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nr.71 / jan. 2004 

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ESSAY
 
Mit der richtigen Chemie zum Erfolg - Islanders Trainer Steve Stirling

von Stefan Herget

Steve Stirling

Ein NHL-Trainer muss viele Dinge können und beherrschen. Im Falle des Steve Stirling ist mit das Wichtigste ein guter Chemiker zu sein, um die richtige Mischung für sein Team zu finden.
Im Alter von 53 Jahren übernahm er seinen ersten NHL-Trainer Job, was ihm zu einem der ältesten Coaches, die niemals selbst in der Liga gespielt hatten, machte. Doch im Gegensatz zu John Brophy(1986-87 Toronto Maple Leafs) und dem in Deutschland als ehemaliger Bundestrainer bestens bekannte George Kingston(1991-92 San Jose Sharks), die beide zum damaligen Zeitpunkt weniger gute Mannschaften übernahmen, wurden Stirling die New York Islanders übertragen: Eine Mannschaft, die nach zwei Playoffteilnahmen und dem jeweiligen Aus in der ersten Runde nach größeren Erfolgen schielt.

Alles lief bestens in Long Island in der Saison 2001-02, als der 36-jährige Rookie Trainer Peter Laviolette zusammen mit den Spieler Neuzugängen Michael Peca, Alexei Yashin und Chris Osgood ein Team formte, das auf Anhieb die erste Playoffteilnahme der Franchise seit 1994 schaffte. Doch die Freude währte nicht lange. In der ersten Runde gegen die Toronto Maple Leafs kam bereits das Aus. Die Islanders verloren auch noch für längere Zeit Peca, nach einem in den Augen vieler Isles Fans schmutzigen Foul von Gegenspieler Darcy Tucker.
Mit diesem Verlust behaftet taten sie sich ebenfalls zu Beginn der neuen Spielzeit schwer, doch mit Pecas Rückkehr kam auch der Erfolg zurück. Trotzdem und nicht zuletzt wegen weiterer Durchhänger blieb das Rennen bis zum Schluss spannend und die Islanders hatten es nur ihren Lokalrivalen vom Big Apple, die zum Ende der regulären Saison noch schlechter spielten, zu verdanken, dass es für den achten Platz noch reichte. Die Meisterrunde war wieder schnell beendet, denn gegen die Ottawa Senators zeigten die Islanders zu wenig, um bestehen zu können. Die Stimmen der Unzufriedenheit mit Coach Laviolette mehrten sich nicht nur im Umfeld. Der frische Winde, den er in der Vorsaison nach Long Island gebracht hatte wandelte sich in eine Flaute. Es wurde deutlich, dass die Chemie zwischen Trainer und Team nicht mehr stimmte. General Manager Mike Milbury zog sechs Wochen nach dem Ausscheiden die Reißleine und entband seinen Übungsleiter von seinen Pflichten. "Letztendlich wurde die Entscheidung gefällt, weil die Kommunikation zwischen Team und Trainer gekappt wurde. Wenn sie einmal unterbrochen ist, dann lässt sich das nicht mehr flicken", analysierte nüchtern Milbury nach der Bekanntgabe.
Al Arbour, der Erfolgstrainer mit vier Stanley Cup Gewinnen Anfang der 80er Jahre, an dem immer noch alle seine Nachfolger gemessen werden, betonte einmal, dass gute Mannschaften diejenigen seien, wo "die Spieler für jeden anderen spielen.' Dieses Motto zeichnete Laviolettes Arbeit in seinem ersten Jahr aus, doch mit zahlreichen Fehlern zerstörte er seine guten Anfänge. Er verärgerte ein paar Akteure mit seiner Verteilung der Eiszeit, in dem er einige bevorteilte und andere vernachlässigte, was zu Neid und Cliquenbildung führte. Auch im taktischen Bereich gab es Diskrepanzen, so dass das Powerplay zu den schlechtesten der Liga zählte. Zu guter Letzt wurden die Meinungen der Spieler kaum akzeptiert.

Dann kam Stirling, ein früherer Teamkollege von Milbury in den Minor Ligen, der die meiste Zeit seiner Karriere bei schlechteren Collegeteams coachte und als Konditionstrainer verbrachte, bevor er 1997 sich der Islanders Franchise anschloss. Nachdem er als Spielerbeobachter und Aushilfs-Co-Trainer arbeitete, war er zwei Jahre Coach der Bridgeport Sound Tigers, den AHL Farmteam der Islanders. Seine Bilanz dort konnte sich mit dem Einzug ins Calder Cup Finale 2002 und der Playoffteilnahme trotz zahlreicher Spielerabzüge in die NHL 2003 durchaus sehen lassen.
Genug, um Milbury zu überzeugen, der eigens süffisant betonte nach zwei Jahren Zusammenarbeit mit einem der jüngsten Trainer der NHL "einen Mann mit grauen Haaren" haben zu wollen. Stirling war der ideale Kandidat, denn trotz der Tatsache, dass Milbury ihn seit gut drei Jahrzehnten kannte, lernte er ihn erst aufgrund der engeren Zusammenarbeit schätzen. "Es war erst in den letzten sechs Jahren, dass Mike und ich uns besser kennen lernten", sagt Stirling. "In den letzten zwei Jahren konnte er aus erster Hand sehen, zu was ich oder zu was ich nicht in der Lage bin. Das war mein Durchbruch."

