NHL-Eishockeymagazin
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nr.53 / mai 2002 

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ESSAY
 
'Slap Shot' - Jubiläum eines Filmklassikers
Eishockey, wie es nicht sein sollte, aber fast jeder liebt!

Stefan Herget

Etwas unbemerkt vom Trouble rund um die Olympischen Spiele im Februar feierte ein Filmklassiker seinen 25. Geburtstag. 'Slap Shot' - auf Deutsch plump ‚Schlappschuss' genannt - produziert von Universal Pictures kam am 17. Februar 1977 erstmals in den Kinos der USA. Was damals nur für eine kleine Fangemeinde interessant war, entwickelte sich über Generationen zu dem Eishockeyfilmklassiker schlechthin.

Fast alle Eishockeyfans kennen die Geschichte des alternden Spielertrainer Reggie Dunlop (meisterlich gespielt von Paul Newman), der alles unternimmt - Lügen, Prahlen, Betrügen und sogar Affären mit den Frauen seiner Rivalen auf dem Eis, um seinen Club die Charlestown Chiefs am Leben zu erhalten. Doch der Niedergang des Teams scheint beschlossen, als drei neue Spieler zur Mannschaft stoßen und den Chiefs neues Leben einhauchen. Sie besiegen einen Gegner nach dem anderen mit Brutalität und rohem Spiel. Die aggressive Spielweise der Chiefs lässt sich jedoch nicht vereinen mit einigen talentierten und technisch versierten Akteuren in ihren Reihen. Konflikte sind vorprogrammiert, die Trainer Dunlop auch im privaten Bereich treffen. Ein kurzer Abriss der Handlung, die vielen wohl geläufig ist.
Weniger bekannt dürfte sein, wie die Idee zum Film aufkam und wie er entstanden ist? Wie konnte es sein, dass eine Frau das Drehbuch über die raue Macho Welt des Minor League Hockey schrieb? Woher kamen die Hanson Brothers? Warum ist 'Slap Shot' so populär und warum sind so viele NHL-Spieler unter den Fans?

Mitte der 70er Jahre war der spätere Hollywood Filmproduzent Ned Dowd aktiv in der Minor Hockey Liga bei den Johnstown Jets, Pennsylvania. Er unterhielt seine Familie immer mit den Anekdoten über seine rüden Teamkollegen und die brutale Wirklichkeit des Spiels. Eine die seine Ausführungen aufmerksam verfolgte, war eine angehende Drehbuchautorin, seine Schwester Nancy, die 1979 für den Film 'Coming Home' einen Academy Award erhielt. Je mehr Geschichten sie von ihrem Bruder hörte, desto mehr wurde Nancy fasziniert von der Rohheit solcher Veranstaltungen. Die Teamkollegen, welche für die robuste Spielweise verantwortlich waren, hießen Steve, Jack und Jeff Carlson, sowie Dave Hanson. Nancy begann das Team von Ned auf Auswärtstouren zu begleiten.
Sie verbrachte einen Monat mit den Jets, um eigene Erfahrungen zu sammeln und die anderen Spieler zu interviewen. Auch von Konversationen in der Kabine, im Bus oder an der Hotelbar hatte sie währenddessen Tonbandaufzeichnungen gemacht. Sie wollte so ein Gefühl für die Sprache und Wörter, die die Cracks verwanden, bekommen. Mit dieser 'Munition' im Gepäck war Nancy in der Lage, ein Drehbuch zu schreiben, welches die Brutalität, den schlechten Humor und spartanische Wirklichkeit von Minor Hockey beinhaltete.

Paul Newman im Einsatz

Das fertige Werk fand die Aufmerksamkeit von Schauspieler Paul Newman und Regisseur George Roy Hill, der mit Newman bereits in den Filmen 'Butch Cassidy and the Sundance Kid' und 'The Sting' zusammengearbeitet hatte. Beide kauften das Skript.

"Da war eine gewisse Rohheit in dem Skript, die mir gefiel", sagt Hill zurückblickend. "So viele Filme, inklusiver einige meiner, zeigen ein Leben in einer Fantasiewelt. Aber das war Realität. Die derbe Sprache hat Kritiker provoziert, aber sie war enorm wichtig für die Präsentation dieser Kultur. Alles andere wäre unangebracht gewesen."

Mit dem Drehbuch und dem Hauptdarsteller in der Tasche begann das Casting. Es war nicht einfach, denn viele Schauspieler waren aufgrund ihrer beschränkten Schlittschuhkünste nicht in der Lage die Rollen zu übernehmen. Man entschloss sich für einige Rollen echte Eishockeyspieler auszuprobieren. So kamen ein paar Akteure aus den Minor Hockey Leagues, sowie eine Spielerfrau zu einem Filmauftritt.

Ned Dowd, der die Inspiration zu der Charakteren des Michael Ontkean gab, durfte die Rolle des legendären 'Goon' Ogie Ogilthorpe übernehmen. Ontkean war in Wirklichkeit ein sehr guter Spieler. Er besuchte schon früh die Hockeyschule der University of New Hampshire und war später im Farm System der Toronto Maple Leafs, sowie bei den Halbprofiteams aus Vancouver und Quebec aktiv.

