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nr.74 / apr. 2004 

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INTERVIEW
 
Reinhard Divis: 'Einer muss immer den Anfang machen'
 
Reinhard Divis(li.) im Gespräch mit unserem Redakteur Stefan Herget.

Nach dem Wechsel von Christoph Brandner ins Farmteam von Minnesota vertritt Torhüter Reinhard Divis seit Januar als einziger Vertreter seines Landes die Farben Rot-Weiß-Rot in der NHL. Beim Team der St. Louis Blues hat sich der bald 29-jährige Wiener derzeit als Nummer zwei hinter Chris Osgood etabliert. Nach dem Auswärtsspiel seiner Mannschaft bei den Dallas Stars nahm sich der Schlussmann einige Minuten Zeit, um die Fragen unseres Redakteurs Stefan Herget zu beantworten.

Eishockey.com: Hallo Reinhard, wie geht es dir?

Divis: Gut, aber leider haben wir heute nicht gewonnen, denn das war ein wichtiges Spiel für uns. Wir haben jetzt von den ausstehenden sieben Spielen noch vier daheim und das heißt wenn alles glatt läuft, dürfte die Playoff-Teilnahme trotzdem klappen.

Eishockey.com: Wie bist du persönlich mit deinem Saisonverlauf zufrieden?

Divis: Mir ist es bis jetzt wirklich gut gegangen und ich bin zufrieden, wie es für mich persönlich läuft. Ich bin schließlich aus dem Farmteam wieder in die NHL gekommen. Das war zwar leider ausgerechnet in der Phase, wo wir die kleine Krise hatten, doch das änderte nichts an meiner persönlichen Situation. Und dass die Mannschaft die letzten zehn bis zwöf Spiele wieder besser auftritt, macht mich nur zuversichtlicher gerade im Hinblick auf die Playoffs.

Eishockey.com: Woran meinst du liegt es, dass es in dieser Saison für die Blues nicht so gut läuft?

Divis: Wir müssen die Saison dabei in zwei Hälften teilen. Der erste Teil ist sehr gut gelaufen, nur haben wir über unsere Erwartungen gespielt, denn wir hatten schon zu Beginn sehr viele Verletzte zu kompensieren, speziell in der Verteidigung. Dort haben uns unsere zwei besten Leute gefehlt und das kann wohl keine Mannschaft in der NHL so leicht verkraften. Aber wie gesagt, wir haben trotzdem lange über unsere Verhältnisse gespielt und das hat viel Kraft gekostet, die uns zur Mitte der Saison mehr und mehr gefehlt hat, um die engen Partien zu gewinnen. Außerdem haben wir von der Klasse her nicht die selbe Mannschaft wie letztes Jahr, doch zur Trading Deadline wurden unsere Reihen mit Mike Sillinger und Brian Savage wieder etwas aufgewertet. Es zahlt sich nun aus, dass wir wieder drei starke Linien haben und wir spielen deswegen besser.

Eishockey.com: Wie siehst du deine Chancen in St. Louis die Nummer eins zu werden?

Divis: Das ist ein sehr weiter Weg. Ich bin hier Zweiter hinter einem Torhüter, der schon zwei Mal den Stanley Cup gewonnen hat und kann daher kaum mit solchen Gedanken spielen. Ich gebe mein Bestes und versuche mich hier zu etablieren. Ich denke, dass die Trainer mit mir deswegen sehr zufrieden sind. Alles andere kommt von selber und kann nicht von heute auf morgen passieren, erst recht nicht, wenn ein Stargoalie vor einem sitzt.

Eishockey.com: Aber deine Chancen im Kader zu bleiben sind mit dem Weggang von Brent Johnson gestiegen?

Divis: Na gut, das habe ich ja durch meine Leistung gewissermaßen provoziert. Aber man weiß hier nie in welche Richtung es geht und wie das Management handelt.

Eishockey.com: Einmal Provokant gefragt. Was wäre dir lieber: Nummer zwei bei einem Team in den Playoffs oder Nummer eins bei einem Team ohne Playoffs?

