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nr.57 / okt. 2002 

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TEAMREPORT
 
Der Sturm, der aus dem Norden kam
Die Geschichte der Carolina Hurricanes

von Robin Patzwaldt

Im Frühjahr dieses Jahres mögen sie manchen zum ersten Mal ins Bewusstsein gekommen sein. Als klarer, kaum beachteter Außenseiter zog man als Erster der Southeast Division in die Playoffs ein, um dann im Finale dem Topfavoriten aus Detroit zu unterliegen, aber viele neue Freunde und Respekt gewonnen zu haben. Aber wer sind diese Carolina Hurricanes und wo kommen sie her?

Eine ungewöhnlich lebhafte Vergangenheit hat die Franchise der Carolina Hurricanes vorzuweisen. Zwar bezieht sich der Beiname 'Hurricanes' eigentlich auf die in Carolina relativ häufig auftretenden Stürme, und soll Kraft und Dynamik symbolisieren, doch ist er auch bezeichnend für die Teamgeschichte.
Denn ähnlich dem unstetigen Verlauf eines Hurricanes, der über einen Landstrich zieht, verlief auch die Geschichte der 'Canes'.
Ähnlich wie die gefürchteten Wirbelstürme, bewegte sich das Team in der Vergangenheit quasi stets auf unvorhersagbaren Bahnen.
Ursprünglich hoch im Norden der USA gegründet, wanderte man im Laufe der Jahre auf Umwegen südwärts von Spielort zu Spielort, um schließlich in Raleigh, der Hauptstadt von North Carolina, ein neues Domizil zu beziehen.

Alles begann 1971, als die Sportfreunde Howard Baldwin und John Coburn Jr. eine kleine Hockeyarena in der Nähe von Cap Cod. in Neuengland planten. Baldwin, ein alter Manager der Jersey Devils aus der ehemaligen Eastern Hockey League, und Coburn gründeten die Whalers, ein aufstrebendes Team in der World Hockey Association. Jack Kelley, der damalige Coach der Boston University, wurde als Trainer verpflichtet. Um den ehemaligen Kapitän der Boston Bruins, Ted Green, wurde eine Mannschaft zusammengestellt, die aus erfahrenen NHL-Spielern bestand. Zu ihr gehörten u.a. Tom Webster, Al Smith und Tom Williams.
Am 12. Oktober 1972 bestritten die Whalers ihr erstes Heimspiel im Boston Garden gegen die Philadelphia Blazers. Immerhin 14.400 Zuschauer erlebten die 3-4 Heimpleite des neugegründeten WHA-Teams.

Bereits ein Jahr später hatte sich das Team zu einer Spitzenmannschaft in der East-Division entwickelt. Allerdings war die finanzielle Situation der Franchise wenig befriedigend. Die Konkurrenz zum NHL-Team Boston Bruins war einfach zu belastend.
Baldwin begann sich nach alternativen Standorten umzuschauen. Schließlich entschied er sich für Hartford, wo man gerade dabei war eine neue Halle im dortigen Civic Center zu errichten. Doch ohne das Ende der Saison 1973-74 abzuwarten, entschloss man sich die Heimspiele übergangsweise im Eastern States Coliseum in Springfield, Massachusetts, auszutragen, solange die neue Heimstädte in Hartford noch nicht vollendet war.
Dieser Umstand erwies sich jedoch als großer Nachteil für die Entwicklung des Teams. Bereits in der ersten Playoffrunde unterlag man gegen die Chicago Cougars.

Zu Beginn ihrer Zeit in Hartford waren die Whalers recht erfolgreich. Die neue Halle war mit ihren 10.400 Plätzen regelmäßig ausverkauft. Man war eine feste Größe in der Liga und vordere Platzierungen waren an der Tagesordnung. Baldwin wurde Präsident der Liga und es gelang ihm Größen wie Gordie Howe, der zu diesem Zeitpunkt erfolgreichster NHL-Scorer aller Zeiten war, und Dave Keon für sein Team zu verpflichten.
Schließlich wechselte die Franchise zusammen mit den Edmonton Oilers, den Winnipeg Jets und den Quebec Nordiques in die Königsklasse, die NHL.