Steve, Jack und Jeff Hanson

Steve, Jack und Jeff Carlson sollten sich selber spielen, wurden aber mit dem Nachnamen Hanson geführt, während Dave Hanson Dave 'Killer' Carlson verkörpern sollte. Als Jack gerufen wurde, um für die Edmonton Oilers in den WHA-Playoffs aktiv zu sein, übernahm schließlich Dave Hanson die Rolle des dritten Hanson. Niemand wusste damals, dass gerade diese Rollen in den Mittelpunkt rücken würden und noch in ferner Zukunft der Inbegriff des schlagkräftigen Eishockeys sein würden. Universal Pictures bot den dreien nach dem Ende der Dreharbeiten einen Vertrag für weitere Filme an, doch diese lehnten dankend ab. "Wir waren Eishockeyspieler, nicht Schauspieler", bemerkt Steve. "Wir lebten unser Leben, um das Spiel zu spielen. Die Wahl war sehr einfach und ich wollte es nicht einmal für die ganze Welt eintauschen." "Wir waren jung und unser Fokus war, den höchsten Level im Eishockey zu erreichen", fügt Dave hinzu.

Und zwei kamen richtig zu Profiehren: Dave Hanson spielte während den Spielzeiten 1978-79 und 1979-80 33 Begegnungen in der NHL für die Detroit Red Wings und die Minnesota North Stars mit einer Ausbeute von einem Treffer und einem Assist, sowie 65 Strafminuten.
Steve Carlson wurde 1979-80 in 52 Partien von den Los Angeles Kings eingesetzt und brachte es immerhin auf 9 Tore und 12 Vorlagen bei - im Vergleich zur Filmrolle harmlosen - 23 Strafminuten. In den 90er Jahren war Steve Trainer einiger Teams, wie zum Beispiel der Memphis River Kings aus der Central Hockey League. Heute managt er von Wisconsin aus die zahlreichen Aktivitäten der Hanson Brothers. Was das Planen von Autogrammstunden, Einladungen zu Veranstaltungen und Feiern beinhaltet.
Jeff geht in Michigan mittlerweile nebenbei einer geregelten Arbeit als Elektriker nach, während Dave eine Eishockey Arena in Pennsylvania betreibt.

Doch kommen wir zurück zum Film. Der Streifen wurde in erster Linie in Johnstown gedreht, doch auch Utica im Westen des Bundesstaates New York, Hamilton und Syracuse waren Stationen. An einem Tag benötigte Regisseur Hill zahlreiche Statisten für die Aufnahmen während eines Spieles. Eine Ausschreibung in Syracuse honoriert mit US$ 2,30 pro Stunde sorgte für ein wahres Chaos. Jeder wollte dabei sein, aber weniger beim Film oder wegen des Geldes, sondern um Paul Newman zu sehen. Der hatte bei den gesamten Dreharbeiten keinerlei Starallüren gezeigt. "Er war sehr unkompliziert und freundlich und überhaupt nicht abgehoben. Er adoptierte uns mehr oder weniger, indem er uns seine 'Kids' nannte", schwärmt Dave.

Auch Hill gab trotz seiner umfangreichen Filmerfahrungen den Eishockeyspieler bei der Gestaltung der Spielszenen weitgehend freie Hand in ihrem Tun. Dies machte das Movie so realistisch und deswegen auch beliebt bei heute aktiven NHL-Stars. "Brett Hull, Chris Chelios, Wayne Gretzky und Mark Messier - sie alle haben bei unseren zahlreichen Touren durch das Land ihre Aufwärmübungen unterbrochen, um die Möglichkeit zu haben, sich mit uns fotografieren zu lassen", erzählt Steve. Eine Überraschung der besonderen Art erlebten die drei in Phoenix. "Wir machten eine Radio Show in Phoenix", erinnert sich Jeff, "als ein anonymer Zuhörer aus einer Telefonzelle anrief und begann die Reihen der Chiefs im Film aufzusagen. Er offenbarte seinen Namen auch nicht, als der Moderator anfing alle möglichen Fragen über 'Slap Shot' zu stellen und er alle problemlos beantwortete. Wir alle fragten uns, wer das sei und als wir nicht mehr auf Sendung waren, outete er sich als Keith Tkachuk. Wir sollten seinem Trainer nicht verraten, warum er nun zu spät zum Training kommen werde".

Durch den Film bekamen die Hansons in ganz Nordamerika Kultstatus, der sich auch nach Europa ausbreitete. Vor ein paar Jahren noch sponserte Anheuser Busch eine Tour der Hanson Brothers quer durch den Kontinent mit über 100 besuchten Städten. Alle waren überrascht von den Ausmaßen des Faninteresses, aber die am häufigsten gestellte Frage war die nach 'Slap Shot 2'. Als Bestandteil des 25. Geburtstages kam der Film im März dieses Jahres in den USA nur auf Video und DVD heraus. Hauptdarsteller sind neben den Hansons, Stephen Baldwin und Gary Busey.
Wann und ob es eine deutsche Version geben wird, ist noch nicht bekannt und hängt vom Erfolg in den USA und Kanada ab. Die Kritiken zu Teil 2 waren nicht die Besten.

Aber auch vor 25 Jahren gab es zunächst über das Movie nur wenig gutes zu lesen. So nannte die Zeitschrift 'Sports Illustrated' den Film damals "nichts, als einen billigen Streifen". Sie hatten nicht registriert, dass jener Moment als Newman zu den Hansons sagt "zeigt mir, was ihr drauf habt" die Geburt eines neues Kultes sein würde. Jetzt ein Vierteljahrhundert später wird der Name Hanson Brothers unweigerlich mit Eishockey verbunden und die Chiefs Trikots, natürlich mit den Nummern der Hansons - 16, 17 und 18 - sind in fast jedem Stadion vertreten. 'Sports Illustrated' hat schließlich vor kurzem 'Slap Shot' zu einem der zehn besten Sportfilme aller Zeiten benannt. Eine späte, aber angesichts des unbestrittenen Erfolges logische Einsicht. (sth)

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