NHL-Eishockeymagazin
 berichte - hintergrund

>> Titelseite

>> Berichte
>> aktuell
>> hintergrund

>> Vereine

>> Fanspiele

>> Service

>> Statistik

>> Gerüchte

nr. 92 / dez. 2005 

ANZEIGE

ZWIEGESPRÄCH
 
Pfiffe gegen Bertuzzi - Zwei Meinungen

von Sofie Rhoads und Bernd Rösch

Noch immer steht Todd Bertuzzi im Kreuzfeuer der Kritik. Seine noch gelinde ausgedrückt dumme Aktion gegen Steve Moore liegt nun schon über 1 1/2 Jahre zurück, doch sie lässt ihn nicht los. Tagtäglich wird der 30-jährige Rechtsaußen der Vancouver Canucks damit noch konfrontiert, sei es durch Medienvertreter, die ihn daraufhin ansprechen oder durch die Pfiffe der Fans sobald er bei den Auswärtspartien der Canucks an den Puck kommt. Inwieweit diese Aktionen gerechtfertigt sind dazu haben Sofie Rhoads und Bernd Rösch unterschiedliche Meinungen und Sichtweisen. Machen Sie sich selbst ihr eigenes Bild hierzu.
"Milde Strafe rechtfertigt die Pfiffe"
Sofie Rhoads

Über Todd Bertuzzi wird sowohl in den nordamerikanischen Medien, wie auch unter den NHL-Fans noch viel diskutiert. War seine Suspendierung vom Spielbetrieb richtig? Ist sie zu lang oder sogar zu kurz ausgefallen? Hätte er ins Gefängnis gehen müssen?

Der Gesprächsstoff über den Stürmer geht nicht aus und da hilft es ihm bisher auch nichts, dass er die in ihn gesetzten sportlichen Erwartungen in dieser Spielzeit bisher nicht erfüllen kann.
Bertuzzi darf in dieser Saison, verurteilt mit einjähriger Bewährung, Ableistung von 80 Stunden sozialem Dienst und mit einer Geldstrafe von 500.000 US$ belegt, wieder in der NHL mitwirken. Jeden Abend wird er durch die Liga hindurch mit den Pfiffen der gegnerischen Fans konfrontiert.

Als ich am 15. Dezember im Wachovia Center bei der Begegnung mit den Philadelphia Flyers war, konnte ich dies mit eigenen Augen sehen und ich habe mich gefragt: "War das Strafmaß der Liga angemessen und wie lange soll Bertuzzi für seine Aktion in fremden Stadien noch ausgepfiffen werden?" Ich denke, dass die NHL an Bertuzzi ein Exempel hätte statuieren sollen!

Die ursächlichen Fakten sind folgende: Der Check Moores gegen Vancouvers Kapitän Markus Naslund war noch regelkonform. Zwar nicht die feine Art aber Moore wurde weder während der Partie noch später dafür bestraft.
Im Nachinein war es sicherlich auch von großer Bedeutung, dass in den Medien häufig von Vergeltung für die Verletzung von Naslund gesprochen wurde. Ich glaube zwar nicht, dass Bertuzzi diese geplant hatte aber die Rache kam.

Die Aktion von Bertuzzi ist nicht die einzige spontane Gewalt in der Geschichte der Liga und es wird auch nicht die letzte gewesen sein. Dieser Fall war aber ein besonderer, denn sie ging von einem Superstar aus und ein Star ist niemals nur seine eigene Person, er ist auch ein Vorbild. Sein Gesicht repräsentiert die Liga und das Spiel. Wenn ein Topspieler sich zu solch einer Aktion hinreißen lässt, dann schadet es der NHL und dem Eishockeysport. Eishockey ist nur noch die viertpopulärste Sportart in Nordamerika, solche negative Schlagzeilen kann sich der Sport nicht mehr leisten.

Es ist doch klar, dass sich weltweit hunderte von Kolumnisten auf solche 'grausamen' Taten wie die Geier stürzen und über ein erschreckend gewalttätiges Spiel berichten, das sie sonst nie anschauen. Eine solche negative Berichterstattung und Kommentare kann die Liga nicht gebrauchen nur weil ein Spieler einen Moment seine Taten nicht durchdacht hatte.

