NHL-Eishockeymagazin
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nr.66 / jun. 2003 

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PORTRAIT
 
Der mächtigste Mann im Eishockey

NHL Commissioner Gary Bettman seit 10 Jahren im Amt

von Stefan Herget

Die NHL hatte schon einige starke Persönlichkeiten als Ligapräsidenten an der Spitze ihrer Organisation seit der Gründung im Jahr 1917. Aber vor einem Jahrzehnt, nachdem John Ziegler abtrat, entschieden die Eigentümer der NHL, dass der Mann ganz oben, entsprechend den anderen professionellen Sportarten, noch etwas mehr Macht besitzen sollte und suchten den ersten NHL Commissioner. Fündig wurden sie in einer anderen Organisation des amerikanischen Profisports, nämlich bei der NBA.

1992 arbeitete Gary Bettman für die NBA als General-Rechtsanwalt und Vizepräsident direkt unter dem NBA Commissioner David Stern. "Es wäre nur gerecht zu sagen, dass David Stern mein Mentor im professionellen Sport war", sagt Bettman heute. "Wir hatten über die Jahre eine sehr enge Beziehung. Als ich bei der NBA war, verbrachte ich mehr Zeit mit ihm als mit jedem anderen in der Organisation."
Das Board der Gouverneure registrierte schnell, dass Bettman, der ein großer Eishockey-Fan war, ihr idealer Kandidat ist. Am 1. Februar 1993 wurde Gary Bettman der erste und bislang einzige NHL Commissioner.

Bettmans erste Erfahrungen mit Eishockey sammelte er als heranwachsender Junge in Long Island und bekennender Fan der New York Islanders. Sein Interesse intensivierte sich noch während seiner College Zeit. "Als ich nach Cornell kam, nahm Eishockey einen zunehmend signifikanten Platz in meinem Leben ein. Cornell war eine Hochburg des College Hockeys und ich war ein Dauerbesucher des Teams in den vier Jahren, die ich dort verbrachte, was gleichzeitig aber bedeutete, dass ich auch einige Nächte im Freien verbringen musste, nur um an die Karten zu kommen", bemerkt Bettman.
Nach seinem Abschluss ging Bettman an die New Yorker Universität um Recht zu studieren und begann so seine erfolgreiche Karriere in Jura. Zu dieser Zeit konnte er noch nicht ahnen, dass dieser Weg ihn eines Tages zum mächtigsten Mann im Eishockey machen würde. Drei Jahre vertiefte er seine Kenntnisse im Sportbereich, ehe er 1991 von der NBA als stellvertretender General-Rechtsanwalt angestellt wurde. In dieser Zeit sammelte er die Erfahrungen, die ihm in seiner späteren Rolle hilfreich sein würden: "Ich wurde bei der NBA mit allen Aspekten vertraut, die nötig sind eine professionellen Sportliga zu verwalten: Wie die Dynamik arbeitet, was für verschiedene Aufgaben nötig sind, von der Termingestaltung über die Sicherheit, die Lizenzvergaben, dem Fernsehen bis zum Marketing. Ich hatte die Gelegenheit alles zu sehen, wie es zusammen arbeitet und passt.

Mit der Übernahme des Commissioner Postens bei der NHL war es vom ersten Tag an sein Ziel das Spiel so stark zu machen, wie es nur sein könnte, interessanter für die Fans und wesentlich populärer. "Wir hatten eine Organisation umzustrukturieren, denn vieles lief nicht im Gleichschritt", sagt Bettman. "Als ich dazu kam, gab es niemand der für die Gestaltung der Liga verantwortlich war. Ebenso gab es in den USA keinen Zuständigen für die Übertragungsrechte, für Sicherheitsfragen und Marketing. Wir versuchten daher schnell alle Bereiche abzudecken, die jede professionelle Sportliga beinhaltet, um eine entsprechende Marktposition einzunehmen."
Viele Felder musste der Neue abdecken. "Wir benötigten in Kürze eine neue Gehaltsvereinbarung mit den Offiziellen und eine weitere mit den Spielern. Außerdem sollte die Liga weiter in den Vordergrund und mehr Wachstum aufweisen. Wir brauchten mehr Sponsoren und Lizenznehmer", umschreibt Bettman das Aufgabengebiet nach seiner Übernahme. Nicht wenig Kritik sieht sich dieser Mann immer ausgesetzt, doch zurückblickend hat sich das Vertrauen der Gouverneure ausgezahlt, denn Bettman kann bemerkenswerte Erfolge vorweisen. Unter seiner Führung hat die NHL einen gewaltigen Sprung nach vorne gemacht und das Wachstum in Bereichen wie Übertragungsrechten, Marketing, internationale Bekanntheit und Expansion gehörig an Fahrt aufgenommen.

Beim Amtsantritt 1993 zählte die NHL mit den gerade perfekten Zugängen aus Tampa Bay und Ottawa 24 Teams. Bettmans Engagement ist es zu verdanken, dass heute 30 Mannschaften um den Cup spielen. Regionen wurden erschlossen, von denen niemand dachte, dass sie konkurrenzfähig wären. "Es war sehr wichtig diesen Schritt zu wagen. Einer der Gründe ist wohl die nationale Identifikation der Amerikaner. 1990 waren wir in 11 Städten vertreten, jetzt sind es über 20", hebt Bettman die Wichtigkeit des amerikanischen Marktes hervor.

