NHL-Eishockeymagazin
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nr.68 / okt. 2003 

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REPORT
 
Jede Menge Tore, Fans und gesplittertes Plexiglas
Die Maple Leafs in Stockholm.

von Stefan Herget

Mit dem Auftritt der Toronto Maple Leafs vom 13. bis 20. September in Helsinki und Stockholm zum NHL Challenge 2003 und den Freundschaftsspielen gegen die europäischen Topklubs Jokerit, Djurgarden und Farjestad setzte die NHL auch dieses Jahr ihre Tradition von Einsätzen ihrer Teams außerhalb Nordamerikas fort. Mehr als ein Dutzend Länder wurden mittlerweile seit sechs Jahrzehnten von der NHL und ihren Mannschaften bereist. Die Eishockey.com-Redakteure Bernd Rösch und Stefan Herget waren auf Einladung der NHL nach Stockholm geflogen und berichten hier über ihre Erlebnisse.

Doch zunächst zurück zur Geschichte: Bereits 1959 angefangen mit den Boston Bruins und den New York Rangers, die in Europa 23 Spiele in 10 Städten, darunter Genf, Zürich, Dortmund, Essen, Krefeld, Berlin und Wien, absolvierten, entwickelte sich eine Bereitschaft der Mannschaften zu diesen 'Werbetouren'. Es dauerte aber bis zum Jahre 1976, ehe die Washington Capitals und die Kansas City Scouts einen Gastauftritt in Japan unternahmen. Im September 1980 waren es erneut die Capitals, die zusammen mit den Minnesota North Stars an einem Turnier in Schweden teilnahmen. In 1989 war Schweden, Russland und die Tschechoslowakei Anlaufstation der Capitals und der Calgary Flames, während 1990 die Montreal Canadiens und die Minnesota North Stars zur Saisonvorbereitung nach Schweden und Russland reisten. Zur gleichen Zeit nahmen die St. Louis Blues und der frischgebackene Champion Edmonton Oilers am Epson Cup der Düsseldorfer EG teil. Die Oilers spielten anschließend noch in Österreich. Drei Jahre später präsentierten sich die New York Rangers und die Toronto Maple Leafs in London und 12 Monate darauf die Winnipeg Jets in Finnland.

Zur Promotion für die Teilnahme einiger NHL-Spieler an Olympia 1998 in Nagano wurde die Saison 1997-98 von den Mighty Ducks of Anaheim und den Vancouver Canucks in Japan eröffnet, ebenso wie ein Jahr später von den Calgary Flames und den San Jose Sharks, sowie 2000 von den Pittsburgh Penguins und den Nashville Predators.
Die Vancouver Canucks (2000) und die Colorado Avalanche (2001) machten sich ebenfalls in Schweden fit für die darauf folgenden Spielzeiten.

Nunmehr lag es 2003 an den Toronto Maple Leafs in der Heimat ihrer Akteure Mats Sundin, Mikael Renberg oder Aki Berg Werbung für die beste Liga der Welt zu machen. Dass dieses Ereignis über die Grenzen Schwedens hinaus Fazination entwickelte einmal Spieler wie Tie Domi, Ed Belfour, Owen Nolan, Joe Nieuwendyk oder Bryan Marchment live zu sehen, zeigte sich nicht nur im Stadtbild Stockholms, wo in diesen Tagen viele NHL-Fans unterwegs waren, sondern auch daran, dass bereits im Flugzeug von Deutschland nach Schweden NHL-Fans sogar aus Italien zugegen waren.

Die NHL wollte dieses Ereignis natürlich nutzen, um weiter Werbung für die nordamerikanische Hockey Liga zu machen. So wurden vor der Globe Arena die für Kinder zum Spielen üblichen Stationen zum Üben von Schüssen und Torwartkünsten aufgebaut. In der Halle gab es neben den gewohnten Fanartikeln der Maple Leafs, allerdings in begrenzter Anzahl, einen Stand an dem ein Künstler live die Verzierung und Bemalung von Torwartmasken demonstrierte. Innen präsentierte sich der Globen in seinem grellen Rot, bedingt durch die einheitliche Farbe der Sitze.

