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nr.63 / apr. 2003 

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INTERVIEW
 
"Ich glaube nicht, dass ich bei der WM spiele."
 
Marco Sturm(re.) mit Redakteur Stefan Herget

Der deutsche Stürmer Marco Sturm hat sich in der besten Eishockeyliga der Welt etabliert. Momentan fehlen dem geborenen Dingolfinger 30 Scorerpunkte, um der beste 1996 gedraftete NHL-Spieler zu werden. In der Partie der San Jose Sharks gegen die Dallas Stars erzielte der 24-Jährige zwei Treffer und erreichte damit die 100-Tore-Marke. In der ewigen Bestenliste der Franchise liegt der vielseitige Linksaußen bereits auf Platz 6.

Sein Trainer bezeichnete ihn letzthin als einen der besten Zwei-Wege-Stürmer der NHL. Diese Tatsache spiegelt sich auch in seinem Plus-Minus Wert wider, der mit derzeit Plus Acht, der beste aller Sharks Offensivkräfte ist. Mit 27 Saisontoren liegt Sturm in der Spitzengruppe der San Jose Sharks und konnte damit zum zweiten Mal hintereinander seine Bestleistung steigern.

Unsere Redakteure Bernd Rösch und Stefan Herget besuchten Marco Sturm in San Jose und führten ein Interview über diese Saison, seine Zukunft und die Eishockey-WM Ende April.

Eishockey.com: Hallo Marco, wie geht es dir nach so einer langen Saison?

Sturm: Das ist eine schwierige und zugleich eine ganz einfache Antwort. Von der Mannschaft her ist es heuer nicht so gelaufen, wie wir uns das alles vorgestellt und gewünscht haben. Aber persönlich ist es das beste Jahr meiner Karriere, von daher eher gut.

Eishockey.com: Trotzdem bleibt der Wehrmutstropfen der verpassten Playoffteilnahme.

Sturm: Es ist ärgerlich, wenn man nicht in die Playoffs reinkommt, obwohl man eine gute Mannschaft hat. Jedoch mit Trainerwechsel und Spielertrades ist in dieser Saison jede Menge passiert was weniger toll war.

Eishockey.com: In der Mannschaft herrscht offenbar weiterhin ein gutes Klima. Im Training werden viele Späße gemacht und es wird viel gelacht. Liegt die gelöste Stimmung daran, dass sich die Spielzeit dem Ende neigt oder habt ihr allgemein einen guten Zusammenhalt?

Sturm: Die Stimmung war eigentlich immer gut bei uns. Sicherlich ist es manchmal besser und manchmal schlechter. Aber das ist das Gute bei uns in der Mannschaft, dass das immer gepasst hat. Da war niemand dabei der gestört hat. Wir haben immer zusammengehalten. Aber natürlich ist es derzeit noch etwas lockerer, als wenn man unter Druck steht, dadurch dass sich die Saison dem Ende neigt.

Eishockey.com: Du wurdest lange für einen defensivstarken Stürmer gehalten. Jetzt gehörst zu den Toptorjägern der Sharks. Wie beurteilst du diese Entwicklung von dir?

Sturm: Ich konzentriere mich jetzt mehr auf die Offensive. Ich habe jetzt mittlerweile ein bißchen rausgekriegt, wie das geht. Ich habe ja die letzten sechs Jahre Zeit gehabt, das zu lernen. (lacht) Mit der Entwicklung meiner Schnelligkeit habe ich auch das Gefühl bekommen, dass ich in der Lage bin, Tore zu erzielen. Hinzu kommt noch, dass ich die letzten Jahre in der ersten oder zweiten Reihe gespielt. Das hilft einem natürlich auch noch, wenn man mit den richtigen Spielern auf dem Eis steht.

Eishockey.com: Spielten auch Vorgaben des Trainers eine Rolle?

Sturm: Nein, obwohl der letzte Trainer (Anm.: Darryl Sutter) hatte nach meinen 20 Treffern in letzten Saison schon gesagt, dass nächstes Jahr die 30 fallen muss. (lacht) Das war aber nur als Spaß von ihm gemeint ...

Eishockey.com: ...kann jedoch noch klappen.

Sturm: Ja, mal sehen.

Eishockey.com: Dein Vertrag läuft aus. Willst du in San Jose bleiben oder wie sieht die Tendenz aus?

Sturm: Mit Sicherheit will ich bleiben und wir werden uns bestimmt einigen. Es ist nur die Frage wann ...

Eishockey.com: ... das letzte Mal hat es drei Monate gedauert.

Sturm: Stimmt, aber heuer kann ich vor das Schiedsgericht gehen, das ist auch schon mal ein Plus für mich. Da wäre die Frage früher geklärt. Sicher wird es ansonsten etwas länger dauern, aber wir schauen mal.

