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nr.67 / sep. 2003 

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REPORT
 
Stanley Cup Finale - Nicht nur ein Kampf um den Cup

von Stefan Herget

In nur einem Monat beginnt in der NHL die neue Saison 2003/04 und damit der lange und kraftraubende Kampf um die begehrteste Eishockeytrophäe der Welt - dem Stanley Cup. Zur Einstimmung darauf, hier ein Rückblick auf das letzte Finale und dem Geschehen rundherum. Dieser Bericht wurde exclusiv für das deutschsprachige Eishockeymagazin 'Eishockeyworld' verfasst und konnte dort in der Juni-Ausgabe gelesen werden.

New Jersey Devils gegen die Mighty Ducks of Anaheim - konträrer hätte die Finalpaarung 2003 nicht aussehen können. Auf der einen Seite das Team aus dem Osten, das als Einziges seit 1995 den Mannschaften der Western Conference Paroli bieten konnte, weil nur sie es schafften in diesem Zeitraum für die Eastern Conference den Titel zu holen (1995, 2000), und auf der anderen Seite der Überraschungschampion des Westens, der als Siebter in die Playoffs gestartet war und sich trotzdem gegen die Favoriten aus Detroit und Dallas klar durchgesetzt hat.

Aber auch die Fanlager könnten nicht gegensätzlicher sein. Die mit drei Finalteilnahmen in den letzten vier Jahren erfolgsverwöhnten Anhänger der New Jersey Devils gegen die kleine Fangemeinde der Mighty Ducks, die sich im Vorort von Los Angeles gegen die weitaus beliebteren Kings durchsetzen müssen und auch im zehnten Jahr ihres Bestehens bereits über den Einzug in die Meisterschaftsrunde froh sein durften. Aufgrund der Verbindung zur Walt Disney Company und der Nähe des Spielortes zu Disneyland, aber ebenso aufgrund des sehr comichaften Logos zählen viele Kinder, Heranwachsende zu den Unterstützern der Mannschaft.

So war nicht unbedingt klar, was in beiden Städten an Aktivitäten rund um das Stanley Cup Finale zu erwarten war. Kurz erinnert sei hierbei nur an die letzte Saison, als sich die Fanlager aus Detroit und Carolina wahre Schlachten mit Sprüchen und Transparenten zum 'Millonärsteam' der Red Wings und den 'Bauerntölpeln' der Hurricanes ablieferten.

Es begann nicht unbedingt verheißungsvoll, als der Taxifahrer, der mich zur Continental Airlines Arena fahren sollte fragte, ob denn heute dort ein Eishockeyspiel stattfinden würde. Irgendetwas war an ihm wohl vorüber gegangen. In den in Stadionnähe gelegenen Städten New Jerseys Newark, Rutherford oder Lyndhurst konnte man ebenfalls nichts von einem Stanley Cup Fieber feststellen. Wenig deutete auf das große Ereignis hin. Am Sportcomplex in East Rutherford angekommen waren immerhin zahlreiche Container für die übertragenden Fernsehstationen aufgebaut. Ansonsten zeigte sich alles still und friedlich. Nur ein paar unentwegte Fans des NBA-Teams New Jersey Nets standen bereits am Kartenschalter für den 24 Stunden später stattfindenen Vorverkauf zum NBA-Finale an.

Das Bild änderte sich schlagartig am Nachmittag als sich der Parkplatz allmählich füllte. An der Frontseite des Stadions hing nun ein Banner, das mit den Teamlogos und den Worten 'Arena of Champions, Win for New Jersey' auf die Doppelfinalteilnahme der Mannschaften aus New Jersey in der NHL und NBA hinwies. Die übliche Stanley Cup Party der Fans, bei der Campingtische und -stühle, sowie Barbecue Grill ausgepackt werden, konnte beginnen. An der Einfahrt hatten die ersten ein großes Transparent mit der Aufschrift 'Welcome to Hell' (Willkommen in der Hölle) gespannt, um die mit Autos und Bussen ankommenden Gäste zu begrüßen. Dicht daneben der erste Seitenhieb auf die verhasste Truppe aus Manhattan, die es trotz hochkarätiger Besetzung zum sechsten Mal in Folge nicht in die Playoffs geschafft hatte. 'Die Devils sind zurück - und die Rangers weinen zum sechsten Mal in Folge' heißt es da frei übersetzt. Die Mannschaft diesseits des Hudson Rivers bleibt auch bei weiteren Beobachtungen durchaus ein Thema. Vier Jungs tragen Rangers Trikots, die aber keineswegs den Originalen entsprechen, sondern mit Antisprüchen bestickt sind. '14 - Crackhead' ist in Anspielung auf Theo Fleurys Drogeneskapaden auf dem Rücken zu lesen.