Schon beim Warmlaufen der Spieler wurde deutlich, wem das eigentliche Interesse des Abends, trotz der Anwesenheit zahlreicher Djurgarden Fans, galt: Den Akteuren der Toronto Maple Leafs. Der Eindruck verstärkte sich noch, als alle Spieler einzeln einlaufen durften. Wen wundert es, dass Mats Sundin, neben seinem schwedischen Landsmann Mikael Renberg den meisten Beifall erhielt. Als kleine Zugabe von Trainer Pat Quinn durfte auch das Djurgarden Urgewächs Torhüter Mikael Tellqvist als Ersatz von Ed Belfour auflaufen.
Einer toppte an diesem Abend aber selbst die Reaktionen auf Sundins Auftretten: Der ehemalige schwedische Leafs Verteidiger Börje Salming, der zwischen 1973 und 1989 insgesamt 1.099 Partien für die Maple Leafs in der NHL absolvierte, durfte zum Eröffnungsbully den Puck werfen und wurde von den knapp 14.000 Zuschauern im ausverkauften Globen mit stehenden Ovationen gefeiert.

Nachdem die Leafs bereits zwei Tage zuvor gegen Jokerit Helsinki mit 5-3 die Oberhand behielten, bestimmten sie die Begegnung gegen Djurgarden ab dem zweiten Drittel nach Belieben und gewannen locker mit 9-2 Toren.
Etwas enttäuschend war, dass trotz der zahlreichen Anhänger nur selten Stimmung aufkam. So versuchten schließlich ein paar wackere Eisbären Berlin Fans aus dem Oberrang mit kräftigen 'Dynamo'-Rufen wenigstens für etwas Atmosphäre zu sorgen. Sogleich wurde von der anderen Seite ein paar Minuten später, aber etwas zaghafter mit 'Eisbären, wir hören nichts' geantwortet. Die Schweden werden es kaum verstanden haben.

Mehr Stimmung von den Anhängern ging schließlich 24 Stunden später gegen Farjestad aus. Hinter dem Tor hatte sich ein kleiner Fanblock gebildet, der seine Mannschaft lautstark unterstützte, was sich positiv auf den Rest der Halle auswirkte. Mit dazu bei trug aber auch der Spielverlauf, denn die Schweden waren nicht gewillt sich auch nur ähnlich 'abschlachten' zu lassen, wie ihre Kollegen aus der Eliteserie am Tag zuvor.
Ordentlich hielten sie auch kämpferisch dagegen und wer dachte, dass bei diesem Freundschaftsspiel kein Körperkontakt erlaubt sei, sah sich getäuscht. Bis zur 37. Minute, in der Alexander Mogilny die Kanadier mit dem 1-0 erlösen konnte, hatten die Schweden mehr vom Spiel und auch die besseren Chancen. Höhepunkt des spektakulären Kampfes beider Teams war eine aus einem Check heraus gesplitterte Plexiglasscheibe direkt vor dem Schiedsgericht, wo sich die dort Sitzenden zum Glück nur einen ordentlichen Schrecken abholten. Die erfahrenen NHL-Schiedsrichter Terry Gregson und Don Van Massenhoven hatten zumindest alle Hände voll zu tun, das Spiel im Griff zu behalten.

In beiden Begegnungen fiel auch, dass Toronto etwas Mühe hatte sein System auf der größeren Eisfläche durchzuziehen, während die Schweden mit der Auslegung der NHL-Regeln, nach denen gespielt wurde, das ein oder andere Problem hatten. Ob es nun das Bestrafen des Zwei-Linien-Passes oder das Touch-Icing (unerlaubter Weitschuss wird erst bei Berühren des Pucks durch einen Verteidiger und nicht beim Überqueren der Torlinie gepfiffen), man merkte den Spielern aus Djurgarden und Farjestad an, dass dies nicht ganz in ihren Köpfen verankert ist. Besonders deutlich wurde dies auch bei der Auslegung der Abseitsregel (Abseits wird erst durch Herausspielen des Pucks aus dem Verteidigungsdrittel und nicht durch Herauslaufen der Stürmer aufgehoben) oder der Bestrafung vom Spielen ohne Ausrüstung. Während ein Bryan Marchment nach NHL-Regel ohne Helm munter weiterspielte, suchten die Schweden regelkonform nach der IIHF-Regel in diesem Fall sofort die Ersatzbank auf.

Insgesamt kann man aber durchaus von einer gelungenen Veranstaltung sprechen. Wie wichtig der NHL diese Auftritte sind, zeigte die Tatsache, dass zahlreiche Team Direktoren anderer Mannschaften wie Jean Martineau aus Colorado oder Alex Gilchrist aus Anaheim ebenfalls in Stockholm zugegen waren. Es bleibt nur zu hoffen, dass die beste Liga der Welt auch in südlicheren Gefilden Europas wieder einmal Station macht, damit deutsche Fans nicht bis nach Schweden müssen und kürzere Anreisewege haben. (sth)

 

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