NHL-Eishockeymagazin
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nr.54 / juni 2002 

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REISEBERICHT
 
Wo liegt Raleigh?
Eine Reise zum Stanley Cup Finale 2002

von Stefan Herget

Robin(li.) und Stefan(re.) im ESA.
Redakteur Stefan Herget war zusammen mit unserem Stammleser Robin Patzwaldt aus Waltrop in Raleigh, um sich Spiel 3 und 4 des diesjährigen Stanley Cup Finales anzuschauen. Hier sein Bericht über die Reise, die Spiele und die Begebenheiten.

Es ist Donnerstag, der 6. Juni 2002 um 17 Uhr. Ich checke meine e-mails und erwarte eine langersehnte Antwort zu bekommen. Am Montag zuvor hatte ich eine Anfrage bei der NHL gestartet, bezüglich jeweils zwei Karten für Spiel 3 und 4 des Stanley Cup Finales im ESA, der Spielstätte der Carolina Hurricanes. Zusagen können aber aufgrund der großen Nachfrage erst einen Tag vor dem Spieltag gemacht werden, bekam ich freundlich zur Auskunft. Einen Tag? Wie soll das funktionieren? Mit Anreise undenkbar. Schließlich die Zusage, dass ich wegen der besonderen Umstände am Mittwoch Bescheid bekäme. Als es dann soweit war, wurde ich jedoch auf Donnerstag vertröstet. Und da saß ich nun und las auf meinem Schirm 'You have a new Mail'. 'Ich freue mich Ihnen mitzuteilen, dass ich Ihre Tickets für Spiel 3 und 4 des SC zusagen kann', durfte ich dort lesen. Oh mein Gott, ich fahre zum Finale. Noch eine Stunde, dann macht das Reisebüro dicht. Morgen muss schon der Abflug sein. Frau Stratmann von Centralflug Nürnberg war wie auch schon bei der Organisation unserer Leserreise eine gute Partnerin und hatte prompt einen Flug gebucht. Es ging mit Swiss über Zürich nach Washington und von dort mit dem Mietauto die knapp 400 Kilometer südlich nach North Carolina.

Die schön gelegene ES-Arena.

Stammleser Robin hatte schon vorab sein Interesse bekundet mich zu begleiten. Als ich ihn anrief, war er freudig geschockt, hatten wir doch mit dem Gedanken, dass es nicht klappen würde, fast schon abgeschlossen. Nur zwei Stunden später war das Mietauto gebucht, die Flugtickets am Flughafen hinterlegt, die Reisetasche gepackt und das Hotel über das Internet reserviert. Mehrere Hotels in der Stadt Raleigh hatten extra zum Finale Sonderpreise angeboten, so dass die Auswahl nicht schwer fiel.

Nach acht Stunden angenehmem Flug bei gutem Service erreichten wir um 15.30 Uhr Ortszeit die Hauptstadt Washington, DC. Nach einem Stadtrundgang im Schnellverfahren machten wir kurz hinter der Stadt Station, um einen Tag später die weitere Fahrt aufzunehmen.
In Raleigh angekommen, steuerten wir zunächst unser Hotel an, um an dem jetzt schon fast 30 Grad heißen Tag unser Gepäck in 'Sicherheit' zu bringen. Am Empfang wurden wir gleich freundlich begrüßt, vielleicht lag es an Robins Kappe, die natürlich das Logo der Canes schmückte. Nachdem er es aufgrund der Hitze abgenommen hatte, forderte ihn die Hoteldirektorin auf, es doch aufzulassen. 'Ach ja, sie sind diejenigen aus Deutschland, die unser Special gebucht haben. Das ist klasse. Wir haben uns heute morgen darüber unterhalten. Sonst haben wir keine einzige Buchung über das Internet erhalten und dabei hatten wir so viele Fans aus Detroit erwartet. Aber Fehlanzeige', bemerkte sie. Als ich ihr scherzhaft und in diesem Moment sehr populistisch entgegnete, dass es wohl daran liegen werde, weil die genau wissen, dass die Red Wings verlieren werden, hatte ich das Gelächter auf meiner Seite. So recht daran glauben, wollte sie offenbar nicht.

Georges Washington als Canes-Fan.