Gordie Howe feierte also 1979 mit 51 Jahren ein Comeback in der NHL. Er beendete seine 32. und letzte NHL-Saison mit 15 Toren für die Whalers, darunter sein 800. Karrieretor. In diesem Jahr verpflichtete man in Hartford auch Bobby Hull. Beide spielten während dieser Zeit zusammen in einer Reihe.

Ron Francis.

In der Saison 1980-81, mit Larry Pleau übernahm erstmals ein Whalers-Spieler das Traineramt, entschied man sich im Draft für den 18-jährigen Center Ron Francis, welcher für die Franchise noch prägend werden sollte.
Francis schlug sofort ein. Er beendete die Saison auf dem dritten Platz der teaminternen Scorerwertung. Es reichte zu immerhin 68 Punkte in 56 Spielen.

In 1985 gelang es dem Team erstmals die Playoffs der NHL zu erreichen. Dem Erfolg gegen die Quebec Nordiques, folgte in der KO-Runde das Aus nach Spiel 7 gegen die Montreal Canadiens. Der inzwischen neu installierte General Manager Emile 'the cat' Francis wurde zum Manager des Jahres gekürt. Im Jahr darauf errang man erstmals auch den Titel in der 'Adams Division'. Die Freude darüber währte aber nicht lange, folgte doch das sofortige Playoffaus in der ersten Runde gegen die Nordiques. Auch im Folgejahr erreichte Hartford die Meisterschaftsrunde, scheiterte jedoch erneut, diesmal an Montreal.
Die folgenden zwei Spielzeiten verstrichen ebenfalls, ohne dass die Whalers eine Playoffrunde überstehen konnten.

1991 wurde Center Ron Francis, der inzwischen fast alle Offensiv-Rekorde der Franchisegeschichte innehatte, in einem Trade an die Pittsburgh Penguins abgegeben. Francis sollte mit Pittsburgh zwei Mal den Stanley Cup holen, während die Whalers diesen Verlust nicht verwinden konnten. Drei verschiedene Trainer versuchten ihr Glück in den nächsten drei Spielzeiten. Keinem wollte es jedoch gelingen, die Whalers wieder nach oben zu bringen. Sowohl Jimmy Roberts, der frühere Trainer des AHL-Teams Springfield Indians, als auch Paul Holmgren und Pierre Maguire scheiterten.
GM Emile Francis setzte sich zur Ruhe, nach einer 47-jährigen Hockeykarriere. Neuer GM wurde Brian Burke. Dieser verließ das Team jedoch schnell wieder um eine Position bei der NHL zu bekleiden. Er wurde wiederum durch Holmgren ersetzt.

Am Tage des 1994er Draft, der in Hartford stattfand, gab man den Verkauf des Teams für US$ 47,5 Mio. an den Eigentümer der Firma 'Compuware' Peter Karmanos, Thomas Thewes und den früheren NHL-Goalie Jim Rutherford bekannt.
Rutherford wurde der neue Präsident und Manager, Holmgren zum neuen Headcoach ernannt. Nach zwei weiteren erfolglosen Spielzeiten näherte sich das Ende für die Whalers Peter Karmanos erklärte die Whalers würden sich zur Saison 1997-98 ein neues Domizil suchen. Ein Schock für den harten Kern der Fans, die ihrerseits versuchten, die Whalers in Hartford zu halten. Es wurden Aktionen gestartet, den Ticketverkauf anzukurbeln. Letztendlich jedoch ohne Erfolg. Alle 'Save the whale' (Rettet den Wal)-Aktionen halfen nichts, das Team musste Hartford verlassen.

In der 17 jährigen Geschichte der Whalers wurden die Playoffs 10mal verpasst. Nur einmal gelang es die erste Runde der Ausscheidungsspiele zu überstehen.