So leicht darf sich Bertuzzi nicht von den Konsequenzen davonschleichen. Er hat Moore seine NHL-Karriere gestohlen, das können auch Tränen vor laufenden Kameras und Entschuldigungen nie wieder gut machen.

Deshalb habe auch ich wie viele andere gepfiffen, jedes Mal wenn er an den Puck kam. Wenn die Liga kein Exempel statuiert, dann mache ich mein Eigenes. (sr)

"Bertuzzi als Exempel"
Bernd Rösch

Keine Frage, Todd Bertuzzi hatte die Grenze des von der NHL zu Duldenden deutlich überschritten, sein Tun musste zu Konsequenzen führen, die über das normale Strafmaß der Liga hinausgehen. Ich bin jedoch der Meinung, dass an ihm ganz besonders ein Exempel statuiert wurde. Er musste zu Genüge für sein Tun büßen.
Sowohl in sportlicher Sicht, er wurde vom Internationalen Eishockeyverband ebenso gesperrt und bekam während des NHL-Lockouts nicht die Chance sich in echten Wettbewerben, sei es bei einem europäischen Verein oder bei der Eishockeyweltmeisterschaft zu messen, wie auch in finanzieller Sicht. Die US$500.000 Strafe zusammen mit den Gehaltseinbußen ergeben mehrere Millionen, die Bertuzzi für sein Vergehen bezahlte.

Ist es da ein Widerspruch, dass ich sogar glaube, dass sein Racheakt gegenüber Moore wohl überlegt war und kein plötzlicher Aussetzer. Bertuzzi hatte schon vor der eigentlichen Aktion Colorados Stürmer provoziert und ihn zu einem 'Fight' herausgefordert. Dieser war jedoch ausgewichen. Was Bertuzzi nicht einschätzen konnte, das waren die gesundheitlichen Folgen seines Kontrahenten und diese rechtfertigten auch die sehr hohen Strafen. Ihn dafür als DEN bösen Spieler der Liga hinzustellen ist jedoch falsch.

Was mir missfällt ist die Tatsache, dass sowohl die Liga, als auch die Fans, jene von den Canucks sind hier ausgenommen, da es sich ja um einen ihrer Spieler handelt, mit zweierlei Maß messen. Einerseits toleriert die NHL Faustkämpfe der 'Tough Guys' bei denen sich die Kontrahenten prügeln bis Blut fließt, die Schiedsrichter erst eingreifen sobald einer auf dem Eis liegt, anschließend die Protagonisten für fünf Minuten auf die Strafbank schicken und diese danach wieder mitwirken dürfen. Andererseits reagiert sie erst hart sobald Schlimmeres wie im Fall Moore geschieht.

Schaut man sich Bertuzzis Angriff von hinten in der Zeitlupe genauer an, stellt man fest, dass er keineswegs mit seinem ganzen Körpergewicht wohlgewollt auf den wehrlosen Moore springt, sondern sein Fall durch den Eishockeyschläger, der unter den Schlittschuh gerät, verursacht wird. Die Folgen Schädelbasisbruch, Bewußtlosigkeit usw. hätte kein Eishockeyspieler der Welt voraussehen können, anders wie z.B. bei einem Stockschlag gegen den Kopf eines Gegners.

Zum Verhalten der Fans ist zu sagen: Es ist doch unbestritten, dass diese besonders das körperbetonte Spiel lieben. Die meiste Stimmung kommt in den Arenen auf, wenn sich zwei Spieler in die Haare geraten. Unfaires Spiel, dazu gehören zweifelsfrei Boxeinlagen, dient dazu den Unterhaltungswert einer Partie zu steigern. Ich bezweifle, dass alle Fans die Bertuzzi auspfeifen, Gegner solcher Einlagen sind.

Eine Minderheit davon wird sich dabei bewusst solch intelligente Gedanken wie Sofie Rhoads auch über die Folgen für Steve Moore machen. Hinzu kommt, dass Bertuzzi aufgrund seiner Spielweise schon seine ganze NHL-Karriere lang zu jenen Spielern gehört hat, die man nur 'liebt' so sie auch im Kader der eigenen Mannschaft stehen. (br)

ANZEIGE

 

(C) eishockey.com, Sports Media & Entertainment GmbH