NHL-Eishockeymagazin
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nr. 88 / jul.-aug. 2005 

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KOMMENTAR
 
War es das wert? - Die Konsequenzen des Lockouts

von Robin Patzwaldt

Es ist vollbracht! Das routinemässige Abfragen der neuesten CBA-Horrormeldungen und immer wieder gleicher Statements der beteiligten Offiziellen ist endlich beendet! Welch ein Glück!

Aber was ist jetzt am Ende eigentlich dabei herausgekommen? Hat sich der Verlust einer kompletten NHL-Spielzeit für dieses Ergebnis wirklich gelohnt?

Ich denke, für eine Bewertung kommt es sehr stark darauf an auf welcher Seite man steht! Gary Bettman und die Vertreter der Liga werden dies sicherlich so sehen. Und das auch zu Recht. Schließlich haben sie alle wesentlichen Forderungen mit denen sie damals in diesen 'Arbeitskampf' gezogen sind durchsetzen können.
Es gibt nun den geforderten Salary Cap (Gehaltsobergrenze), es gibt eine Koppelung der Spielergehälter an die Einnahmen der Liga, es gibt die angekündigten Regeländerungen und die Veränderung der Torhüterausrüstungen um die durchschnittliche Trefferanzahl zu erhöhen und das Spiel für die Fans (noch) attraktiver zu machen.

Die NHL hat eigentlich alle entscheidenden Punkte und Forderungen für das neue CBA durchsetzen können. Vertritt man diesen Standpunkt wird man sicherlich sagen können, dass sich das mehrmonatige Unterfangen trotz schwerwiegender Opfer wie nachlassendem Faninteresse, geplatzter TV-Verträge und entgangene Umsätze an Merchandising, Eintrittsgeldern und sonstiger Einnahmen am Ende gelohnt hat.
Denn wie sagte Bettman gleich zu Beginn des Lockouts: "Die Liga wird erst wieder starten, wenn die richtigen Rahmenbedingungen für ein vernünftiges Wirtschaften geschaffen sind!"
Das hat er aus seiner Sicht erreicht. Für ihn hat sich sein Durchhaltevermögen an diesen Forderungen also scheinbar wirklich gelohnt.

Anders sieht die Lage auf Seite der NHLPA aus. Außer Erleichterungen in der Free Agent-Regelung, konnte Bob Goodenow für seine Spieler bei diesem Streit eigentlich nichts Erwähnenswertes herausschlagen. Die Spieler sind sowohl bei der Salary-Cap-Frage als auch bei der Regelung für Rookie-Bezüge fast komplett abgeblitzt.

War das nicht von Anfang an auch so, oder zumindest sehr ähnlich, zu erwarten?
Die Spielerforderungen gingen einfach an den Realitäten in der Liga vorbei. Die wirtschaftliche Lage, da mag man die offiziellen, von der Ligaleitung vorgelegten, Zahlen und Darstellungen auch gerne bezweifeln oder abstreiten, waren einfach nicht gut. Das ist eine Tatsache! Und nagen die Teameigentümer auch nicht gerade am sprichwörtlichen Hungertuch, oder betrachten sie ihre Franchise auch gerne lediglich als Spielball und/oder betreiben sie diese überwiegend zur Stärkung des eigenen Egos, am Ende macht niemand gerne über Jahre deutliche Verluste bei einem solchen Engagement. Das ist durchaus verständlich.

Die eingeschlagene Richtung der letzten Jahre war einfach falsch! Die Einkommenszuwächse der Spieler seit 1995 waren zu gigantisch um das System so fortsetzen zu können. Das scheinen die NHLPA-Vertreter dann auch letztendlich eingesehen zu haben. Zu entschlossen war die Verweigerung der Ligavertreter den Spielbetrieb unter ähnlichen Bedingungen wieder aufzunehmen bzw. fortzusetzen.

