NHL-Eishockeymagazin
 berichte - hintergrund

>> Titelseite

>> Berichte
>> aktuell
>> hintergrund

>> Vereine

>> Fanspiele

>> Service

>> Statistik

>> Gerüchte

ANZEIGE

nr. 89 / sep. 2005 

ANZEIGE

ESSAY
 
NHL-Euphorie in Canada neu entbrannt

von Bernd Rösch

Vorfreude ist die schönste Freude! Wer hätte das während des letzten Jahres gedacht. Der einjährige Lockout scheint der NHL zumindest im Heimatland des Eishockeys keinen Imageschaden zugefügt zu haben.

Noch nie wurde eine neue Saison von den kanadischen Eishockeyfans so herbei gesehnt wie in diesem Sommer. Vergessen scheint das traurige Schauspiel, das sich von Juli 2004 bis März 2005, als es zur endgültigen Saisonabsage kam, zwischen der Spielergewerkschaft NHLPA und Ligenleitung abgespielt hat. Die NHL wurde schon totgesagt - doch Totgesagte leben länger. Verstummt ist die Mehrzahl der kritischen Stimmen in den kanadischen Metropolen und Provinzen, welche die Spieler als 'Abzocker' und 'geldgierig' abkanzelten. Unisono herrscht unter den Fans eine große Freude darüber, dass es bald wieder auf dem Eis losgehen wird.

Erlebt die NHL durch das Agreement mit der NHLPA, welches eine solide finanzielle Basis für die Franchisenehmer darstellt, zumindest in Canada einen neuen Boom? Fast hat es den Anschein und die sechs kanadischen Teams geben ihr Bestes, damit die positive Stimmung erhalten bleibt. Schon lange ist es her, dass man die sechs Mannschaften aus Toronto, Montreal, Ottawa, Calgary, Edmonton und Vancouver zu den Titelaspiranten oder zumindest als Geheimfavoriten bezeichnen konnte. Der 'Salary-Cap' erlaubt es selbst den finanzschwächeren kanadischen Teams, wie Edmonton, einen konkurrenzfähigen Kader aufzubauen und sie nutzen diese Zeichen der Zeit.

Die Calgary Flames, der Überaschungsfinalist in 2004 verpflichtet Philadelphias Rechtsaußen Tony Amonte sowie Verteidiger Roman Hamrlik von den NY Islanders, können es sich sogar erlauben ihren Topscorer Jarome Iginla mit einem Jahressalär von US$ 7 Millionen langfristig an sich zu binden. Überschwenglich optimistisch reagiert darauf die zahlreiche Anhängerschar der Flames. Man könnte fast den Eindruck bekommen, als wären die Westkanadier für das Stanley Cup Finale im kommenden Frühjahr bereits gesetzt. Aus Sicht des Managements ist es jetzt aber noch nicht an der Zeit auf die Euphoriebremse zu drücken - vor der Saison gilt es möglichst viele Tickets abzusetzen. Eine Aufgabe, die Rollie Cyr, dem für den Verkauf zuständigen Manager nicht schwer fällt: "Die Nachfrage nach unseren 'Game Packs' war so groß, dass wir uns entschieden sie zu verlosen." Es werden wohl alle 41 Heimspiele noch bevor die Saison am 5. Oktober beginnt ausverkauft sein.

Jarome Iginla (Mitte) bei einer Benefizveranstaltung im Gespräch mit Neu-Oiler Chris Pronger und dessen Teamkollegen Ryan Smyth.

Den gleichen Weg, nämlich mit namhaften Akteuren, die Eishockey-Euphorie in ihrer Heimatstadt anzuschüren, gehen die Edmonton Oilers. Sie entschieden sich dafür Verteidiger Chris Pronger von den St. Louis Blues und Center Michael Peca von den New York Islanders loszueisen. Desweiteren wird noch der Versuch unternommen, dass die 'NHL-Legende' Mark Messier an jener Stelle, nämlich im Norden Albertas, bei jenem Team bei dem er vor 26 Jahren seine herausragende Karriere begann, diese auch beenden kann.
Die Folge daraus ist, dass jenes am 16. September im Rexall Place statt findende Vorbereitungsspiel zwischen den Edmonton Oilers und Calgary Flames fast ausverkauft ist - wohlgemerkt es handelt sich nur um ein 'Preseason-Game'. Die Oilers haben schon jetzt über 13.000 Dauerkarten verkauft, Zahlen von denen sie vor einigen Jahren nur geträumt haben.