Eishockey.com: Also du würdest gern ein längeres Engagement in San Jose anstreben?

Sturm: Sicher ja. Hier ist das drumherum unheimlich schön. Das Wetter ist zum Beispiel gut. Die Rahmenbedingungen sind ideal.

Eishockey.com: Aber steht das nicht im Gegensatz zum Ziel eines jeden NHL-Spielers irgendwann einmal den Stanley Cup zu gewinnen oder siehst du das Potenzial dazu in diesem Team?

Sturm: Das hängt sicher von den Trades und Wechseln im Sommer ab welchen Weg die Sharks gehen. Ob man mehr auf Junge setzt oder auch andere, schon erfahrene Neue kommen. Wie gesagt, es ist hier derzeit eine schwierige Situation. Wir hoffen, dass wir wieder eine gute Mannschaft zusammenbekommen, oben mitspielen und die Playoffs wieder erreicht werden. Dann ist alles möglich.

Eishockey.com: Wurde mit den Entlassungen von Trainer Darryl Sutter und Manager Dean Lombardi, welche die letzten Jahre gute Arbeit lieferten, nicht etwas vorschnell reagiert?

Sturm: Darryl war schon länger in der Kritik. Aber dadurch, dass das Team erfolgreich war, hielt sich das noch in Grenzen. Es ist schade, dass man ihm nicht mehr Zeit gegeben hat, aber eine Überraschung war es weniger. Anders beim Dean, der eigentlich gut gearbeitet hatte, aber da spielten, glaube ich andere Gründe mit rein, die nicht nach außen dringen.

Eishockey.com: Wir haben ja schon gehört, dass dir das Wetter hier recht gut gefällt, aber wie kommst du mit der Mentalität und der Lebensart der Amerikaner zurecht?

Sturm: Mittlerweile gut. Ich habe mich hier eingelebt und komme mit Land und Leuten gut zurecht. Ich fühle mich wohl und bin hier zufrieden.

Eishockey.com: Aber trotzdem kommst du im Sommer gerne nach Deutschland zurück ...

Sturm: ... ja klar, daheim ist es einfach am schönsten. Darum freue ich mich schon unheimlich darauf nach Hause zu kommen.

Eishockey.com: Deinen Worten entnehme ich, dass du nicht planst nach dem Karriereende hier zu bleiben.

Sturm: Ich habe schon vor nach Deutschland zurückzukehren und dort zu leben. Aber um Eishockey zu spielen möchte ich nicht nach Deutschland zurück.

Eishockey.com: Was ist deine beliebteste Auswärtsstadt bzw. Stadion?

Sturm: Das sind die kanadischen Städte, wie Toronto und Vancouver. Aber Vancouver ist meine Lieblingsstadt, sie ist San Francisco sehr ähnlich. Auch das Stadion dort gefällt mir sehr gut.

Eishockey.com: Thema Nationalmannschaft: Werden dich die Fans bei der WM in Finnland sehen?

Sturm: Ich war schon in Kontakt mit dem Franz Reindl. Ich glaube momentan eher nicht, aufgrund der Tatsache, dass mein Vertrag ausläuft und das Verletzungsrisiko bei einer Teilnahme zu groß ist. Ich habe mit meinen Manager darüber gesprochen und ihm wäre es lieber, ich würde nicht spielen. Das ist schade, aber vielleicht kommt vorher noch eine Vertragseinigung zustande. Doch nachdem der Managerposten vakant ist, wird das kaum klappen.

Eishockey.com: Dein Gastgeberland USA ist derzeit in einen Krieg verwickelt. Macht man sich darüber viele Gedanken, denn die Gefahr für Anschläge steigt dadurch natürlich?

Sturm: Ja, es ist sicher oft im Kopf und man wird hier ja täglich damit konfrontiert, in den Medien usw. Aber ich möchte das lieber verdrängen. Ich gehe davon aus, dass es wieder Anschläge geben wird, aber daran will ich gar nicht denken. Ich arbeite hier, muss von Spiel zu Spiel Leistung bringen. Man hat schließlich keine andere Wahl, deswegen sollte man sich nicht zuviel darüber den Kopf zerbrechen.

Eishockey.com: Das deutsch-amerikanische Verhältnis hat darunter gelitten, dass die Bundesregierung sich gegen diesen Krieg entschieden hat. Musstest du als Deutscher deswegen schon negative Erfahrungen machen?

Sturm: Überhaupt nicht, auch außerhalb des Eishockeys nicht. Egal, wo man hinkommt, gibt es deswegen keine Probleme. Klar wird im Team untereinander der ein oder andere Joke gemacht, obwohl es ein sehr ernstes Thema ist. Aber wir haben auch sehr viele Kanadier und die sind auch nicht dabei, die können also auch nichts sagen.

Eishockey.com: Marco, wir danken dir für dieses nette Gespräch. (sth/br)

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