Phoenix Coyotes General Manager Michael Barnett, der in der Exekutive stets die Vorteile der NHL-Erweiterung gesehen hat, betont, warum die Expansion wichtig für den Eishockey-Sport war: "Seit der Übernahme durch Mr. Bettman ist es ein Fakt, dass mehr Kinder in den USA unser Spiel annehmen und besonders mehr als je zuvor in den 'Sonnenstaaten'. Man kann in der Nähe die NHL verfolgen, das macht Appetit und lässt einen von der großen Karriere träumen. Es gibt mehr und mehr gute Trainer über den Kontinent verteilt. Das vergrößert die Auswahl der Talente, wovon die NHL schließlich lebt. Mit der Festigung der Standorte Florida, Texas und Kalifornien ist die NHL von Küste zu Küste vertreten. Somit ist sie jetzt eine nationale und keine regionale Liga mehr."

Neben der Erschließung des amerikanischen Marktes wurde als weiteres Ziel die zunehmende Internationalisierung der Liga anvisiert. So wurde es unter der Regentschaft Bettmans erstmalig möglich, dass die besten Spieler der Welt an den Olympischen Spielen 1998 in Nagano teilnehmen konnten und auch 2002 in Salt Lake City ihre Sportart würdig präsentieren durften. "Es ist wichtig für die Sportart, dass die besten Akteure bei Olympia zugegen sind", sagt der langjährige slowakische NHL-Spieler Peter Stastny, der während seiner Karriere als einer der ersten Legionäre aus dem Osten Europas dafür sorgte die Liga in Osteuropa populär zu machen. "So wird der Sport in ein besseres Licht gerückt, als in der Vergangenheit und es öffnet mehr Spielern den Weg in de Liga."

Der Einfluss der Kufencracks aus Übersee in der NHL stieg schließlich in den letzten Jahren rapide an. Nicht zuletzt ein Verdienst von Gary Bettman, der diesen Prozess gefördert hat. Es bringt einen wesentlichen Vorteil mit sich. Die NHL hat von allen großen amerikanischen Sportarten die größte demographische Streuung vorzuweisen. "Wir haben die unterschiedlichsten Spieler aus den verschiedensten Ländern und mehr Spieler mit differenzierter Abstammung aus Nordamerika, die das Spiel betreiben, als jemals zuvor", betont Bettman. "Ich glaube unsere multinationale Splittung ist eine große Stärke. Wir haben Spieler aus 23 Ländern, ein Drittel der Spieler kommen nicht aus Nordamerika und sie gehören damit zu den besten Spielern der Welt."
Um die dazugehörigen Märkte besser zu erschließen, eröffnete die NHL ihre Saison schon zwei Mal in Japan und Teams wie Toronto oder Colorado hielten Sommercamps in Schweden ab. Die NHL war in der vergangenen Spielzeit in 216 Ländern der Erde im Fernsehen zu sehen.

Einer der wichtigsten Arbeiten zum Auftakt seiner Amtsperiode war für Bettman die erstmalige Vergabe der nationalen TV Rechte in den USA. "Es gibt keine notwendigere Sache als im nationalen Fernsehen vertreten zu sein", bemerkt er damals bei der Unterzeichnung. "Das ist es, was die Hauptsportarten von den anderen unterscheidet. Wir haben in den 70er und 80er, sowie in den frühen 90er Jahren die Gelegenheit versäumt, im Fernsehen präsent zu sein, aber es klappt gerade jetzt, in der Zeit, in der die Medienkonzentration verstärkt zunimmt."

"Wir haben eine sehr, sehr gute und pulsierende Fanbasis zu bieten, die sehr interessant für Werbungtreibende sein dürfte und ich bleibe optimistisch, dass wir weiter auf das Fernsehen bauen können", äußerte sich Bettman vor kurzem, angesichts schwindender TV Raten bei nationalen NHL-Übertragungen. "Man muss nur auf die Berichterstattung zurückblicken. Vor 15 Jahren wurden 50 Prozent der Partien übertragen. Dieses Jahr übersteigt die Zahl 98 Prozent, so dass der Markt abgedeckt ist. Wir haben mehr nationale und regionale Präsenz als je zuvor."

Mit dem Ziel mehr Kinder für das Spiel zu gewinnen, hat Gary Bettman ein Projekt mit der Entwicklung einer Website für Heranwachsende begleitet, die den Kindern alles über das Spiel beibringen soll, aber auch Videos aus der NHL speziell für Kinder beinhaltet. Das All-Star Game Wochenende wird seit ein paar Jahren zu einem Event mit vielen Aktivitäten auch für die Kleinsten und deren Familien genutzt.

Bettman weiß um die Wichtigkeit seiner Aufgabe, die er in den letzten zehn Jahren gut ausgefüllt hat. Doch die Probleme der Zukunft stehen nicht weit in der Ferne. Nach der kommenden Saison läuft die Vereinbarung über die Spielergehälter mit der Spielergewerkschaft NHLPA ab und vielen sehen schon einen Streik auf die Liga zukommen, wie 1995 beim Abschluss des letzten Vertrages. Dann würde die Liga viel einbüßen, was sie sich zuvor erarbeitet hatte. Doch der kühle Commissioner sieht es gelassen. Er weiß, dass das Verhältnis zur NHLPA lebenswichtig ist, die jedoch auch ein gemeinsames Ziel vor Augen haben muss: "Wir müssen übereinkommen, dass wir das richtige ökonomische System haben, dass alle unsere Clubs finanziell gesund und wettbewerbsfähig sein können und somit unser Spiel glaubwürdig bleibt und die Ticketpreise erschwinglich bleiben. Und wir arbeiten als Partner mit unseren Spielern, um das Resultat zu erreichen, welches sich für das Spiel, die Spieler, die Eigentümer und am aller wichtigsten für die Fans am meisten auszahlt." (sth)

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