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nr.73 / mar. 2004 

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TEAMREPORT
 
Endgültig freigeschwommen?
Mighty Ducks of Anaheim

von Robin Patzwaldt

Paul Kariya Anaheims erster Topstar.

Eine der unter den Fans umstrittensten Franchises der NHL wollen wir Ihnen in diesem Monat etwas näher bringen. Aufgrund ihres Namens und Logos spalten die Ducks die Hockeyfreunde seit jeher in zwei Lager. Lange Jahre von vielen nur belächelt, werden sie spätestens seit den letzten Playoffs, in denen sie sich völlig überraschend bis ins Stanley-Cup-Finale durchkämpften, ernst genommen. Die Enten scheinen sich endgültig freigeschwommen zu haben....

Alles begann zu Beginn der 90er-Jahre des vorigen Jahrhunderts. Der mächtige Disney-Konzern produzierte einen Low-Budget-Film über ein Hockeyteam und erwirtschaftete damit in den USA einen beachtlichen Gewinn von 50 Mio. Dollar. Letztendlich war es dieser Film, der die Idee, ein weiteres NHL-Hockeyteam in Süd-Kalifornien, in unmittelbarer Nähe der Los Angeles Kings, zu platzieren, und damit das Hockey im Süden der USA weiter zu fördern, hervor brachte.

Für einen ersten Schub in dieser Region hatte der Wechsel von Wayne Gretzky von den Edmonton Oilers zu den Los Angeles Kings wenige Jahre zuvor bereits gesorgt. Der Disney-Konzern wollte nun für die Fortsetzung des Aufschwunges sorgen.

Anaheim, die Heimat des Freizeitparks "Disneyland", im Umland von Los Angeles, in Orange County, sollte die neue Heimat des Teams werden. Fluchs errichtete man eine 103 Mio. Dollar teure Spielstätte, den "Pond of Anaheim".

Im Dezember 1992 erhielt Disney den Zuschlag für eine Expansion-Franchise, zusammen mit einem neu zu gründenden Standort in Süd-Florida, den späteren Florida Panthers. Die angestrebte Ausweitung der Liga in Richtung Süden der USA nahm unter dem neuen Commissioner der NHL, Gary Bettman Konturen an.
Die Aufnahmegebühr in die Liga betrug im Falle Anaheims 50 Millionen Dollar, wobei die Hälfte als Entschädigung für die räumliche Nähe, direkt an die LA Kings floss. Jack Ferreira, ein ehemaliger Torhüter der Universitätsmannschaft aus Boston, wurde zum General Manager des Teams berufen.

Teemu Selanne

Beim Expansion-Draft 1993 in Quebec City entschied man sich schließlich für Torhüter Guy Hebert als erste Wahl der Franchise, nachdem die Florida Panthers unmittelbar zuvor John Vanbiesbrouck gewählt hatten.
Eine für die Franchisegeschichte noch entscheidendere Wahl traf man allerdings beim anschließenden Entry-Draft des Jahres. Anaheim entschied sich für einen jungen Spieler der Universität zu Maine: Paul Kariya.
Erster Verantwortlicher hinter der Bande wurde Ron Wilson, der zuvor als Assistenztrainer in Vancouver tätig war.

Einen ersten sportlichen Test bestritten die Ducks im September 1993, als sie vor der sagenhaften Kulisse von 16.600 Zuschauern gegen die Pittsburgh Penguins im heimischen Pond antraten.
Das war ein gutes Barometer für die Begeisterung der Fans in Kalifornien, die den Ducks sofort entgegengebracht wurde. Disney verkaufte über 12.000 Dauerkarten für die erste NHL-Spielzeit und konnte die 40 Luxussuiten im Stadion belegen. Dieser Vertrauensvorschuss der Leute sollte eine ganze Weile erhalten bleiben.

