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nr. 89 / sep. 2005 

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ERZÄHLUNG

Der 'alte' Mann und seine Mission - Der Stanley Cup Gewinn des Ray Bourque

von Robin Patzwaldt

Endlich geschafft!

Für Verteidigerveteran Ray Bourque dauerte es 22 Jahre bis sich sein Traum vom Gewinn des Stanley Cups im Jahre 2001 endlich erfüllen sollte.
Es war unbestritten ein Highlight in der Geschichte des Cups, eine der von vielen Hockeyfans bis heute am emotionalsten und bewegendsten empfundenen Geschichten des US-Sports.

Die Mission des Mannes begann spätestens im Mai 2000: Auf dem Flug einer Maschine von Dallas nach Denver schwor sich eine Gruppe junger, zu diesem Zeitpunkt etwas verärgerter Männer auf ein gemeinsames Ziel ein.
Bereits zum zweiten Mal in Folge hatte ihr Hockeyteam ein entscheidendes siebtes Spiel bei einem ihrer größten Konkurrenten verloren. Mit Hohn und Spott waren Sie dort verabschiedet worden. Das sollte ihnen in Zukunft möglichst erspart bleiben, da waren sie sich alle einig.
Wiederholt waren die Dallas Stars für die Colorado Avalanche auf ihrem Weg zum Stanley Cup im Western Conference Finale die vorzeitige Endstation. Das entscheidende Spiel fand für die Truppe aus Denver dabei jeweils auswärts in Dallas statt. Ray Bourque und seine Teamkollegen nahmen sich ganz fest vor, dass das nicht mehr passieren solle. In Zukunft wolle man zumindest das Heimrecht in einem entscheidenden Spiel haben, um so mit der Unterstützung der eigenen Fans den großen Schritt zu schaffen und in die Finalserie um den Stanley Cup vorzudringen.
Für Bourque war der kommende Versuch zudem vielleicht der letzte Anlauf auf den Cupgewinn, seinen großen Traum, für den er im Jahr zuvor extra seine langjährige Heimat Boston verlassen hatte, da er annahm mit dem Titelanwärter aus Colorado bessere Titelchancen zu haben.

Die Mission 'One team, one goal' (Eine Mannschaft, ein Ziel), war nun geboren und die Truppe von Trainer Bob Hartley setzte das Ziel konsequent um.
Zum Ende der Hinrunde, in der sich die 'Avs' kaum Aussetzer leisteten und nur einmal mehr als zwei Spiele am Stück verloren, belegte die Mannschaft als punktbestes NHL-Team, mit 118 Punkten, den Platz an der Sonne und sicherte sich so den längstmöglichen Heimvorteil.
Egal in welcher Runde der Playoffs, kein einziges Spiel Sieben wäre diesmal auswärts zu bestreiten! Das erste wichtige Etappenziel auf dem Weg zum ganz großen Triumph war also erreicht.

Ray Bourque selbst war es, welcher der Mission in den Playoffs dann ihren neuen Namen verlieh, indem er eines Morgens unmittelbar vor Playoffbeginn zum Training erschien und eine schwarze Kappe mit der Aufschrift 'Mission 16-W' trug, in Anlehnung an die 16 Siege (wins), die es braucht um am Ende der Playoffs den Cup in die Höhe stemmen zu können. Unter diesem Namen sollte das Unternehmen schließlich in die Geschichtsbücher der NHL eingehen.

Das Team marschierte weiter: Die Playoffgegner aus Vancouver (4-0 Siege in der Serie), Los Angeles (4-3 Siege) und St. Louis (4-1 Siege) konnten die Avs auf ihrem Weg nicht aufhalten. Gegen die Kings aus Los Angeles benötigte die 'Lawine' im Conference-Halbfinale erstmals den erkämpften Heimvorteil von Spiel 7. Erschwert wurde die Mission jedoch anschließend vom verletzungsbedingten Ausfall von Starcenter Peter Forsberg, der in dieser Partie gegen die Kings einen Milzriss erlitt und in den restlichen Begegnungen passen musste.

Im Stanley Cup-Finale des Jahres 2001 wartete anschließend mit dem Titelverteidiger aus New Jersey ein ganz besonders dicker Brocken auf Ray Bourque und seine Mitstreiter. Zudem bekam die 'Mission 16-W' jetzt noch einen doppeldeutigen Namen, heißt die Autobahnausfahrt in New Jersey an der das dortige Stadion liegt doch ebenfalls '16-W'. Eine Tatsache die damals in den Medien für viele Wortspiele herhalten musste.