Es ist nun müßig zu diskutieren ob man dieses Ergebnis nicht gleich voraussehen hätte können oder sogar müssen, und den Ausfall der Saison damit hätte vermieden werden können. Es ist anders gekommen und die unversöhnlichen Streitparteien haben es auf die harte Tour ausgefochten.....sehr zum Unwillen der Fans.

Viel Frust und Unverständnis über das Verhalten der beiden Seiten wurde so in en letzten Monaten gefördert. Da gibt es nun einiges zu reparieren. Und Bettman hat dies auf seiner Pressekonferenz zum Ende des Lockouts auch sogleich zum vorrangigen Ziel der nächsten Monate erklärt. Ob dazu einige Regeländerungen und ein moderneres Logo ausreichen? Sicher nicht!

Es wird sich nun bald zeigen wie groß der angerichtete Schaden wirklich ist. Prognosen sehen einen Umsatzrückgang von gut 2,1 Milliarden US-Dollar aus der Saison 2003/2004 auf gut 1,7 Milliarden für die kommende Spielzeit voraus. Dies Alles können allerdings nur reine Schätzungen sein. Niemand weiß wie viele Fans sich wirklich wieder in den Hallen der strukturschwachen NHL-Regionen wie Phoenix oder Nashville versammeln werden, wenn im Oktober endlich wieder der NHL-Puck fällt.

Niemand weiß wie ein neuer nationaler TV-Vertrag aussehen wird. Der Alte ist im Sommer zunächst einmal ausgelaufen. Ein Neuer existiert derzeit (noch) nicht! Vergleichbare Fälle in der Sportgeschichte gibt es nicht. Noch nie ist eine komplette Spielzeit im führenden US-Sport dem Arbeitskampf geopfert worden.
Es sind also viele wirtschaftliche Fragezeichen zu klären.

Noch unvorhersagbarer wird sich nun aber wohl auch der sportliche Fortgang der NHL in den nächsten Monaten entwickeln.
Viele Teams haben derzeit nur noch eine handvoll Spieler mit gültigen Arbeitspapieren ausgestattet. Ein Sommer voller Spielerverpflichtungen und damit auch Wechsel liegt nun vor uns. Und während Teams wie Pittsburgh oder Columbus einen recht bedeutenden Teil des alten Kaders bereits recht günstig fest verpflichtet haben und somit zumindest das Gerüst des neuen Teams bereits kennen, gibt es auch Mannschaften wie Toronto, Colorado oder Detroit, die bereits einen Großteil ihres neuen, unter dem Salary Cap wesentlich kleineren, verfügbaren Budgets für eine relativ geringe Anzahl von sehr guten aber auch teuren Spielern 'verbraucht' haben. Ein großer Nachteil, wenn es nun um die restlichen Verpflichtungen des Kaders geht.

Es wird so zu einer völlig neuen Gewichtung der Franchisestärken in der Liga kommen. Welche Franchises unter dem neuen CBA am besten zurecht kommen, lässt sich derzeit nun wirklich noch gar nicht abschätzen. Geschicktes, sehr rasches Handeln ist nun gefragt. Auch hierbei wird es also wohl sehr unerwartete Verlierer des Lockouts geben.

Fest steht aber bereits jetzt schon eines:
Langweilig wird es in der NHL so schnell nicht mehr werden. In der neuen Saison wird es so viele Überraschungen und Verschiebungen bei den Kräfteverhältnissen der Teams untereinander geben wie wohl noch nie in einer Spielzeit zuvor. Vielleicht hat sich ja dann am Ende alleine schon dafür das ganze Theater der letzten Monate gelohnt und so würde dann letztendlich auch der neutrale Hockeyfan doch noch zu einem verspäteten Gewinner des Lockouts. Wollen wir es hoffen! (rp)

Lesen Sie auch folgende Infos zur Saison 2005/06:

>> Fakten zum CBA
>> Der neue Spielmodus in der NHL
>> Die neuen Regeln in der NHL

 

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