NHL-Eishockeymagazin
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nr.75 / mai 2004 

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| zur Übersicht Geschichte des Stanley Cups |

ESSAY

Playoffhelden!

von Bernd Rösch

In den Playoffs gelten andere Gesetze!" Eine Binsenweisheit deren Wahrheitsgehalt Jahr für Jahr immer wieder auf ein Neues bewiesen wird. Was macht den Unterschied zwischen den Partien in der regulären Spielzeit und denen einer 'Best of Seven'-Serie aus? Der Kampf um die begehrteste Eishockeytrophäe des Welteishockeys, dem Stanley Cup, setzt ungeahnte Kräfte frei und dies nicht nur bei den Besten einer jeden Mannschaft.

Häufig sind es gerade jene Spieler, welche ansonsten eher im Schatten der Topstars stehen, die während der Playoffs über sich hinauswachsen und auch maßgeblich am Erfolg ihres Teams beteiligt sind. Ja, es gibt und gab sogar reine Playoff-Spezialisten durch deren Verpflichtung eine NHL-Franchise ihre Chancen auf einen Titelgewinn um ein Mehrfaches erhöhen wollte und auch konnte.

Ein Beispiel hierfür par excellence und da muss man gar nicht lange in den Geschichtsbüchern zurückblättern, war Claude Lemieux. Der exzentrische Außenstürmer konnte gleich vier Mal mit drei verschiedenen Mannschaften einen Stanley Cup Triumph feiern. Zu Beginn seiner NHL-Karriere in 1986 mit den Montreal Canadiens: Ende dieser Spielzeit vom Farmteam aus Sherbrooke berufen, brachte es Lemieux in zehn Partien der regulären Saison auf vier Scorerpunkte, in den folgenden Playoffs legte er aber richtig zu. 20 Partien hatten die Frankokanadier bis zum Titelgewinn zu absolvieren und der erst 20-jährige Rechtsaußen steuerte zehn Treffer und sechs Assists bei.
Toppen konnte er dies neun Jahre später als die New Jersey Devils die hochfavorisierten Detroit Red Wings mit einem 4-0 'Sweep' im Stanley Cup Finale bezwangen. Nach einer für ihn enttäuschend verlaufenden Saison, mit nur sechs Treffern in 45 Spielen, war Lemieux in der Postseason wieder in seinem Element und schoss die Devils, bei denen er auch noch in 2000 den Stanley Cup in Händen halten durfte, mit 13 Treffern und drei Assists zu deren ersten Titelgewinn. Die Auszeichnung als 'Wertvollster Spieler' war eine weitere Anerkennung seiner Leistung. Das dritte Team, das von Lemieuxs Playoffqualitäten profitierte waren die Colorado Avalanche im Jahre 1996.

Der damalige Gegner waren die Florida Panthers und auch die junge Franchise, in ihrer erst dritten NHL-Saison, hatte ihren 'Playoffhelden'. Dave Lowry, eher als Rauhbein bekannt, konnte in den ersten zehn Jahren seiner NHL-Karriere nie mehr als zwei Tore in den Playoffs schießen. Auf dem Weg der Panthers in das Finale brachte er gleich zehn Mal die schwarze Hartgummischeibe im Netz unter und bereitete weitere sieben Treffer seiner Mannschaft vor. Ein Kunststück, das dem jetzt 40-Jährigen nie mehr gelingen sollte.

Die aktuellen Playoff Scorer
(Stand 29. April)
 Erzielte Tore

 Patrick Marleau, SJ         7
 Jarome Iginla, CAL          6
 Alexei Kovalev, MON         6
 Vincent Lecavalier, TAM     5
 Joe Nieuwendyk, TOR         5
 Joe Sakic, COL              5

 Assists

 Saku Koivu, MON             8
 Niko Dimitrakos, SJ         7
 Brian Leetch, TOR           7
 Markus Naslund, VAN         7
 Martin St. Louis, TAM       7
 Alexei Zhamnov, PHI         7