Neue Heimat sollte Raleigh werden, die Hauptstadt von North Carolina. Entsprechend änderte man den Namen in 'Carolina Hurricanes'. Aber auch in der Heimat von College Basketball und NASCAR-Rennen, verlief der Start nicht optimal. Da die neu zu errichtende Halle noch nicht rechtzeitig fertig wurde, spielte man zunächst im benachbarten Greensboro. Das dortige Coliseum wurde so über Nacht, mit seinem Fassungsvermögen von 21.500 Zuschauern, zu einer der größten NHL-Arenen überhaupt, zumindest kurzfristig. Die Bedingungen dort waren aber alles andere als ideal. So wurde zum Beispiel ein gebrauchter Videowürfel aus dem Madison Square Garden in New York installiert. Das Ganze blieb ein Provisorium.
Der von Karmanos prognostizierte Punktezuwachs von 10 bis 15 Punkten blieb aus. Auch im Süden verpasste man die Playoffs. Das Publikumsinteresse blieb ebenfalls deutlich hinter den Erwartungen zurück.

Unter der Führung von Neueinstellungen wie den Stürmern Keith Primeau und Sami Kapanen gelang es 1999 erstmals nach sechs Jahren wieder die KO-Runde zu erreichen. Mit der Verpflichtung von Torwart Artus Irbe und der Rückkehr von Franchise-Legende Ron Francis gewann Carolina die neugegründete South-East Division.

Zu Beginn der Saison 1999-2000 eröffnete man die Spielzeit mit neun aufeinanderfolgenden Auswärtsspielen, bevor am 29. Oktober 1999 die neue Arena in Raleigh bezogen werden konnte. Vor ausverkauftem Haus unterlag man den New Jersey Devils mit 2-4.
Der durchschnittliche Heimspielbesuch von 12.400 Fans stellte jedoch gleich eine Verbesserung um mehr als 4000 Zuschauer pro Spiel, verglichen mit der Zeit in Greensboro, dar.
Es gelang zum ersten Mal nach 1986 wieder zwei Spielzeiten in Folge mit einem positiven Punkteschnitt abzuschließen. 37 Siegen standen lediglich 35 Niederlagen gegenüber. Unglücklicherweise verpasste man dennoch die Playoffs, da sich am letzten Spieltag die Buffalo Sabres den 8. Platz mit lediglich einem Punkt Vorsprung sichern konnten.

Trotzdem stellte die Premierensaison in der neuen Heimat einen Erfolg dar. Goalie Artus Irbe markierte neue Franchiserekorde in Spielen pro Saison (75) und Siegen (34). Trainer Paul Maurice, der den Posten 1995 als jüngster Trainer in der US-Profisport-Geschichte übernahm, bekleidet seither ebenfalls mit der Anzahl seiner Siege die Führungsposition in der Geschichte der Franchise.

Auch in der letzten Saison gelang es den Aufbau weiter erfolgreich voranzutreiben. Man gewann erneut die South-East-Division, vor dem schwächenden Konkurrenten aus der Hauptstadt. Sensationeller Weise schaltete man dann in den Playoffs Teams wie Montreal und Toronto aus und sicherte sich gar die Meisterschaft in der Eastern Conference.

Am Stanley-Cup Gewinn scheiterte man, nach jeweils umkämpften Spielen, dann aber doch relativ klar mit 1-4 gegen den haushohen Favoriten aus Detroit. Die Mannschaft präsentierte sich in den Finalspielen, wie bereits in den gesamten Ausscheidungsspielen zuvor, als ein unbequem zu spielender Gegner. Mannschaftliche Geschlossenheit und unbändiger Kampfeswillen begeisterten aber das Publikum. Die Stimmung bei den Heimspielen war unbeschreiblich. Es wurden Geräuschpegel auf Rekordniveau der NHL gemessen. Die in den Jahren zuvor noch mangelhafte Identifikation der Anhänger mit dem Team machte rapide Fortschritte. Man entwickelte zunehmend Stolz für das Team, den Underdog aus dem Süd-Osten.

Die Einschaltquoten der nordamerikanischen TV-Stationen waren die höchsten, während einer SC-Finalserie seit Jahren. Die Mannschaft dürfte so auch überregional viele neue Freunde gefunden haben. Bleibt zu hoffen, dass man den ungewohnten Erfolg der Vorsaison gut verarbeiten kann und man die Rückschläge, die nun nach so einem überragenden Erfolg automatisch folgen werden, richtig einzuschätzen weiß.
Dann könnten dieser sich so lange im Schatten entwickelnden Franchise noch viele weitere Festtage ins Haus stehen, und der 'Hurricane' könnte endlich etwas zur Ruhe kommen.... (rp)

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