NHL-Eishockeymagazin
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nr.76 / jun. 2004 

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REPORT
 
Man trug wieder Rot!

von Bernd Rösch
 
Wer kein Jersey mehr ergattern konnte der half sich anderweitig.

Rot? Nein, die Detroit Red Wings waren nicht doch noch über eine Wildcard in das Stanley Cup Finale gerutscht. Es war das Überraschungsteam aus Alberta, die Calgary Flames, das die Massen faszinierte und von einer ganzen Nation, Kanada, unterstützt wurde.

Der Erfolg des Teams von Headcoach und General Manager Darryl Sutter in den Playoffs 2004 führte in den 14 Tagen während der Stanley Cup Serie gegen die Tampa Bay Lightning zu einer wahren Euphorie im Mutterland des Eishockeys. Seit 1993 als die Montreal Canadiens als letzte kanadische Franchise den begehrten Cup holten, gab es Nachholbedarf bei den Kanadiern.
Aus sämtlichen Provinzen von British Columbia im Westen bis Ontario im Osten waren Eishockeyfans nach Calgary angereist, um ihr Team vor Ort zu unterstützen. Eintrittskarten hatten die wenigsten im Gepäck.

Aber es gab da ja noch die 17th Avenue: Jene Straße, die in östlicher Richtung direkt zum Pengrowth Saddledome, der Heimstätte der Flames führt, und in der sich Kneipen und Cafes aneinanderreihen. Sie war an den sieben Spieltagen der Treffpunkt aller Flames-Fans bei den Spielen, die im fernen Florida statt fanden oder für jene, die keine der begehrten Tickets für die Heimpartien ergattern konnten - auch weil Schwarzmarktpreise von bis zu 1.500 Can$ ihren Etat überstiegen. Gemeinsam vor Großbildleinwänden wollten sie das Ereignis des letzten Jahrzehnts, den Stanley Cup Gewinn ihrer Flames, feiern und bejubeln.
Schon Morgens um acht Uhr, zwei Stunden bevor die ersten Lokalitäten öffneten, bildeten sich vor deren Eingängen lange Schlangen wartender, völlig in rot gekleiderter Fans. Wohlbemerkt die Partien fanden erst um 18:00 Uhr Ortszeit statt.

Selbst die Feuerwehr weigerte sich ihrer Verpflichtung nachzukommen und wollte lieber noch mehr 'Flammen' anstatt sie zu bekämpfen.
Dieser Mini war von der Ost- zur Westküste durch ganz Canada gefahren und voller guter Grüße an die Flames.
Schon im Airport von Calgary war sofort ersichtlich, welches Team hier zuhause ist.

Das Logo der Flames, das brennende 'C', prägte das Straßenbild. Insgesamt verkaufte die Franchise 170.000(!) Fahnen für Autofenster - bei ca. 900.000 Einwohnern und 650.000 registrierten Kraftfahrzeugen im Großraum Calgary. An jedem zweiten Schaufenster in der Innenstadt war ein 'Go Flames Go' Schild angebracht.
Wem die Shirts oder Trikots von der Stange aus den Fanshops nicht gut oder einfallsreich genug waren, der ließ seiner Fantasie freien Lauf - nur Rot sollte es eben dann schon sein. So war es auch nicht weiter verwunderlich, dass die 17th Avenue aufgrund der Fanscharen, die sich dort versammelten, den Beinamen 'Red Mile' bekam. Selbst die Stadtverwaltung reagierte darauf, benannte vor Finalspiel Sechs die 17th Avenue offiziell um und ließ neue Straßenschilder fertigen.

ROT beherrschte das Stadtbild.

Spiel Sechs, das war die Partie bei der die große Feier laufen sollte. Noch wilder, noch ausgelassener, noch freizügiger, noch roter als bei den vorangegangenen Triumphen. Die Flames lagen nach fünf Partien mit 3-2 in Front, hatten Heimrecht und benötigten 'nur' noch einen Sieg gegen die Lightning, um 'Lord Stanley' wieder nach Hause, nach Kanada zu bringen.

Hochkonjunktur herrschte in den über die Stadt verteilten diversen Flames-Shops 'Fannatic'. Jener im zentralen Einkaufszentrum der Stadt war sogar so überfüllt, dass die Fans erst aufgereiht vor der Türe warten mussten bis wieder andere Kunden mit vollen Tüten den Laden verlassen und darin Platz gemacht hatten.

In und vor dem Stadion herrschte Feierstimmung ohne Grenzen.

Laut Polizeiangaben über 50.000 Fans, ein Drittel mehr als beim Auswärtserfolg in Tampa zwei Tage zuvor, säumten die 'Red Mile' am Samstag Nachmittag und Abend, weitere knapp 18.000 gaben ihrem Team direkte Unterstützung im voll besetzten Saddledome. Schon Stunden vor Spielbeginn feierten die 'Roten': 'Lets go Flames' Rufe waren von überall zu hören und wurden begleitet vom Hupkonzert vorbeifahrender Fahrzeuge. Es bildeten sich Autokorsos, die man bei uns in dieser Form überhaupt nicht und in Neapel wohl erst nach einer gewonnenen Meisterschaft des ASC kennt. Südländische Stimmung ganz im Norden des amerikanischen Kontinents.

Die Euphorie kannte keine Altersgrenzen. Vor dem Stadion, wo eine Rockband aufspielte und die Stimmung noch zusätzlich anheizte, ließen sich Familiengenerationen, vom Enkelkind bis zur Großmutter, die Haare rot strähnen und/oder sich ein 'Flames-Tatoo' auf die Wange anbringen.

Voller Optimismus fieberten die rotbegleiteten Massen dem Eröffnungsbully zu.
Voller Zuversicht.

Der Ausgang ist allseits bekannt. Das kanadische Happy End fiel nach zwei Niederlagen in Folge aus und 'Lord Stanley' fand sein neues Zuhause im sonnigen Süden, in Tampa Bay, Florida beim Eastern Conference Champion, den Lightning. (br)

Alle Fotos Stefan Herget, eishockey.com GmbH

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