitere Teamkollegen betroffen waren, so konnten wir im Hotel darüber sprechen und uns austauschen.

eishockey.com: Was sagst Du generell über das Wechselsystem im US-Sport?

Marco Sturm: Wenn man sich darauf einlässt in der NHL zu spielen dann kennt man ja das System. Dazu ist man Profi genug. Wenn es dann einen aber selbst trifft, dann ist das schon ein eigenartiges Gefühl.

eishockey.com: Fühlt man sich im Nachhinein geehrt, wenn man für Joe Thornton eingetauscht wird

Marco Sturm: (lacht) Nein, um Gottes Willen. An den eigenen Marktwert denkt man da nicht. Es war aber sicherlich kein normaler 'Trade'. Joe Thornton zählt immerhin zu den besten Spielern der Liga und der Wechsel gab große Schlagzeilen.

eishockey.com: Was wirst Du an San Jose am meisten vermissen? Ist Deine Familie noch in Kalifornien?

Marco Sturm: Meine Familie ist über Weihnachten auch nach Boston umgezogen. Das war mir selbstverständlich sehr wichtig. Wir leben jetzt mitten in der Stadt. Unser Haus in San Jose haben wir geräumt. Das Leben ist in San Jose viel ruhiger. Man konnte gut relaxen und auch das schönere Wetter hatte natürlich etwas für sich.

eishockey.com: Wo liegt der Hauptunterschied zwischen Boston und San Jose?

Marco Sturm: Boston ist ja eine Sportstadt. Hier hat auch Eishockey einen viel größeren Stellenwert. Man erlebt Eishockey viel intensiver. Auch die Fans sind fachlich viel versierter als in Kalifornien. Hier in Boston ist es fast schon wie in Kanada.

eishockey.com: Sportlich lief es bei Dir persönlich in dieser Saison ganz gut, doch der mannschaftliche Erfolg war weder in San Jose befriedigend noch hat er sich bei Deinem jetzigen Team, den Boston Bruins, eingestellt. Werden die Bruins die Playoffs noch schaffen?

Marco Sturm: Es stimmt mit meiner Leistung bin ich ganz zufrieden. Auch in Bezug auf die Playoffs bin ich zuversichtlich. Eine Playoffteilnahme ist unser Hauptziel. Nach anfänglichen Schwierigkeiten, durch den Trade musste auch am Spielsystem gearbeitet werden und wir mussten erst integriert werden. Aber wir sind auf einem guten Weg und zu einem Playoffplatz fehlen uns sieben oder acht Punkte. Die können wir noch aufholen. Es ist ja erst die Hälfte der Saison gespielt. (Anm der Red. Das Interview wurde am 6.1. vor den letzten drei Heimniederlagen der Bruins geführt)

eishockey.com: Was hälst Du von dem neuen Bundestrainer der Deutschen Nationalmannschaft, Uwe Krupp?

Marco Sturm: Uwe Krupp ist ein Super Typ. Wir telefonieren sehr häufig miteinander und verstehen uns sehr gut. Auch von seiner Weise zu trainieren bin ich sehr angetan.

eishockey.com: Vielen Dank dafür, dass Du Dir die Zeit für das Gespräch genommen hast. Zum Abschluss noch eine Frage bezüglich der Olympischen Winterspiele in Turin. Wie siehst Du eure Chancen dort?

Marco Sturm: Wir sind solche krassen Außenseiter, so dass wir unbefreit aufspielen können. Unser erstes Ziel ist das Erreichen der Zwischenrunde. Dort müssen wir dann schauen, dass wir für einige Überraschungen sorgen können. Zu verlieren haben wir eigentlich nichts. (br)

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