NHL-Eishockeymagazin
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nr.82 / jan. 2005 

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TEAMREPORT
 
Die bösen Buben von der Broad Street
Philadelphia Flyers

von Robin Patzwaldt

Das Team der Flyers von 1968.

Bevor die Philadelphia Flyers in der Mitte der 70er-Jahre des vorigen Jahrhunderts ihre größten Erfolge feiern, und sich den respektvollen Namen 'Broad Street Bullies' verdienen konnten, mussten einige Probleme gemeistert werden.
Erstmals machte die NHL in Philadelphia bereits im Jahre 1930 Station. Doch die Umsiedlung der Pittsburgh Pirates nach Philadelphia wurde ein Misserfolg: Die 'Quakers' können nicht etabliert werden und ziehen sich, nach insgesamt nur vier Saisonsiegen, bei 36 Niederlagen, vom NHL-Spielbetrieb bereits nach der Premierensaison in der neuen Heimat wieder zurück. So dauert es dann bis zum Jahre 1967 bis die NHL in die 'Stadt der Brüderlichen Liebe' zurückkehrt.

Eine Gruppe von Geschäftsleuten aus der Stadt, darunter Ed Snider vom Footballteam der Philadelphia Eagles, wird 1965 aktiv und bewirbt sich bei der NHL um ein NHL-Expansionteam für Philadelphia.
Am 09. Februar 1966 bekommt man, als einer von sechs neuen NHL-Standorten, den Zuschlag für die Saison 1967/68 und beginnt umgehend mit der Errichtung einer neuen Arena, dem 'Spectrum'. Bei der Namensfindung der Franchise geht der Name 'Flyers' als Sieger aus einer Fanumfrage hervor und die Teamfarben werden, in Anlehnung an ein Universitätsteam, mit Orange, Schwarz und Weiß festgelegt.

Die junge Franchise bestimmt Keith Allen zum ersten Headcoach und Bud Poile zum ersten General Manager.
Aufgrund knapper Finanzmittel gehen die Flyers zunächst mit einem sehr jungen und unerfahrenen Team an den Start. Noch mit wenig Rückendeckung in der Stadt versehen, können zur Premierensaison lediglich gut 2.000 Saisontickets abgesetzt werden. Im Februar wird, zu allem Überfluss, auch noch das Dach des heimischen 'Spectrums' von einem Sturm abgedeckt, was die Flyers dazu verdammt die restlichen Heimspiele der 'Regular Season' in New York, Quebec City und Toronto auszutragen. Erst zu den Playoffs ist das eigene Stadion wieder hergerichtet und spielbereit.
In den Playoffs scheitert das junge Team, das sich bereits größere Unterstützung beim Publikum erspielen konnte, an St.Louis.

Bobby Clarke führte die Flyers zu ihrem ersten Stanley Cup Triumph.

Im Draft des Jahres 1969 sichert sich die Franchise die Dienste von Bobby Clarke, der aufgrund seiner angeschlagenen Gesundheit (Clarke hatte damals schon Diabetes), von anderen Teams zuvor gemieden wurde. Er sollte sich in späteren Jahren noch als Glücksgriff für die Flyers erweisen.

Als in der Folgesaison die Playoffs verpasst werden, kommt es zu einigen Veränderungen im Team und bei der Franchiseführung. Unter anderem wird der junge Torhüter des Teams, Bernie Parent abgegeben. Neue Gesichter treten ins Rampenlicht. Bill Barber, Bruce Gamble oder Rick MacLeish werden zu Lieblingen der Fans. Die Spielweise des Teams wird aggressiver und härter, was ihnen viel Respekt bei den Gegnern einbringt.
So wird in diesen Tagen auch der, noch heute verwendete, Beiname 'Broad Street Bullies' (das Stadion liegt an der Broad Street) geboren.
Bobby Clarke entwickelt sich zur Führungspersönlichkeit im Team und gewinnt mit 100 Scorerpunkten die 'Hart Trophy' als wertvollster Spieler.

Das nun aufstrebende Team wird durch Rückkehrer Bernie Parent ab der Saison 1973/74 auch auf der Torwartposition deutlich verstärkt. In den Playoffs ringt man nicht nur die Rangers nieder, sondern kann auch die hoch favorisierten Bruins im Finale in sechs Spielen bezwingen.
Der erste Cupgewin für die Flyers ist folglich die Belohnung am Ende der Saison. Als erstem Expansion-Team in der NHL-Geschichte gelingt dem Team aus Pennsylvania dieses Kunststück. Auch im Jahr darauf ist Philadelphia eine Top-Adresse in der NHL. Bernie Parent spielt überragend und ist Garant für die erneute Finalteilnahme der Flyers. Völlig zu Recht gewinnt Parent die 'Conn Smythe Trophy', für den besten Torwart der Liga.