Außerdem kam natürlich die Frage zu den Tickets. Die Partien seien innerhalb von einer halben Stunde ausverkauft gewesen und im Internet nur an Einwohner von North und South Carolina, sowie Virgina verkauft worden. Dadurch sollte der invasionäre Einfall der Gästefans verhindert werden. Wie sich später zeigen sollte eine wirkungsvolle Maßnahme, denn die Gäste waren tatsächlich stark in der Minderheit, auch wenn im vierten Spiel (geschätzte 600 Fans), wohl mit der insgeheimen Spekulation auf die Cupübergabe, ungefähr doppelt so viele anwesend waren als wie im Dritten (ca. 300). Auf jeden Fall wurde uns bewusst, dass offensichtlich ganz Raleigh dem unerwarteten Ereignis entgegenfieberte.

Eine erste Fahrt in die Downtown war dann leicht enttäuschend, weil kaum Verkehr vorherrschte und nur wenige Menschen auf der Straße zu sehen waren. Das war in den bisherigen Städten der USA, die wir schon besucht hatten, anders. Lediglich am Straßenrand zierten die Laternen Banner mit dem Logo der Hurricanes und der Aufschrift 'Souteast Division Champions 2002'. Am State Capitol, dem alten Regierungssitz des Staates North Carolina, wurden den Statuen berühmter Politiker, wie George Washington, ein Trikot der Canes übergestreift. Eine sehr originelle Idee.

Feierstimmung auf dem Parkplatz

Frühzeitig machten wir uns dann auf den Weg zur Entertainment and Sports Arena (kurz ESA), die etwas außerhalb liegt. Zahlreiche Autos mit Canes Fahnen geschmückt begegneten uns jetzt. Wie wir aus der Zeitung erfuhren, hatte bereits um 14 Uhr, also sechs Stunden vor Spielbeginn, der Parkplatz geöffnet. Bei unserer Ankunft um 17 Uhr bot sich uns ein phantastisches Bild. Nahezu jeder hatte an seinem Auto einen Pavillion aufgestellt und den Barbecue Grill angeworfen. Manche hatte regelrechte Buffets und andere an diesem heißen Tag sogar ein Planschbecken aufgebaut, in dem sie nun gemütlich sitzend ihr Bier schlürften. 'So etwas erleben wir in Detroit nicht, außer wir würden im Parkdeck feiern. Ich finde das toll hier', gab ein Fan der Red Wings aus Michigan zu verstehen. Vor der Halle wurde Live-Musik dargeboten und in zwei Festzelten sich ausgiebig auf die Begegnung vorbereitet.

Dieser Fan zeigt deutlich, was er von Detroit hält.

Zahlreiche Schilder wurden zur Schau getragen und es wurde deutlich, dass die Presse in Detroit mit dem Underdog aus dem eher provinziellen Süden nicht sehr freundlich umgegangen sein muss. Sticheleien gegen die zusammengekaufte Truppe des Eigentümers Mike Illitch waren an der Tagesordnung. 'Halb so viel Geld, aber doppelt so viel Herz' auf dem einen oder 'Hey Illitch, willst du meinen Cup auch kaufen' auf einem anderen, an dem ein Unterleibsschutz (umgangssprachlich in USA: Cup) befestigt war. Der nächste hatte die Stanley Cup Meisterschaft bei ebay ausgeschrieben und als höchsten Bieter die Detroit Red Wings mit 65 Millionen US-Dollars angegeben. Man merkte, dass die Leute hier stolz auf ihr Team waren ('Wo ist Detroit? Wir sind die neue Hockeytown.' oder 'Die lautesten und stolzesten Fans der NHL') und die Attacken aus dem Norden, wonach in Raleigh nur Bauern wohnen, sehr souverän spaßig aufgenommen wurden. So kamen einige Fans nur deswegen als Symbol des dümmlichen Bauers mit Latzhose und Strohhut ins Stadion.

Natürlich war auch der Mangel an Karten zu spüren. Am Rand stand eine Frau mit einem Transparent 'Würde für Karten strippen'. Robin und ich beschlossen aber lieber das Finale selbst anzuschauen. Man muss schließlich Prioritäten setzen.
Am ESA gibt es extra einen Bereich, in der Karten an- und verkauft werden können. Dort standen zahlreiche Fans und hofften noch welche zu ergattern. Nach dem Gesetz steht es in Carolina, sowohl für den Verkäufer als auch für den Käufer, unter Strafe Karten teuerer als drei Dollar über dem Einkaufspreis zu handeln. So gab es während der Spieltage 22 Festnahmen durch Undercover Agenten. Über 100 Tickets wurden beschlagnahmt und für einen guten Zweck gespendet.

Hohe Sicherheitsstufe mit strengen Kontrollen am Eingang.