Kreativ zeigen sich die Devils Anhänger auch in Bezug auf ihrem Gegner aus Kalifornien. Fast überall wird statt den üblichen Burgerfladen aus Rindfleisch, Ente gegrillt und geröstet. Manche belassen es bei theoretischen Anspielungen, in dem sie vier Plastikenten mit Nummern der Ducks Spieler Sykora, Giguere, Kariya und Oates verziert in eine Pfanne mit Gemüse gestellt haben. Die Nächsten haben echte Hühnchen (nicht ganz stilecht) ebenfalls mit Nummern verziert und an Stricken aufgehängt. Es handelt sich hierbei um die Fangruppe aus Block 217, wie die Rückennummern ihrer Trikots schon verraten. Sie bezeichnen sich selbst als 'Devilsverrückt' und sind bei jedem Spiel von ganz oben in der Arena dafür verantwortlich, dass so gut es eben geht Stimmung herrscht. Davon kann ich mich beim Spiel wenig später selbst überzeugen, liegt mein Platz doch genau hinter ihnen.

Ein paar Autos weiter hat sich der Fanblock 228 versammelt. Der 35-jährige Ray Torella, ein Elektriker aus Lincoln Park erklärt mit einem Budweiser in seiner Hand, dass die Mighty Ducks eine Schneewitchen Mannschaft sind, doch der Spiegel wird an den Devils zerbrechen. "Das hier ist nicht Disneyland", sagt er im Brustton der Überzeugung, etwas übertönt von der Rockmusik, die aus der gewaltigen Anlage stammt, die sie aufgebaut haben und damit fast den kompletten Parkplatz beschallen.

Direkt vor dem Stadion wurde eine kleine Fansection aufgebaut, in der es Merchandise zu kaufen gibt, aber auch die ein oder andere Partie Tischeishockey gespielt werden kann. Budweiser, einer der Hauptsponsoren ist mit einem prachtvollen achtspännigen Pferdewagen zugegen und zieht, wie beabsichtigt, die Interessen dadurch auf sich.

Im Mittelpunkt stehen auch die beiden Freundinnen Jennie Ghear und Teresa Rodney, die mit dem Mighty Duck Booster Club gen Osten geflogen sind und sich nun im Ducks Trikot blöde Sprüche anhören müssen. Leiden, die sie gerne auf sich nehmen, sollten die Ducks gewinnen. Das hofft auch Jeff McMahan, der aus Pelham, N.Y. nicht so weit anreisen musste und sich einen Spaß daraus macht im Rangers Trikot zu erscheinen. "Ich habe 500 Dollar für einen Platz in der ersten Reihe bezahlt, um von allen gesehen zu werden", gibt er etwas sarkastisch von sich und lässt kein gutes Haar am Lokalrivalen: "Zur Hölle mit den Devils, auf geht's Ducks!"

'Let's go Mighty Ducks' steht auch ein paar Tage später über der Straße in Anaheim geschrieben. Ein paar Hotels laden Ducks Fans zu besonderen Konditionen in ihre Räumlichkeiten ein. Ansonsten auch hier zunächst wenig von Finalstimmung zu spüren. Bei 30 Grad Celsius in Kalifornien hat Mickey Mouse in Disneyland das Geschehen weitgehend im Griff. Erst als man in die Nähe des Arrowhead Pond kommt, deuten weiße Banner seitlich der Straße mit der Aufschrift 'Mighty Ducks Playoffs 2003' darauf hin, dass auch im Juni noch Eishockey gespielt wird.

Im Gegensatz zu New Jersey ist auch kurz vor den Partien wenig Enthusiasmus auf dem Parkplatz zu spüren. Ein extra auf gebauter 'Beer Garden', in dem eine Musikgruppe Livemusik von sich gibt, ist der einzige Anlaufpunkt. Es scheint hier kaum bekannt zu sein, wie üblicherweise vor dem Cupfinale gefeiert wird. Dafür zeigen sich die Ducks angesichts der Schilder und Verkleidungen im Stadion wesentlich kreativer. Drei Jungs tragen je ein Wings, Stars und Wild Jersey, auf denen jeweils das Logo durchgestrichen ist. 'Jeff Friesen und Oleg Tverdovsky tragen das unter ihrer Uniform', verweist ein Plakat auf eine Boxershort mit lauter kleinen Ducks Logos in Anspielung auf das frührere Engagement der Beiden in Anaheim. Ein Anderer versucht sich zweckoptimistisch als Hellseher zu bestätigen: 'Wings 4-0, Stars 4-2, Wild 4-0, Devils 4-2. Was für eine Serie!' steht da zu lesen.