Gegen die Buffalo Sabres gelingt die Titelverteidigung. Bei der anschliessenden Siegerparade durch die Stadt kennt die Begeisterung in Philadelphia keine Grenzen. Stürmer Reggie Leach erreicht als zweiter spieler der NHL-Geschichte die 60-Tore-Marke in einer Regular-Season. In den Playoffs kann er seine Bestmarke auf 80 Saisontreffer schrauben - NHL-Rekord!
Im Frühsommer 1976 erreicht das Team erneut das Stanley-Cup-Finale, ist diesmal aber gegen Montreal chancenlos.
Erfolgstrainer Fred Shero verlässt die Franchise nach dem Halbfinalaus 1977 in Richtung New York und wird General Manager bei den Rangers.
Bernie Parent beendet seine große Laufbahn im Jahre 1979. Insgesamt werden 50 Shut-Outs für ihn in die NHL-Geschichte eingehen. 1984 wird Parent in die Hockey Hall of Fame aufgenommen.

Neue Namen prägen nun das Gesicht der Flyers. Coach Pat Quinn baut auf Leute wie Ken Linseman, Verteidiger Behn Wilson oder Paul Holmgren. Es gelingt zwischenzeitlich eine Serie von 35 Spielen ohne Niederlage. Der ganz große Wurf blieb jedoch aus.

Weitere Infos zum Team

Langsam setzt sich zu Beginn der 80er-Jahre ein Abwärtstrend durch. Coach Pat Quinn muss seine Tätigkeit in Philadelphia beenden und Spieler wie Bill Barber und Bobby Clarke beenden ihre Karrieren.
1984/85 trainiert der junge Coach Mike Keenan das Team. Ihm gelingt ein Aufschwung. Torhüter Pelle Lindbergh, Tim Kerr, Rookie Rick Tocchet und Peter Zezel bilden die erfolgshungrigen Stützen des Teams.
Vezina Trophy Gewinner Lindbergh verunglückt jedoch im Sommer auf tragische Weise tödlich mit seinem Wagen.

Neuer Torwart im Kasten der Flyers wird daher Ron Hextall. Hextall kann sofort überzeugen und wird wenig später als erster Torhüter in die Geschichte eingehen, der in der NHL einen Treffer erzielen kann.
Im Stanley Cup Finale scheitert man allerdings zwei mal an den Edmonton Oilers, dem überragenden Team dieser Zeit. Coach Keenan muss nach einem Erstrundenaus im Folgejahr seinen Posten räumen.

Ohne Erfolg! Im Jahre 1990 verpassen die Flyers, ertmals seit 18 Jahren wieder komplett die Endrunde. Grundlegende Änderungen wurden vorgenommen. Man bemühte sich um die Dienste von Eric Lindros, einem der talentiertesten Spieler der letzten Jahre. Da dieser sich aber stetig weigerte für das Team von dem er gedraftet wurde, den Quebec Nordiques, aufs Eis zu treten, kann schlussendlich doch noch ein spektakulärer Trade vereinbart werden.
Insgesamt sechs Spieler (u.a. Ron Hextall, Mike Ricci, Peter Forsberg) verlassen demzufolge die Flyers Richtung Quebec im Austausch gegen Lindros. Zusätzlich kassieren die Nordiques Bargeld im Wert von ca. 15 Millionen Dollar. Nordiques Präsident Marcel Aubut präsentierte sich in den Verhandlungen als unbequemer Partner und zog die Gespräche immer wieder geschickt in die Länge. Am Ende der Verhandlungen stand dann dieser spektakuläre Tausch, der für die Flyers ein enormes Risiko beinhaltete.

Lindros kann anschliessend die hohen Erwartungen zunächst einigermassen erfüllen, obwohl er bereits zu Beginn seiner NHL-Karriere recht verletzungsanfällig war und bereits innerhalb seiner ersten beiden Jahre bei den Flyers 40 Spiele versäumte.
Der Aderlass, den das Team bei dem Trade lassen musste, erweist sich jedoch als noch schwerwiegender, als zunächst von den Verantwortlichen angenommen. Die Playoffs blieben für die 'Broad Street Bullies' in dieser Phase ausser Reichweite.