Wilson gelang es auch ein konkurrenzfähiges Team zu stellen. Bis kurz vor Ende der Spielzeit hatte man sogar noch die Chance auf eine Playoffteilnahme in der Premierensaison. Am Ende reichte es nicht ganz. Immerhin konnte man vor den etablierten LA Kings abschließen, was Wilson zufrieden zur Kenntnis nahm: "Das macht einen schon stolz!"
Die Mannschaft errang 19 Auswärtssiege, was Rekord für ein erstes Spieljahr eines NHL-Teams darstellte. Auch in der vom Streik verkürzten Saison 1995 blieb man konkurrenzfähig und verpasste die KO-Runde erneut nur knapp. Paul Kariya präsentierte sich in seiner Rookiesaison stark und erreichte in nur 47 Spielen stolze 39 Punkte. Auch Verteidiger Oleg Tverdovsky und Torhüter Guy Hebert vermochten die Fans zu überzeugen.
Zur Belohnung für die guten Leistungen war der heimische 'Teich' 24 mal in Folge ausverkauft. Auch auswärts waren die Ducks sofort eine Attraktion u.a. dank ihres 'umstrittenen' aber populären Jerseys.

Ein weiterer Meilenstein in der noch jungen Franchisegeschichte war dann der 7. Februar 1996. GM Ferreira schickte die Talente Tverdovsky und Chad Kilger nach Winnipeg zu den Jets (den heutigen Phoenix Coyotes) und erhielt im Austausch einen jungen Spieler aus Finnland: Teemu Selanne.
Dieser junge Finne war die ideale Ergänzung zu Paul Kariya, wie sich bald eindrucksvoll bestätigen sollte.
Am Ende der Saison hatten die Jungs aus Anaheim abermals viel Pech. Sie scheiterten lediglich aufgrund der weniger erzielten Saisonsiege an den Winnipeg Jets, die ihnen somit den letzten freien Playoffplatz wegschnappten.
Dennoch, die erreichten 78 Punkte und 35 Siege bedeuteten Franchiserekord und auch das Duo Kariya/Selanne gab größten Anlass zur Hoffnung auf die Zukunft.

Diese Hoffnungen sollten auch nicht enttäuscht werden. Selannes 109 Punkte und Kariyas 99 Zähler bildeten 1997 den Grundstock für die erste Playoffteilnahme des jungen Teams aus Kalifornien. Nachdem man dort die Rivalen aus (inzwischen) Phoenix zunächst noch eliminieren konnte, gab es anschließend allerdings einen 'Sweep' gegen die Titelfavoriten aus Detroit. Obwohl drei der vier Spiele erst in Overtime entschieden wurden gelang den Ducks kein einziger Sieg in diesem Duell.
So endete eine an sich sehr erfreuliche Saison in Anaheim mehr als bitter.
Ein Streit mit dem Management führte in der Sommerpause zur Entlassung von Coach Wilson. Sein Nachfolger sollte Pierre Page werden.

Weitere Rückschläge folgten jedoch für die junge Franchise. So konnte sich Kariya nicht auf einen neuen Vertrag einigen, was ihn zum Pausieren zwang. Selanne allein wurde mit dem gestiegenen Druck auf seine Person nicht fertig. So verpasste man 1998 wieder die Endrunde. Weitere Personalwechsel waren die Folge: Neuer General Manager wurde Piere Gauthier, während der frühere Blackhawk Craig Hartsburg das Ruder hinter der Bande übernahm.
Paul Kariya meldete sich erfolgreich zurück und errang 101 Saisonpunkte. Selanne gelangen 1999 sogar deren 109 und gewann die Maurice Richard Trophy.
Erneut konnte man sich für die Playoffs qualifizieren, wurde von den Red Wings aus Detroit allerdings abermals vorgeführt und ohne Sieg direkt in die Sommerpause verabschiedet.
Wieder folgte eine schwere Spielrunde. Kariya und Selanne blieben für ihre Verhältnsse recht blass und das ehemals beste Powerplay der Liga viel auf einen unteren Rang im Ligavergleich. Dementsprechend fanden die Playoffs 2000 wieder ohne die Enten statt.

Weitere Infos zum Team

Eine längere Durststrecke begann. Drei mal in Folge scheiterte man an den Playoffs. Das Team drohte zu zerfallen. Tverdovsky wurde 2002 nach New Jersey abgegeben und auch Selanne zog es 2001 bereits in die Ferne. Er heuerte in San Jose an.
Das Publikumsinteresse an den Ducks ließ nach dem Weggang von Selanne spürbar nach. Der sonst immer gut besuchte Pond war oftmals nur noch halb gefüllt. Zeit zu handeln für die Verantwortlichen um einen Umzug der Franchise, über den auch schon laut spekuliert wurde, abzuwenden und der angeschlagenen Franchise neues Leben einzuhauchen.
Im Sommer 2002 wurden schließlich Bryan Murray zum neuen GM und Mike Babcock zum neuen Headcoach bestimmt. Routiniers wie Adam Oates und auch Petr Sykora verpflichtet. Alles samt Glücksgriffe, wie sich schon bald zeigen sollte.