Milbury, der aufgrund der Investitionen der Eigentümer in die Mannschaft im Jahr 2001 selbst unter Erfolgsdruck steht, hatte klare Erwartungen in seinen neuen Trainer, der die Islanders in den nächsten Level führen solle. Auch wenn Spieler wie Team Kapitän Peca nicht öffentlich über Diskrepanzen zwischen dem Team und Laviolette sprachen, so räumte er doch ein, dass zwischen der Mannschaft zu wenig Kommunikation herrschte, was zur Konfusion und Missverständnissen führte. Stirling war klar, dass er hier einhaken musste: "Das ist ein Dauerthema, die Kommunikation innerhalb, sowie zwischen Mannschaft und Trainer offen zu halten und vor allem dabei ehrlich zu bleiben, das ist wohl das schwierigste überhaupt. Als Trainer möchte man keine Gelegenheit verpassen seine Auffasungen mit den Spielern zu besprechen und es gibt in diesem Geschäft nicht genug Zeit, um darum herum zu reden. Man darf nicht vergessen, dass man dabei noch mit 20 verschiedenen Charakteren umgehen muss, daher ist die Art und Weise ganz entscheidend."

Darüber hinaus ist Stirling aber auch bereit Meinungen anderer zu akzeptieren: "Es gibt keinen der ein Experte in allen Belangen dieses Geschäftes ist und ich höre zu, wenn jemand Ideen hat, sei es von Mike Milbury, den Spielern oder meinen Assistenten. Ich habe keine Angst davor, Dinge auszuprobieren."

Obwohl Stirling das Wort 'Trapsystem' nicht in den Mund nimmt, hat es ihm die Taktik des Stanley Cup Gewinners von 2003, den New Jersey Devils, durchaus angetan. Vielleicht kommt dies daher, dass einer seiner früheren Förderer Devils General Manager Lou Lamoriello war, der Stirling zum Providence College holte, wo Lamoriello Mitte der 80er Jahre als Konditionstrainer arbeitete. "Sie haben bewiesen, dass sie ein perfektes System gefunden haben, bei dem sie, wenn sie hart genug dafür arbeiten und aus ihren Fehlern lernen, Erfolg haben können", sagt Stirling. "Ich glaube, wenn wir ein System finden, das uns und den Fähigkeiten unseres Spielerpotenzials liegt und dann dieses System knallhart durchziehen, dann haben wir auch eine Chance erfolgreich zu sein."
Stirling nutzte das Trainingscamp, um sein 'Defensive zuerst' Konzept zu erproben, ähnlich dem der so erfolgreichen Devils. Es handelt sich um ein Fünf-Mann-Schema, mit dem sich die Spieler und besonders die Verteidiger schnell anfreundeten, weil es einfach zu handhaben war. Spieler haben den Auftrag den Raum zu decken, anstelle einen einzigen Mann quer über das Eis zu verfolgen, wie es bei Laviolette noch üblich war, der ein System nach dem Motto 'Druck auf den Puck ausüben' durchsetzen wollte und dabei einige Spieler überforderte.

Die Islanders präsentieren sich wieder als eine Einheit

Verteidiger Adrian Aucoin und Kenny Jonsson sind immer noch angetan von der Spielweise, die ihre Arbeit um einiges erleichtert, weil alle fünf Spieler Unterstützung in der Defensive leisten. "Man kann es spüren, vor allem dann, wenn die Stürmer ihre Arbeit machen", betont Jonsson. "Ich glaube das ist ein wesentlich einfacheres System ... wir lassen den Puck zu uns kommen. Wir spielen überlegter und wir sind es, die Konter setzen können." Eine Sache will Stirling dabei gewährleisten, nämlich dass jeder Spieler beteiligt ist. Das zahlt sich wiederum aus, physisch und psychisch. "Ich muss es erreichen, dass sie besser zusammen spielen von Spiel zu Spiel", erzählt Stirling. "Wenn wir das schaffen, dann ist man auch in der Lage die vierte Reihe und den fünften und sechsten Verteidiger häufiger einzusetzen und dann fühlen sie sich wiederum eher zur Mannschaft gehörend und noch wichtiger geben den Besseren etwas mehr Verschnaufpausen, so dass wenn man in den letzten zehn Minuten zurückliegt und gerade auf sie angewiesen ist, sie noch etwas im Tank haben."

Trotz seines Alters senseits der 50 kommt sich der Familienvater von zwei Söhnen noch nicht abgebrüht vor: "Ich fühle mich nicht alt. Ich bin ein Veteran, der über die Jahre auf zahlreichen Veranstaltungen zugegen war und ich glaube das hilft mir etwas dabei Dinge richtig einzuschätzen, weil ich doch so meine verschiedesten Erfahrungen gemacht habe." Es bleibt abzuwarten, ob dies genügt, die Islanders den entscheidenden Schritt nach vorne Richtung Conference Finale zu führen. Derzeit hat das Verletzungspech zugeschlagen und Torjäger Yashin fällt für drei Monate aus. Nur wenn sein Ausfall kompensiert werden kann, geht der Weg Richtung Playoff. Es gibt keinen besseren Moment in dem sich zeigen kann, ob die Chemie auf Long Island dank Stirling wieder stimmt. (sth)

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