Divis: Solche Gedanken habe ich mir noch nie gemacht. Ich bin froh hier in St. Louis bei einer guten Organisation zu sein und aussuchen kann man es sich in dieser Liga sowieso nicht.

Eishockey.com: Fällt es dir schwer, die Rolle als Ersatzmann auszufüllen: Lange Zeit auf der Bank zu verbringen und dann doch möglicherweise sofort bereit zu sein?

Divis: Ja, das ist allerdings neu für mich, weil ich noch nie in dieser Position war. Andererseits bin ich erst seit Januar bei den Blues und habe zwölf Spiele absolviert, was sehr viel für diese kurze Zeit ist. Die Einsätze haben in den letzten drei Wochen wieder etwas abgenommen, aber im Januar durfte ich acht Mal auflaufen. Ich muss daher in nächster Zeit meine Erfahrungen diesbezüglich noch sammeln und kann die Frage noch nicht so richtig beantworten.

Eishockey.com: Gibt es ein besonderes Erlebnis für dich in deiner Karriere, an das du gern zurückdenkst?

Divis: Ja, die Europaliga mit Feldkirch war schon etwas ganz besonderes für mich und das größte sportliche Erlebnis bisher.

Eishockey.com: Christoph Brandner musste in Minnesota wieder ins Farmteam, daher bist du derzeit der einzige Vertreter deines Landes in der NHL. Warum bringt die Wintersportnation Österreich nicht mehr Talente hervor, die den Sprung in die NHL schaffen?

Divis: Ich glaube sehr wohl, dass wir Talente haben und es sind in den letzten Jahren immer mehr, doch Österreich ist wie auch Deutschland kein Eishockeyland. Deutschland ist uns etwas voraus, weil es einige hier schon geschafft haben sich durchzusetzen und plötzlich trauen sich mehr nach Übersee zu kommen. Das hat in Österreich immer gefehlt. Als ich nach Schweden gegangen bin, haben mich viele dafür belächelt und plötzlich nachdem ich Erfolg hatte, vollziehen diesen Schritt mehr und mehr. Es muss halt immer einer den Anfang machen und dann ziehen andere nach.
Viele Österreicher brauchen halt stets sehr viel Selbstmitleid und wollen bemitleidet werden. Natürlich ist es viel schwieriger hier herüber zu kommen und mit einer anderen Mentalität zu leben, als in Europa, wo man seinen festen Verein hat und alles vor die Haustür gestellt bekommt. Das ist das größte Problem, doch ich denke in nächster Zeit werden es mehr österreichische Talente wagen. Aber ob sie es schaffen werden, wird sich dann zeigen.

Eishockey.com: Siehst du dich deswegen auch als Vorbild für junge Nachwuchsleute?

Divis: Ich weiß nicht. Ich denke ich bin durch meine Zeit in Schweden und hier schon zu lange weg vom österreichischen Eishockey. Ich habe sicher meinen Bruder, der noch aktiv ist, aber man bekommt außer über das Internet kaum etwas mit über den Sport in der Heimat und kann daher meinen Stellenwert in Österreich nur sehr schlecht einschätzen.

Eishockey.com: Hast du Kontakt zu den anderen deutschsprachigen NHL-Spieler? Mit David Aebischer und Martin Gerber spielen schließlich auch zwei Schweizer auf deiner Position.

Divis: Nein, der Zeitplan während der Saison ist so dicht, dass dafür kaum Zeit besteht. Aber mit dem "Brandy" (Anm. Christoph Brandner) telefoniere ich natürlich ab und zu.

Eishockey.com: Du trägst mit der Nummer 50 eine eher ungewöhnliche Nummer für einen Torhüter. Gibt es dafür einen besonderen Grund?

Divis: Ich habe immer mit der 38 gespielt, aber als ich das erste Jahr ins Trainingscamp gekommen bin, war die schon vergeben und dann hat man mir die 50 gegeben und die habe ich bis heute behalten. Eine besondere Bedeutung hat das für mich aber nicht.

Eishockey.com: Reinhard, wir bedanken uns für dieses aufrichtige Gespräch und wünschen dir weiterhin alles Gute. (sth)

 

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