John Smead aus Rancho Santa Magarita in Kalifornien hat sich etwas besonderes einfallen lassen und ist in einem völlig ausgewaschenen T-Shirt erschienen. Er hat das Kleidungsstück vor zehn Jahren während der ersten NHL-Saison erstanden und er ist stolz es am ersten Stanley Cup-Heimspiel zu tragen. "Ich werde es nicht mehr waschen, ehe sie den Cup gewonnen haben", bemerkt er. "Und dann, werde ich es zur Ruhe setzen."

Nicht nur er hatte wegen der Siege Grund nach den Begegnungen zu feiern. Das, was vor dem Spiel, vielleicht in ehrfürchtiger Zurückhaltung versäumt wurde, holten die Ducks nun nach und verwandelten den Parkplatz laut hupend und schreiend in ein Tollhaus.
Als das gut eine Stunde nach Spielende beginnt abzuklingen, versammeln sich noch ein paar Hundert Unentwegte vor der Ausfahrt zur Laderampe, wo auch die Spieler mit ihren Autos vorbeikommen müssen, um das Gelände zu verlassen. Die Fans stehen hier in der Hoffnung, dass vielleicht doch einer anhält, Autogramme gibt oder auch einfach nur winkt. "Die Ducks sind so zugänglich und freundlich wie vor den Playoffs. Sie kommen raus, sprechen mit uns über ihre Familien oder auch über das letzte Spiel", sagt die 45-jährige Laura Dayton, die seit acht Jahren eine Jahreskarte besitzt. Trotzem hält nun kaum einer an der Ausfahrt, anders als nach dem morgentlichen Training. Sobald ein Fahrzeug erscheint, beginnen alle zu Jubeln und zu Schreien. Manche Experten erkennen sofort am Auto, wer kommt und informieren den Rest der Wartenden. Die meisten Spieler zeigen sich freundlich und grüßen zumindest die Menge. Nur einer, den viele erwarten, fährt davon ohne eine Miene zu verziehen. Paul Kariya lässt es scheinbar vollkommen kalt, wenn Kinder begeistert seinen Namen rufen.

Am nächsten Morgen ging der Stanley Cup tradionsgemäß auf Tour durch die angrenzenden Regionen Anaheims. In Ehrung des Finaleinzugs der Mighty Ducks hatten Fans die Möglichkeit an vier Standorten den Cup zu betrachten und fotografieren. Der Pokal ist eine Trophäe der Fans und das soll hierbei verwirklicht werden. In Huntington Beach südlich von Anaheim hält sich der Andrang jedoch in Grenzen. Trotzdem nutzen die vorbeikommenden Massen die Gelegenheit einen Blick auf das Objekt der Begierde zu werfen. Begeistert werden eingravierte Namen von Spielern gesucht und Fotos geschossen. Manche gehen zu weit und versuchen den Pokal anzufassen und hochzuheben. Für diese Fälle steht Mike Bolt seinen Mann und verweist die Anwesenden auf die Spielregeln. Der 34-jährige Bolt ist einer der Cupwächter, die extra dafür angestellt sind die Trophäe zu bewachen. Seit die Rangers 1994 - wie so häufig in der Vergangenheit - Lord Stanley nicht gerade pfleglich behandelten, begleitet einer der Wächter ihn ständig. "Wir wollen, dass mit ihm sicher und respektvoll umgegangen wird," betont Bolt. "Das ist unser Job." Bolt wird auch dabei sein, wenn der Cup mit den Spielern und Offiziellen des Siegers im Sommer mit jedem einen Tag auf Reisen geht. Vielleicht dann wieder bei etwas ganz Verrücktem, wie 1996 als er mit einem Offiziellen der Colorado Avalanche Mount Elbert in Colorado besteigen musste. Aber eines ist ihm sicher, er wird viel reisen müssen, auch nach Europa, nachdem die Aktiven mittlerweile aus vielen Ländern und Nationen kommen. (sth)

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