An den Eingängen erwarteten uns sogleich intensive Sicherheitskontrollen. Alle Zuschauer wurden mit Metalldetektoren abgetastet und ausgiebig durchsucht. Dadurch bildeten sich an manchen Eingängen lange Schlangen, aber die Leute ließen alles geduldig über sich ergehen und es gab keinerlei Probleme. Das ESA wurde erst 1999 eröffnet und ist eine sehr schöne, geräumige Arena. Unsere Plätze waren im sogenannten Club Level auf der Ebene 2. Der Gang dort war separiert von den anderen und nur durch Vorzeigen der Karte zugänglich. Dort hatte man zugleich Zugang zu den Logen. Es dauerte nicht lange und schon lief uns Darren Pang vom Sportsender ESPN über den Weg. Der kleine, immer lustige Reporter wurde im Rahmen des letztjährigen Finales auch schon von Premiere interviewt. Im Laufe der beiden Spiele säumten weitere Prominente, wie NHL Commissioner Gary Bettman oder Carolina Eigentümer Peter Karmanos Jr. unseren Weg. Sowohl Bettman, als auch Karmanos gaben sich den Fans gegenüber sehr offen, erfüllten Autogrammwünsche und waren sich auch nicht zu schade, mit dem einen oder anderen ein paar Worte zu wechseln. Leider wollte uns Ray Bourque, der im vierten Spiel zugegen war nicht über den Weg laufen.

An den Sitzen waren bereits die Mannschaftsaufstellungen mit den Statistiken der Spieler aufgelegt, damit man umfassend informiert war. Kurz darauf stellte sich die Bedienung des On-Section Services vor, der die Zuschauer im Block mit Essen und Trinken am Platz versorgte.

In der Arena herrschte ein ohrenbetäubender Lärm.

In der Halle entwickelte sich vor allem am Samstag eine Wahnsinnsstimmung, die wir zuvor noch nicht erlebt hatten. Laut einem Zeitungsartikel am nächsten Morgen war zu Beginn der Begegnung ein Geräuschpegel von 123 Dezibel - das entspricht den Werten bei einem Rockkonzert - unter dem Dach. Jeder, wirklich jeder hatte sich von seinem Platz erhoben und schwenkte das weiße Tuch, welches am Eingang ausgeteilt wurde. Nach der Eröffnungshymne 'Rock you like a hurricane' von den Scorpions, folgte jedes Mal wenn es laut wurde 'Welcome to the Jungle' von den Guns N' Roses. Die Musik hätte passender nicht sein können. Die Canes Fans, die um uns herum saßen waren schier aus dem Häuschen, als sie hörten, dass wir aus Deutschland gekommen waren, um das Finale zu sehen. Sie stellten sich alle einzelnen vor. Schräg vor uns hatte sich ein einzelner weiblicher Red Wings Fan 'verirrt'. Das entfaltete Plakat war den anderen derart ein Dorn im Auge, dass es bei einer Abwesenheit der blonden Dame in der Drittelpause schnell entsorgt wurde. Der Umgang miteinander blieb aber bei einer spaßigen Art.

Dass Spiel 3 in die dritte Overtime ging und das drittlängste Stanley Cup Finale in der Geschichte der NHL wurde (nur 24 Sekunden fehlten zum längsten!), hat das Erlebnis Stanley Cup Finale nur intensiviert. Leider war dem Heimteam kein Sieg gegönnt, dafür war die Überlegenheit der Gäste zu groß. Die Fans in Raleigh hatten aber trotzdem eine phantastische Stimmung produziert, ganz ohne Trommel und Lärminstrumente. Das zeigt die Größe und den Stolz, den die Fans auf ihr Team haben.

An- und Abfahrt waren perfekt organisiert.

Zu erwähnen ist noch die hervorragende Organisation des gesamten Events. Noch nie haben wir gesehen, dass der Verkehr nach einer Großveranstaltung so problemlos abfloss und sich der Parkplatz ohne Stau schnell leerte, weil alles perfekt vorbereitet war. Hier sollten sich einige in Deutschland einmal ein Beispiel nehmen.
Einzig überraschend war, dass die Fanartikel zum Finale und der Conference Meisterschaft schon ziemlich ausgesucht waren und kaum mehr ein T-shirt in XL zu ergattern war. Die Teamleitung war offensichtlich von der großen Nachfrage überwältigt worden.

Obwohl eine USA-Reise für fünf Tage manchen, besonders für Außenstehende, fragwürdig erscheint, können wir nur einen Satz entgegnen, der in Übersee gerne verwendet wird: It was worth it! (Es war es Wert!). Ein unvergessliches Erlebnis! (sth)

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