Mitte der 90er-Jahre beginnt man mit dem Bau einer neuen Eishalle, dem 'First Union Center' (heute bekannt als Wachovia Center).
Mark Recchi wechselt zunächst nach Montreal. Dafür bereichern Eric Desjardins, John LeClair und Ron Hextall in Zukunft (wieder) den Kader der Flyers.
Unter Headcoach Terry Murray gelingt in 1995 mal wieder der Einzug in die Off-Season. Eric Lindros wird anschliessend mit der Hart Trophy ausgezeichnet.

Nach dem Umzug in die neue Arena im Jahre 1997 gelingt es den Flyers auf Anhieb das Stanley Cup Finale zu erreichen. Dieses geht dann allerdings glatt mit 0-4 gegen Detroit verloren.
Das Farmteam der Phantoms wird ins Leben gerufen. Um die Organisation zu erleichtern trainieren die Phantoms im gleichen Trainingkomplex, direkt auf der Nachbareisfläche im Trainingscenter der Flyers.
Mark Recchi kehrt ebenfalls ins Team zurück. Allerdings gibt es verstärkt Ärger um und mit Eric Lindros, der oft verletzt ausfällt. Er gerät in einen offenen Streit mit General Manager Bobby Clarke.
Auch für Coach Roger Neilson gibt es schlechte Nachrichten. Er muss sich aufgrund einer Krebserkrankung vom Job hinter der Bande zurückziehen. Craig Ramsey wird zunächst sein Nachfolger.
Mit Recchi und LeClair hat das Team zwei neue Führungspersönlichkeiten. Beide sind auch sehr treffsicher. Brian Boucher ist die neue Nummer Eins im Gehäuse der Flyers und erreicht als erster Rookie-Goalie einen Gegentorschnitt von 1,91 und damit unter zwei Gegentreffern pro Partie. Routinier John Vanbiesbrouck muss den Kasten räumen. Bill Barber wird zum neuen Cheftrainer im Dezember 2000 ernannt.

Im Sommer 2001 wird das leidige Kapitel Eric Lindros in Philadelphia dann endgültig beendet. Lindros wechselt nach zähem Hin und Her zu den Rangers an den Broadway. So spektakulär wie sein Anfang, war auch sein Abgang in Philadelphia.
Auch wenn Lindros einige wirklich gute Abschnitte in seiner Zeit beim Team hatte, blieben seine Leistungen insgesamt wohl hinter den Erwartungen in Philadelphia zurück.

Mit Tony Amonte und Jeremy Roenick im Kader ging es für die Flyers wieder aufwärts.

Ohne permanente Unruhen im Umfeld, und sportlich u.a mit Jeremy Roenick (ehemals Phoenix) verstärkt, läuft es auch sportlich wieder deutlich besser.
Das frühe Playoffaus 2002 in der ersten Runde gegen Ottawa überrascht die Fachwelt dann sehr. Torwart Brian Boucher wechselt nach heftiger Kritik an seiner Person, gerade in den Playoffs, zu den Phoenix Coyotes. Robert Esche wird dadurch im Gegenzug zum 'Flyer'.

Aus Europäischer und Deutscher Sicht noch interessant, dass mit Dennis Seidenberg nun auch ein junger Deutscher in der Abwehr der Flyers aktiv wird. Von Verletzungen zurückgeworfen, findet sich Seidenberg zwar häufig im Farmteam bei den Phantoms wieder, die Tatsache aber, dass er trotz mehrfacher Spekulationen von den Flyers bisher nicht getradet wurde, dürfte darauf hindeuten, dass die Flyers von Seidenberg für die Zukunft noch einiges erwarten.

Im Frühjahr 2004 scheitern die Flyers erst nach sieben engen Spielen im Eastern-Conference-Finale am späteren Titelträger aus Tampa Bay.
Coach Ken Hitchcock, der zuvor mit den Dallas Stars 1999 bereits einmal zu Titelehren in der NHL kam, besitzt das volle Vertrauen der Verantwortlichen.

Mit einem zuletzt sehr schlagkräftigen und ausgeglichenen Kader dürften die Flyers, sollte es da durch den aktuellen Lockout, keine gravierenden Änderungen mehr geben, auch beim nächsten Mal zu den Favoriten auf den Titelgewinn gelten.

Wie sagte Dennis Seidenberg am Rande des World Cup of Hockey doch kürzlich zu uns: "Wir haben ja eigentlich noch das selbe Team wie im Vorjahr, mit lediglich zwei bis drei Veränderungen bisher. Von daher werden wir wohl wieder eines der Top-Teams sein und wieder mit oben stehen. Wir wollen wieder um den Stanley-Cup mitspielen, was ja letztes Jahr leider noch nicht ganz geklappt hat. Mal schauen wie sich das dann beim nächsten Mal anlässt." (rp)

 

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