Nach einer Pleite in Spiel 5 des Finales war der so wichtige Heimvorteil für den Champion aus dem Westen bereits scheinbar verspielt. Es drohte kurzfristig das Scheitern der Mission in New Jersey.
Den Devils hätte ein weiterer Heimsieg bereits zur Titelverteidigung gereicht, doch das Team aus Colorado fand noch einmal den Weg zurück. Den Devils wurde die vorzeitig verbreitete Feierstimmung, viele hatten sich bereits auf eine Titelverteidigung eingestellt, noch einmal gründlich verdorben. Durch einen fast nicht mehr für möglich gehaltenen 4-0 Sieg in Spiel 6 in East Rutherford, erzwang das Gastteam das alles entscheidende siebte Spiel in eigener Halle. Nun hatte die Mannschaft aus dem Westen also doch noch den Matchball in eigener Halle, so wie man sich das ein Jahr zuvor im Flieger vorgenommen hatte.

Die Mission sollte gelingen! Durch einen 3:1-Erfolg, frenetisch unterstützt von den eigenen Anhängern, krönten die Jungs die Mission 16-W. Die Avalanche konnten so als erstes Team seit den Montreal Canadiens im Jahre 1971 einen 2-3 Serienrückstand in einem Cup-Finale noch einmal in einen eigenen Erfolg drehen und den Titel gewinnen.

21(!) Spielzeiten bestritt Bourque bei den Bruins

Nach dem Ertönen der Schlusssirene gab es für viele Beteiligte und Fans nur noch ein Thema: Ray Bourque!
Der Veteran, der zuvor in all seinen Jahren mit Boston zwei Finalserien verloren hatte war fast sprachlos: "Ich konnte die letzten 30 Sekunden des Spiels gar nicht mehr richtig atmen. Nicht weil ich so fertig war, ich musste einfach verzweifelt versuchen die Tränen zurückzuhalten. Ich war doch noch auf dem Eis und musste zum Bully. Ich habe fast nichts mehr gesehen, und dabei musste ich doch konzentriert bleiben. Das waren die längsten Sekunden meines Lebens!"

Goalie Patrick Roy, der sich nach einigen Aussetzern in den Playoffs trotzdem die Conn Smythe-Trophy, als wertvollster Spieler, sichern konnte, stelle Bourque ebenso in den Mittelpunkt: "Das Highlight ist der Cup für Ray, keine Frage. Alleine die Aufregung in seinen Augen zu sehen, das ging mir näher als mein Gewinn der Smyth-Trophy."

Auch Teamkapitän Joe Sakic schloss sich dem an: "Ich habe Ray schon am ersten Tag im Trainingscamp vor der Saison versprochen, dass wir ihm den Cup gewinnen, und er die Trophäe am Ende der Saison endlich selber auch einmal wird hochstemmen können. Das jetzt hier tatsächlich zu erleben ist fantastisch!"

"Wir waren alle auf einer ganz besonderen Mission dieses Mal. Jeder wollte den Cup haben und natürlich wollte ihn auch jeder ein bisschen für Ray holen", ergänzte Coach Hartley stolz.

Bourque selber fasste die Emotionen zusammen: "Als Joe Sakic nach Spiel 6 in New Jersey zu mir kam und mit mir über das Stemmen des Cups sprechen wollte, da habe ich ihn schnell abgewürgt. Ich wollte mir das gar nicht so genau ausmalen. Aber jetzt ist es doch fantastisch gewesen. Ein unvergesslicher Moment, den ich zum Glück mit meiner Familie hier in der Halle gemeinsam erleben durfte!"

Ray Bourque wird in die Hockey Hall of Fame aufgenommen

250.000 Fans feierten ihre Helden beim traditionellen Umzug durch die Metropole des Siegers. Der Rathausempfang war schlicht ein Triumphzug durch die 'Mile-High-City'. Auf dem Civic-Plaza kannte die Begeisterung keine Grenzen. Colorados vierter Major League-Titel in fünf Jahren musste entsprechend gefeiert werden. Nachdem die Denver Broncos zum Ende der 90er Jahre zwei Mal den Super Bowl geholt hatten, zog das NHL-Team nun nach. Doch im Gegensatz zu dem Titelgewinn in 1996, als die neu formierten Avalanche nach dem Umzug aus Quebec gerade erst neu in der Stadt waren, schien die Liebe und Zuneigung der Fans zu ihren 'Avs' dieses Mal ungleich größer. Auch Dank eines Sympathieträgers wie Ray Bourque.

Für Bourque dauerte es 1826 Spiele in der besten Liga der Welt bis er seinen Namen auf den Cup gravieren lassen durfte. Der Kanadier verzeichnete in der Hauptrunde der NHL 410 Tore und 1169 Assists. In den Playoffs kamen 180 Punkte und 41 Tore hinzu.

Nach dem Ende seiner Karriere im Sommer 2001 wurde in seiner langjährigen Heimatstadt Boston eine Straße nach ihm benannt. Die Avalanche und die Bruins, reservierten sofort seine Trikotnummer '77'. Sie wird in beiden Mannschaften ihm zu Ehren nicht mehr vergeben. Im Jahre 2004 wurde der Verteidiger zudem bereits in die Hockey Hall of Fame in Toronto aufgenommen.

Träume können also doch wahr werden....manchmal dauert es nur eben etwas länger... (rp)

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