In der Saison 2002/03 gelang nicht nur der Wendepunkt im Abwärtstrend des Teams, man wurde auch durch einen sensationellen Lauf in den Playoffs für die jahrelange vergebliche Mühe belohnt.
Zum Auftakt der Playoffs schaltete man den Titelverteidiger aus Detroit mehr als eindrucksvoll mit einem nie und nimmer erwarteten 'Sweep' aus und nahm damit quasi gleichzeitig Revanche für die in den Vorjahren erlittenen Playoffniederlagen in gleicher Deutlichkeit.
Dem nächsten Titelkandidaten, den Dallas Stars, gewährte man zwar zwei Siege, schaltete sie aber letztendlich ebenfalls klar und deutlich aus. Überragender Spieler der Off-Season im Ententrikot war dabei Torwart Jean-Sebastian Giguere, der die Gegner reihenweise schier zur Verzweiflung trieb.
Im Western Conference-Finale zweier Außenseiter, gegen die erstmals in Playoffs vertretenen Minnesota Wild gab es dann abermals ein 4-0 zu Gunsten der Mannen aus dem Vorort von Los Angeles.
Erstmals hatte man also das Stanley Cup Finale erreicht. Eine Sensation in der Hockeywelt. Man trat damit quasi das Erbe der Carolina Hurricanes aus der Vorsaison an, die damals ebenso überraschend das Finale um den Cup erreichten. Nur war die Art und Weise der Ducks fast noch beeindruckender. Bekamen sie es doch mit zwei Topfavoriten zu tun und schalteten beide souverän aus. Auf dem Weg ins Finale bestritt man fünf Begegnungen die erst in der Overtime entschieden wurden. Allesamt gingen an die Mighty Ducks of Anaheim!
Im Endspiel gegen den Meister des Ostens, die New Jersey Devils, schien nun alles machbar zu sein.

Mit Sergei Fedorov wollen die Ducks nach vorne schauen.

Ernüchterung herrschte in Kalifornien jedoch nach den ersten beiden Auswärtspartien der Finalserie. Zu deutlich dominierten die Devils ihre Heimspiele. Die Ducks hatten eigentlich keinerlei Chance eines ihrer ersten Auswärtsspiele erfolgreich zu gestalten. Das Team stand nun schon unter enormen Erfolgsdruck in den beiden folgenden Heimbegegnungen. Doch mit Glück und Geschick, und vor allem einen überragenden J.S. Giguere konnte man die Serie wieder ausgleichen.
Auch danach siegten jeweils die Heimteams in Ihren Spielen. Es kam zum alles entscheidenden siebten Spiel in New Jersey.

Zum Leidwesen der Ducks hielt aber auch hier die Serie der Heimerfolge. Erneut dominierten die Devils in East Rutherford recht deutlich und ließen beim 3-0 Sieg letztendlich nichts anbrennen.
Der Traum der Enten war ausgeträumt. Zwar erhielt Giguere die Conn Smythe Trophy, für den wertvollsten Spieler der Playoffs, doch auch das konnte ihn zunächst nicht so recht trösten. Inzwischen dürfte das anders sein, können die Südkalifornier doch auf eine tolle Spielzeit 2002/03 zurückblicken.

Im Sommer 2003 drohte dann abermals Ungemach. Mit Paul Kariya verließ der Kapitän des Teams den heimischen Teich, um in Zukunft in Denver wieder mit Selanne zusammen spielen zu können. Ein erneut heftiger Rückfall drohte der Franchise.
Mit Sergei Fedorov konnte auch nur ein einziger Hochkaräter neu für das Team gewonnen werden. Führungsspieler wie Adam Oates sucht man in dieser Saison vergeblich im Roster der Ducks. Trotzdem hielt sich das Team zu Saisonbeginn noch sehr respektabel. Inzwischen sind die Playoffs zwar ausser Reichweite geraten, dennoch konnte eine totale Bauchlandung nach der Sensation, wie ihn zuvor das Team aus North Carolina erlitten hatte, bisher vermieden werden.

Scheint als hätte sich das Team wirklich endgültig etwas freigeschwommen... (rp)

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