 Scorerpunkte

 Saku Koivu, MON             3   8  11
 Martin St. Louis, TAM       4   7  11
 Alexei Zhamnov, PHI         4   7  11
 Peter Forsberg, COL         4   6  10
 Alexei Kovalev, MON         6   4  10
 Patrick Marleau, SJ         7   3  10
 Fredrik Modin, TAM          4   6  10

Solche 'One-Year-Playoff Wonder' gab es in der NHL-Historie mehrere. Von Boston Bruins' Ed Sandford, der vor einem guten halben Jahrhundert in 1953 mit acht Toren und drei Assists in elf Spielen sogar Montreals Maurice 'Rocket' Richard hinter sich ließ bis zu John W. Druce, der 1989/90 dem Kader der Washington Capitals angehörend, nur elf Scorerpunkte in 45 Spielen der regulären Saison sammeln konnte, in den folgenden 15 Playoffpartien aber über sich hinauswuchs und 14 Tore sowie drei Assists verbuchte.
Er profitierte hierbei vom Verletzungspech seines Teamkollegen Dino Ciccarelli, wodurch er sich plötzlich neben Geoff Courtnall und Dale Hunter in der ersten Sturmformation der Capitals wiederfand. Die Reihe funktionierte so perfekt als würden sie schon Jahre lang zusammen spielen. Doch nach den Playoffs war der Zauber vorbei. Druce setzte seine Karriere in Winnipeg, Los Angeles, Philadelphia, Hannover und Augsburg fort.

Den umgekehrten Weg von Europa zurück in die NHL, wo er in den Playoffs für Aufsehen sorgte machte Chris Kontos. In 1989 vom EHC Kloten in der Schweiz kommend, wo er bereits in der Nachsaison fünf Tore und sechs Assists in sechs Partien erzielt hatte, durfte Kontos bei den Los Angeles Kings neben Wayne Gretzky stürmen. Kontos bedankte sich hierfür mit neun Treffern.

Einen Playoffeinstand nach Maß hatten aber auch europäische Spieler. Zu nennen sei hier Detroits schwedischer Center Tomas Holmstrom, der in 1998 auf dem Weg zum zweiten Stanley Cup Gewinn der Red Wings in Folge sich mit 19 Scorerpunkten erstmals ins Rampenlicht rückte und mittlerweile aus 'Hockeytown' nicht mehr wegzudenken ist, wenn gleich ihm solch eine Ausbeute in den Folgejahren nicht mehr glücken sollte.

Was macht einen 'Playoffhelden' aus? Talent allein genügt hier nicht. Es ist die Bereitschaft in jedem Spiel alles zu geben, um jeden Millimeter auf dem Eis zu kämpfen bis an die Schmerzgrenze zu gehen und auch das Quentchen Glück gehört hinzu.
Wenn es in den ersten Partien gut läuft, dann macht sich eine Art Euphorie breit, man bekommt Vertrauen in seine eigene Leistung, hat keine Angst mehr vor dem Versagen und anstatt nur zu Hoffen, dass man gewinnt, glaubt man von vorneherein fest daran, dass man als Sieger das Eis verlassen wird. Ein psychologisches Moment, das nicht zu unterschätzen ist. So wie mancher Star unter dem auf ihn in den Playoffs besonders lastenden Druck zerbrochen ist, packte nicht selten ein Mann aus der zweiten Garde seine Chance am Schopfe und fand über den Kampf sowie dem ihm vom Gegner gebotenen Freiraum, zum Erfolg.

Vielleicht ist genau dies jener Playoffgeist, der diese 'Jahreszeit' zu etwas Besonderen macht, und eigene Helden formt. Wer der Nächste sein wird ist von Niemanden hervorzusagen, vielleicht ist er momentan schon dabei sich in die Geschichtsbücher einzutragen, Kandidaten dafür gibt es mehrere?

Der Dank aller Eishockeyfans gelte Lester Patrick, der bereits im Jahre 1918 die geniale Idee hatte, Playoffs zur Ermittlung des wahren Champions einzuführen und so uns allen unterhaltsame und von Spannung kaum zu überbietende Wochen im Frühling beschert. (br)

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