Den 'Aufschwung Canada-West' komplettieren noch die Vancouver Canucks - jedoch mit einer anderen Strategie. Sportlich setzen sie auf Konstanz. Seit drei Jahren in der Northwest Division ganz oben mitspielend, versucht das Management trotz eingeführter Gehaltsobergrenze die Mannschaft so gut wie möglich beisammen zu halten und nicht zu vermeidende Abgänge, wie den von '+/- Ligenprimus' Marek Malik weitgehend zu kompensieren. Weitere Leistungsträger konnten gehalten werden. Die komplette erste Sturmformation mit Markus Naslund, dem 'begnadigten' (und begnadeten) Todd Bertuzzi und Brendan Morrison wird auch kommende Saison auf Torejagd gehen. Weiterhin wird die 'Schweden-Connection' Henrik und Daniel Sedin sowie die Verteidiger Matthias Ohlund und Sami Salo das Trikot mit dem Orca Wal überziehen. Als sinnvolle Ergänzungen könnten sich Center Anson Carter, zuletzt Los Angeles Kings, Rechtsaußen Richard Park vom Northwest Division Konkurrent Minnesota und Defensivkraft Steve McCarthy von den Chicago Blackhawks kommend, herauskristallisieren. So ist es kaum verwunderlich, dass die Canucks kaum Probleme haben ihre Eintrittskarten an den Mann und Frau zu bringen. Schon zuvor hatte das Management ein Zeichen gesetzt indem es die Ticketpreise konstant hielt und ein Viertel aller Heimpartien als 'Family Games' kennzeichnete, bei denen eine vierköpfige Familie für nur Can$ 98,- die Canucks live erleben kann.

Den bisher spektakulärsten 'Trade' des Sommers konnten die Ottawa Senators vermelden und brachten sich damit in die (vorverkaufsfördernden) Schlagzeilen. Jungstar Danny Heatley von den Atlanta Thrashers soll kommende Saison in der kanadischen Hauptstadt auf Torejagd gehen und die Fans ins Corel Centre locken. Desweiteren entschieden sich die Senators ihre Ticketpreise um 5% zu kürzen und jedem Käufer einer Dauerkarte als Bonus ein handsigniertes Spielerjersey beizulegen. Das Management zeigt sich zuversichtlich, dass die Kapazitätsgrenze ihrer Arena auch nach dem 'Lockout' annähernd erreicht wird. Vor allem da davon auszugehen ist, dass die Senators auch in der kommenden Spielzeit stark genug sein sollten um die Divisionsmeisterschaft im Nordosten mitzukämpfen.

Den Ticketabsatz zu fördern, das haben die beiden kanadischen 'Original Six' Teams aus Toronto und Montreal kaum nötig. Seit Beginn des letzten Jahrhunderts sind die Montreal Canadiens und Toronto Maple Leafs eine Institution in ihrer Heimat - unabhängig vom sportlichen Erfolg. Ihre Fans mit hohem Anspruchsdenken kommen auch dann in Scharen, wenn es nicht gut läuft und sei es auch nur um sich über das Team aufzuregen. Dennoch senkten auch die Maple Leafs ihre Eintrittspreise um fünf Prozent. Dies ist eher eine Geste der Versöhnung an ihre Anhänger als eine verkaufsfördernde Aktion bei einem sehr hohen Ticketpreis von Can$ 35,- in der billigsten Kategorie.

Zusammenfassend lässt sich erkennen, dass die kanadischen NHL-Franchises ihre Hausaufgaben erledigt und das ihnen Mögliche unternommen haben, um ihren Fans eine faszinierende, unterhaltsame und sportlich erfolgreiche Saison 2005/06 zu präsentieren. Der Puck darf nun endlich fallen. (br)

 

(C) eishockey.com, Sports Media & Entertainment GmbH